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OLG Düsseldorf zur Weiterverwendung von Werbung nach Produktabwandlung

10. März 2021/in Ausgabe März 2021 Patentverletzung

Werden Werbemittel, die ursprünglich für ein patentverletzendes Produkt verwendet wurden, unverändert weiterverwendet, kann dies eine eigenständige Patentverletzung darstellen, auch wenn die beworbenen Produkte in einer Weise geändert wurden, die eine Patentverletzung ausschließt. Ein Urteil sowie ein Beschluss des OLG Düsseldorf geben für die praktische Handhabung dieses Problems nützliche Hinweise.

Rechtliche Ausgangslage

Der BGH hat bereits in den Entscheidungen „Kupplung für optische Geräte“ (GRUR 2003, 1031) sowie „Radschützer“ (GRUR 2005, 667) festgehalten, dass die unveränderte Weiterverwendung von Werbemitteln, die ursprünglich für ein patentverletzendes Produkt verwendet wurden, eine eigenständige Patentverletzung darstellen kann, auch wenn die beworbenen Produkte mittlerweile in einer Weise geändert wurden, die eine Patentverletzung ausschließt. Ein Urteil des OLG Düsseldorf vom 14. November 2019 (Az. 15 U 71/18, abrufbar unter BeckRS 2019, 31329) sowie ein in Folge ergangener Beschluss im Ordnungsmittelverfahren vom 14. September 2020 (unveröffentlicht) knüpfen hieran an.

Konstellation in der Entscheidung des OLG Düsseldorf

Typischerweise stellt sich das Problem der patentverletzenden Weiterverwendung von Werbung bei der Frage, ob gegen den Unterlassungstenor eines bereits ergangenen Urteils oder gegen eine vertragliche Unterlassungsverpflichtung verstoßen wurde. Für die Frage, ob eine erstmalige, einen Unterlassungsanspruch auslösende Patentverletzung vorliegt, ist die Weiterverwendung regelmäßig irrelevant, da bereits die ursprüngliche Verletzungshandlung (d.h. das Angebot des patentverletzenden Produkts) für die Begründung der erforderlichen Wiederholungsgefahr genügt. Insofern betrifft das Urteil des OLG Düsseldorf eine Sonderkonstellation, da der dortige Kläger und Patentinhaber das Klagepatent erst nach der Abwandlung der patentverletzenden Produkte erworben hatte. Insofern stellte sich die Frage, ob die gegenüber dem vorherigen Inhaber gesetzte Wiederholungsgefahr entfallen ist. Der Senat konnte diese Frage jedoch offenlassen, da vorliegend die Weiterverwendung der Werbung nach dem Wechsel des Patentinhabers eine eigenständige Wiederholungsgefahr begründete (OLG Düsseldorf, aaO, Rn. 84).

Rechtliche Erwägungen des Senats

Der Senat stellte in diesem Zusammenhang weiterhin klar, dass der Umstand, dass die oben genannte BGH-Rechtsprechung auf eine bereits bestehende Unterlassungsverpflichtung hin erging, für die rechtliche Bewertung, ob eine patentverletzende Weiterverwendung vorliegt, keine Rolle spielt (OLG Düsseldorf, aaO, Rn. 67). Damit ist das Urteil des OLG Düsseldorf umgekehrt auch auf die typischen Konstellationen der Weiterverwendung von Werbung nach Entstehen einer Unterlassungsverpflichtung anwendbar.

Der Senat erteilte zudem der Auffassung, eine patentverletzende Weiterverwendung von Werbung käme bei Produkten, bei denen die Eigenschaften, die zur Patentverletzung geführt hatten, dem äußeren Erscheinungsbild der Produkte und in Folge auch den Werbemitteln nicht zu entnehmen waren, nicht in Betracht, eine Absage (OLG Düsseldorf, aaO, Rn. 72f.).

Da der Beklagte vorliegend weder die Produktbezeichnung noch die entsprechende Internetangebotsseite geändert hatte, lag eindeutig eine Weiterverwendung vor, sodass er deshalb wegen Patentverletzung verurteilt wurde.

