Einheitlicher Schutz für Geschäftsgeheimnisse in der EU kommt
Seit etwa drei Jahren diskutieren die interessierten Kreise einen Richtlinienvorschlag der Kommission über den Schutz vertraulichen Know-hows und vertraulicher Geschäftsinformationen (Geschäftsgeheimnisse) vor rechtwidrigem Erwerb sowie rechtwidriger Nutzung und Offenlegung (COM (2013) 813 final vom 28.11.2003).
Im Dezember hat der EU-Rat mit Vertretern des EU-Parlamentes eine vorläufige Einigung über diese Richtlinie gefunden. Das EU-Parlament hat die Richtlinie am 14. April 2016 mit nur geringen Änderungen in das Trilog-Verfahren zurückgegeben, so dass in Kürze mit einer Verabschiedung zu rechnen ist. Sie dürfte mit einer Frist von höchstens zwei Jahren in nationales Recht umzusetzen sein.
- Das deutsche Recht kennt schon lange den Schutz von Geschäftsgeheimnissen, auch im Zivilrecht. Zwar sind die einschlägigen Normen im UWG (§§ 17, 18 UWG) Strafrechtsnormen, es ist allerdings schon lange anerkannt, dass Verletzungen dieser Normen auch zivilrechtlich verfolgt werden können. Allerdings enthält dieser zivilrechtliche Schutz einige Lücken und ist auch nicht unkomplex in seiner Durchsetzung. Neben diesen wettbewerbsrechtlichen Regelungen gibt es natürlich seit je her die international üblichen Non Disclosure Agreements (Geheimhaltungsvereinbarungen), die ebenfalls zivilrechtlich bei Verstoß durchzusetzen sind, auch wenn Verstöße oft schwierig zu beweisen sind.
- Das Konzept der EU-Richtlinie geht weit darüber hinaus. Es stellt Geschäftsgeheimnisse und ihren Schutz geistigen Eigentumsrechten und deren Durchsetzung gleich. Das ist nicht unproblematisch, denn Geschäftsgeheimnisse sind noch weniger als geistige Eigentumsrechte greifbar, und oft fehlt es an einer hinreichenden Definition des Schutzumfangs, der auch dem Verletzer hinreichend klar ist. Es bleibt abzuwarten, wie der deutsche Gesetzgeber die entsprechenden Vorgaben der Richtlinie umsetzen wird. Vor allem ist unklar, ob er den Weg eines eigenen Normenkomplexes geht, da die §§ 17, 18 UWG als Strafnormen nach Erwägungsgrund 9c der RL nicht vom Gegenstand der RL erfasst werden.
Die konkreten Verbotstatbestände gehen deutlich über den bisherigen Umfang der §§ 17, 18 UWG hinaus und umfassen den rechtswidrigen Erwerb, die rechtswidrige Nutzung und die rechtswidrige Offenlegung von Geschäftsgeheimnissen, einschließlich des Verstoßes gegen eine Vertraulichkeitsvereinbarung. - Wichtig ist zunächst die Definition eines Geschäftsgeheimnisses (Art. 2 I RL). Es muss sich um Informationen handeln, die geheim in der Hinsicht sind, dass sie weder in ihrer Gesamtheit, noch in ihrer genauen Anordnung den Personen, die üblicherweise mit dieser Art von Informationen umgehen, allgemein bekannt oder ohne Weiteres zugänglich sind. Des Weiteren müssen die Informationen von kommerziellem Wert und Gegenstand von angemessenen Geheimhaltungsmaßnahmen sein.Damit ist das weitere Merkmal, das man aus der Gruppenfreistellungsverordnung Technologietransfer kennt, dass die Informationen identifiziert werden können – also z. B. in einer Anlage niedergelegt sind – auf den ersten Blick nicht erforderlich. Allein aus Gründen der Beweisbarkeit etwaiger Verletzungen bietet es sich aber an, eine schriftliche Identifikation vorzunehmen. Erwähnenswert ist schließlich, dass ein expliziter Geheimhaltungswillen von der RL (anders als im bisherigen deutschen Recht) nicht gefordert wird; jedoch dürfte das Erfordernis der Geheimhaltungsmaßnahmen letztlich leichter erreichbar sein.
- Die Richtlinie enthält einige Begrenzungen des Schutzes, die hier nur überblicksartig dargestellt werden können: Soweit der Erwerb des Geschäftsgeheimnisses mit einer „seriösen Geschäftspraxis vereinbar ist“, soll keine Verletzung vorliegen. Im Übrigen sind auch die üblichen Regelungen, die man aus Vertraulichkeitsvereinbarungen kennt, nämlich die Offenbarung ohne Verletzung, die Offenbarung zur Wahrnehmung berechtigter Interessen, wie auch journalistischer Interessen, oder aber die Wahrnehmung bestimmter arbeitsrechtlicher Befugnisse ausgenommen. Interessant ist, dass die Ausnahme für reverse engineering, also eine Aufdeckung z.B. eines einzelnen Produktaufbaus, die noch in der letzten Entwurfsversion enthalten war, nun gestrichen wurde. Das ist richtig, denn vertragliche Verpflichtungen, kein reverse engineering vorzunehmen, sind möglich. Sie wirken aber nicht absolut, also in der Vertragskette und bei Weitergabe des Produktes muss sich der vertraglich an diese Einschränkungen nicht Gebundene an diese Regelung nicht halten.
Weitere Ausnahmen sind zum Schutz der Medienfreiheit, zur Mobilität der Arbeitnehmer und für Whistleblower vorgesehen.
- Die Richtlinie enthält neben den üblichen Ansprüchen bei Verletzungen (Unterlassung) auch weiterreichende Regelungen zum Durchgriff auf Produkte und Entschädigungsregelungen.
- In der Praxis wird es wichtig sein, bestehende vertragliche Regelungen, nicht nur in Geheimhaltungsvereinbarungen, sondern vor allen Dingen auch in Know-how-Verträgen darauf zu überprüfen, ob sie noch den Anforderungen der Richtlinie, insbesondere im Hinblick auf die Definition, was ein Geschäftsgeheimnis ist und wie dessen Bestehen ggf. nachgewiesen werden kann, entsprechen. Denn nur dann wird man auch mit Hilfe der Richtlinie und den dort enthaltenen Ansprüchen in der Lage sein, Verletzungen wirksam zu verfolgen.