Reform der Beschwerdekammern des Europäischen Patentamts
Im Rahmen des 148. Treffens des Verwaltungsrats der Europäischen Patentorganisation (EPO) am 28. und 29. Juni 2016 in München wurde eine Reform der Stellung der Beschwerdekammern des Europäischen Patentamts (EPA) beschlossen.
In den vergangenen Jahren wurde die Kritik an Missständen beim Europäischen Patentamt zunehmend lauter. Ein Stein des Anstoßes waren Vorwürfe, die Unabhängigkeit der Beschwerdekammern des EPA sei nicht gegeben. Der Druck auf die Organe des EPA, d.h. den Präsidenten und den Verwaltungsrat, wurde insbesondere durch eine Entscheidung der Großen Beschwerdekammer (R0019/12) erhöht, der zufolge der Vorsitzende der Großen Beschwerdekammer Wim van der Eijk wegen Befangenheit abgelehnt wurde. Der Grund für die Entscheidung lag darin, dass dieser als Vizepräsident des Generaldirektorats 3 (DG3), das für die Beschwerdekammern des EPA zuständig ist, selbst an der Verfahrensgestaltung beteiligt war. Eine Trennung der Spruchkörper des EPA von der Verwaltung des EPA sei der Entscheidung der Großen Beschwerdekammer zufolge daher nicht gegeben.
In den Monaten nach dieser Entscheidung folgten diverse, teilweise sehr persönliche Auseinandersetzungen zwischen dem Präsidenten des EPA und Mitgliedern der DG3, die von scharfer öffentlicher Kritik seitens europäischer Richter und Ministerien der Mitgliedsstaaten begleitet wurde. Des Weiteren wurden diverse Verfahren vor Verfassungsgerichten der Mitgliedsstaaten eröffnet, in denen auch die Abhängigkeit der Beschwerdekammern von der Präsidialverwaltung gerügt wurde. Das Bundesverfassungsgericht wird sich noch 2016 mit der möglichen Verletzung von Art. 2 Abs. 1, Art. 19 Abs. 4, Art. 20 Abs. 3, Art. 24 Abs. 1 und Art. 103 Abs. 1 GG wegen unzureichenden Rechtsschutzes beim Europäischen Patentamt gegen Entscheidung der Beschwerdekammern (2 BvR 2480/10, 2 BvR 421/13) befassen.
Am 1. Juli 2016 gab das EPA auf seiner Homepage bekannt, dass der Verwaltungsrat einer Trennung der Beschwerdekammern vom Verwaltungsapparat des Europäischen Patentamts zugestimmt hat. Die Restrukturierung führt zur Schaffung einer separaten Beschwerdekammerdivision im Rahmen der EPO, die von einem Präsidenten der Beschwerdekammern geleitet wird, dessen Stelle ebenfalls neu geschaffen wird. Auch eine räumliche Trennung der Beschwerdekammerdivision wird vorgenommen, wobei der Sitz weiterhin in München verbleibt.
Der Präsident der Beschwerdekammern ist ausschließlich gegenüber dem Verwaltungsrat und in keiner Weise gegenüber dem Präsidenten des EPA verantwortlich. Ein neu zu bildendes subsidiäres Beschwerdekammerkomitee wird für die Zusammenarbeit zwischen dem Verwaltungsrat und den Beschwerdekammern zuständig sein. Alle Zuständigkeiten des Präsidenten des EPA, die die Verwaltung der Beschwerdekammern betreffen, werden auf den Präsidenten der Beschwerdekammern übertragen werden. Neben der Rolle als Präsident der Beschwerdekammern wird dieser auch als Vorsitzender der Großen Beschwerdekammer fungieren. Über die finanzielle und weitere personelle Ausstattung sind noch keine Details bekannt geworden.
Eine Änderung des Europäischen Patentübereinkommens ist nach den Angaben des Präsidenten des EPA, Benoît Battistelli, nicht notwendig, um die Reformen in die Tat umzusetzen. Bisher wurden gemäß Artikel 11 (3) des Europäischen Patentübereinkommens (EPÜ) die Mitglieder der Beschwerdekammern, einschließlich der Mitglieder der Großen Beschwerdekammer, auf Grundlage von Vorschlägen des Präsidenten des EPA durch den Verwaltungsrat ernannt oder durch letzteren bestätigt. Über Verfahren zur zukünftigen Ernennung der Beschwerdekammermitglieder wurden noch keine detaillierten Informationen veröffentlicht. Auch über mögliche Änderungen der Verfahrensordnungen für die Beschwerdekammern beziehungsweise die Große Beschwerdekammer wurde nichts Konkretes verlautbaren gelassen.
Es bleibt abzuwarten, wie zügig die Änderungen umgesetzt werden können, und ob die Anzahl der Beschwerdekammermitglieder erhöht wird, um bestehenden und zukünftigen Anforderungen gerecht zu werden.