Fortgang im Ordnungsmittelverfahren

Nachfolgend wandelte der Beklagte die Produktbezeichnung ab und fügte der Internetangebotsseite einen Disclaimer bei, der auf die Abwandlung des Produkts hinwies (jedoch ohne einen Hinweis darauf, dass das Produkt vor Abwandlung patentverletzend war). Die Abwandlung der Produktbezeichnung erfolgte durch Beifügung des Buchstaben „N“ an deren Ende.

Der Kläger erachtete diese Abwandlungen als nicht ausreichend und strengte ein Ordnungsmittelverfahren an. Das Landgericht Düsseldorf entschied jedoch erstinstanzlich, dass auf Grund der Abwandlungen nunmehr keine patentverletzende Weiterverwendung von Werbung vorliege (Beschluss vom 30. April 2020, Az. 4a O 22/17 OV, unveröffentlicht).

Insbesondere erachtete es die Beifügung des Zusatzes „N“ als ausreichend an, allerdings unter der Prämisse, dass die Produktbezeichnung im Übrigen nur aus wenigen Zahlen besteht und die streitgegenständlichen Produkte an gewerbliche und daher also besonders aufmerksame Abnehmer gerichtet sind. Der Disclaimer verstärke den durch die Änderung der Produktkennzeichnung vermittelten Eindruck zusätzlich. Das OLG Düsseldorf schloss sich im Beschwerdeverfahren dieser Rechtsauffassung an (Beschluss vom 14. September 2020).

Folgen für die Praxis

Wird ein Produkt abgewandelt, weil es in dem Verdacht steht, ein Patent zu verletzen, oder besteht im Hinblick auf dieses Produkt sogar bereits eine Unterlassungsverpflichtung, so ist stets und ohne Ausnahme die Produktkennzeichnung abzuwandeln und zur Sicherheit der Werbung ein Disclaimer beizufügen, um eine patentverletzende Weiterverwendung zu vermeiden. Das OLG Düsseldorf gibt hierzu nützliche Hinweise für die praktische Umsetzung. Welche Änderungen genau zu unternehmen sind, ist eine Frage des jeweiligen Einzelfalls und lässt sich mit professioneller Beratung rechtssicher ermitteln.

/wp-content/uploads/2022/04/boehmert_logo.svg 0 0 Petra Hettenkofer /wp-content/uploads/2022/04/boehmert_logo.svg Petra Hettenkofer2021-03-10 11:41:202022-08-30 08:42:35OLG Düsseldorf zur Weiterverwendung von Werbung nach Produktabwandlung

Patentverletzungen – Deutsche Gerichtspraxis zu einstweiligen Verfügungen auf dem Prüfstand vor dem EuGH

10. März 2021/in Ausgabe März 2021 Patentverletzung

Im Fall der Verletzung eines Patents verweigern deutsche Oberlandesgerichte regelmäßig vorläufigen Rechtsschutz, falls ein erstinstanzliches Einspruchs- oder Nichtigkeitsverfahren das Streitpatent noch nicht bestätigt hat. Ob diese Rechtsprechung mit europäischen Vorgaben vereinbar ist, möchte das Landgericht München I vom Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) klären lassen.

Das Rechtsinstitut der einstweiligen Verfügung hat im gewerblichen Rechtschutz überragende Bedeutung. In eilbedürftigen Fällen können Schutzrechtsinhaber anstatt oder parallel zu einem Hauptsacheverfahren den Erlass einer einstweiligen Verfügung beantragen. Deutsche Gerichte agieren dabei schnell: In Marken-, Design- und Wettbewerbsangelegenheiten erlassen sie einstweilige Verfügungen meist innerhalb weniger Tage, manchmal sogar binnen Stunden, und im Regelfall ohne vorherige Anhörung der Gegenpartei. Um diese Rechtspraxis wird Deutschland im Ausland beneidet und zugleich gefürchtet.

