Wie geht es weiter, nach dem Metall-auf-Metall Urteil des Bundesverfassungsgerichts?
Die Sampling-Technologie ist aus der heutigen Musikproduktion nicht mehr wegzudenken. Bei der Arbeit im Aufnahmestudio ist es nicht selten, dass Musiker und Produzenten sich an Klänge aus Produktionen anderer Musiker erinnern, die ihnen besonders gut gefallen haben, sie aus den Originalaufnahmen herauskopieren und über eine Sampling-Software in ihrer eigenen Produktion verwenden – der entlehnte Klang wird als Musikinstrument verwendet. Nicht selten geschieht dies, weil das betreffende Bruchstück so charakteristisch ist, dass es wiedererkannt wird. Ein berühmtes Beispiel ist die Produktion „Hung Up“ von Madonna, die als eine Art Leitmotiv die charakteristische Eingangspassage aus „Gimme! Gimme! Gimme!“ von ABBA gesamplet hatte – lizenziert bei ABBA.
Im Urteil des Bundesverfassungsgerichts (Urt. v. 31.5.2016 – 1 BvR 1585/13 = GRUR 2016, 690) ging es um ein nicht lizenziertes Sample, nämlich die Übernahme einer zweisekündigen Rhythmussequenz aus der Produktion „Metall auf Metall“ der Band „Kraftwerk“, die in zwei Versionen des Titels „Nur mir“ von Sabrina Setlur verwendet wurden. Kläger des Ausgangsverfahrens waren die beiden Gründer der Musikgruppe „Kraftwerk“, und der BGH hatte in den Entscheidungen „Metall auf Metall“ I und II (GRUR 2009, 403 und GRUR 2013, 614) die von den Berechtigten an der ursprünglichen Aufnahme nicht erlaubte Übernahme für nicht rechtmäßig angesehen.
Nun also hat das Bundesverfassungsgericht diese Urteile aufgehoben. Die von Art. 5 Absatz 3 Satz 1 GG geforderte kunstspezifische Betrachtung verlange, die Übernahme von Ausschnitten urheberrechtlich geschützter Gegenstände als Mittel künstlerischen Ausdrucks und künstlerischer Gestaltung anzuerkennen. Stehe dieser Entfaltungsfreiheit ein Eingriff in Urheber- oder Leistungsschutzrechte gegenüber, der die Verwertungsmöglichkeiten nur geringfügig beschränkt, so könnten die Verwertungsinteressen der Rechteinhaber zu Gunsten der Kunstfreiheit zurückzutreten haben.
Mit dem Spruch des Gerichts ist es indes nicht getan. Das Bundesverfassungsgericht kann zwar Gesetze oder Gerichtsentscheidungen aufheben, aber nicht selbst Gesetze erlassen oder Urteile neu schreiben.
Fest steht: die angegriffenen BGH-Urteile in Sachen „Metall-auf-Metall“ sind erst einmal aus der Welt. Der BGH muss nun neu entscheiden und dabei einen Weg zwischen den Leitplanken finden, die das Bundesverfassungsgericht links und rechts des Weges errichtet hat. Die Fahrbahn ist immer noch relativ breit. Wörtlich hat das Bundesverfassungsgericht gesagt:
„die Zulässigkeit einer freien Benutzung von Tonträgern zu künstlerischen Zwecken ist nicht gleichbedeutend mit der generellen Zulässigkeit des erlaubnis- und vergütungsfreien Sampling. So bleibt es im Falle nicht künstlerischer Nutzungen bei der Lizenzierungspflicht. Außerdem erlaubt § 24 Abs. 1 UrhG eine freie Benutzung auch nur, soweit ein hinreichender Abstand des Werks zu der entnommenen Sequenz oder zum Original Tonträger insgesamt besteht“.
Konkret beschreibt das Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung zwei Möglichkeiten, mit denen der BGH die beanstandete Abwägung zwischen Kunstfreiheit einerseits und den als Eigentum geschützten Rechten der Tonträgerhersteller andererseits neu kalibrieren könnte:
- Der BGH könnte einerseits seinen bisher eingeschlagenen Weg fortsetzen, also im Rahmen des Rechts der „Freien Benutzung“ (eben dies ist in § 24 UrhG geregelt) die Möglichkeit schaffen, Samples auch ohne Einwilligung der Tonträgerhersteller verwenden zu dürfen, wenn dies im Interesse der Kunstfreiheit geboten ist. Jedenfalls müsse sich ein Künstler nicht darauf verweisen lassen, den entsprechenden Sound selbst neu einzuspielen und auch nicht ohne weiteres darauf, eine Lizenz einzuholen.
- Der BGH könnte aber auch an einer ganz anderen Stelle ansetzen, indem er das Leistungsschutzrecht des Tonträgerherstellers anders als bisher definiert und den Schutz gegen Übernahme (d.h. das Sampling) kleinster Teile infrage stellt. In diesem Fall allerdings, daran lässt das Bundesverfassungsgericht keinen Zweifel, müsste der BGH vorher den Europäischen Gerichtshof anrufen, denn der Umfang des Leistungsschutzrechts für Tonträgerhersteller ist europäisch harmonisiert.
Interessant ist hier noch eine Erwägung, die schon in der Pressemitteilung des Bundesverfassungsgerichts eine prominente Stelle einnahm: Das Gericht betont mehrfach, dass es eine Rolle spielt, ob der Tonträgerhersteller, aus dessen Aufnahme das Sample stammt, durch das Sampling Absatzrückgänge erleidet.
Selbst wenn dies nicht der Fall sei, so das Gericht, wäre es dem Gesetzgeber nicht „von vornherein verwehrt“, das Recht auf freie Benutzung mit einer Pflicht zur Zahlung einer angemessenen Vergütung zu verknüpfen. Hier könnte er der Kunstfreiheit, so das Bundesverfassungsgericht weiter, beispielsweise durch „nachlaufende, an den kommerziellen Erfolg eines neuen Werks anknüpfende Vergütungspflicht“ Rechnung tragen.
Es lohnt also, dieses Thema im Auge zu behalten.