Gesicherter Rechtsbestand als Voraussetzung für einstweilige Verfügung

Anders verhält es sich indes bei der Patentverletzung: Der Erlass einer einstweiligen Verfügung setzt hier in der Regel – neben Verfügungsanspruch (Verletzung des Verfügungspatents) und Verfügungsgrund (Dringlichkeit) – die Glaubhaftmachung eines hinreichend gesicherten Rechtsbestands des Verfügungspatents voraus. Dafür ist es allerdings nach der derzeitigen obergerichtlichen Rechtsprechung nicht ausreichend, dass die Erteilungsbehörde das geltend gemachte Patent nach eingehender Prüfung erteilte. Vielmehr fordern einige in Patentstreitigkeiten führende Oberlandesgerichte, dass das erteilte Patent grundsätzlich vor Erlass einer einstweiligen Verfügung ein weiteres Mal in einem erstinstanzlichen Einspruchs- oder Nichtigkeitsverfahren auf seine Patentfähigkeit hin geprüft wurde. Denn von einem gesicherten Rechtsbestand könne man nur ausgehen, wenn sich das Patent bereits in einem Einspruchs /Beschwerdeverfahren vor dem Europäischen Patentamt oder dem deutschen Patent- und Markenamt oder in einem Nichtigkeitsverfahren des Bundespatentgerichts als rechtsbeständig erwiesen hat.

Diese Rechtspraxis führt dazu, dass Patentinhaber im Regelfall nur dann vorläufigen Rechtsschutz erhalten, wenn ihr Patent das Gütesiegel eines überstandenen zweiseitigen Rechtsbestandsverfahrens aufweisen kann. Den Patentämtern trauen die Gerichte offensichtlich nicht zu, die Patentfähigkeit allein im Erteilungsverfahren zuverlässig eingeschätzt zu haben.

LG München: Auslegung durch Oberlandesgerichte ist unionsrechtswidrig

Eine Patentstreitkammer beim Landgericht München I hält diese Auslegung für unionsrechtswidrig und legt die Sache deshalb dem Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) zur Vorabentscheidung vor (LG München I, Beschluss vom 19.01.2021 – 21 O 16782/20). Nach Art. 9 Abs. 1 der europäischen Durchsetzungsrichtlinie 2004/48/EG solle sichergestellt sein, dass gegen einen Patentverletzer eine einstweilige Maßnahme angeordnet werden kann, um die Fortsetzung einer Patentverletzung zu untersagen. Das sei aber nach der oben skizzierten Rechtsprechung der Oberlandesgerichte nicht möglich, denn ein – wie im vorliegenden Fall – gerade erst erteiltes Patent könne ein Rechtsbestandsverfahren noch gar nicht durchlaufen haben. Denn Einspruchs- oder Nichtigkeitsverfahren seien erst nach Patenterteilung möglich.

Eingehende fachliche Prüfung bereits vor Erteilung

Die Münchener Richter verweisen darauf, dass selbst Patente, deren Erteilung bereits lange zurückliegt, oftmals im Zeitpunkt der Beantragung einer einstweiligen Maßnahme noch kein solches Rechtsbestandsverfahren durchlaufen haben. Der Patentinhaber habe naturgemäß auch gar keinen Einfluss darauf, ob sein Patent nach Erteilung mit einem Einspruch oder einer Nichtigkeitsklage angegriffen wird. Eine einstweilige Maßnahme könne dann trotz eines akuten Verletzungssachverhaltes grundsätzlich erst ergehen, wenn ein Rechtsbestandsverfahren erstinstanzlich abgeschlossen ist. Dies könne viele Monate oder gar Jahre dauern. Die Fortsetzung der Patentverletzung müsse in dieser Zeit nach der zur Überprüfung gestellten Rechtsprechung hingenommen werden, obwohl im Fall eines Patents – anders als bei anderen Rechten des geistigen Eigentums – bereits eine eingehende fachliche Prüfung erfolgt, bevor es erteilt werden kann.

Systemische Schwächen des einstweiligen Rechtsschutzes in Patentstreitigkeiten

Ganz gleich wie die europäischen Richter in Luxemburg über die deutsche Rechtspraxis urteilen mögen. Sämtliche Schwächen des Systems des einstweiligen Rechtsschutzes werden dadurch nicht beseitigt. Die Prüfung einer Patentverletzung, nämlich die genaue Ermittlung des patentgeschützten Gegenstandes und die Verletzungsanalyse, ist auch für versierte Richter schwer und für ein einstweiliges Verfügungsverfahren, bei der in kürzester Zeit immer nur eine summarische Prüfung erfolgen kann, oftmals nicht geeignet. Die Richter sind jedoch daran gehindert, den Erlass einer einstweiligen Verfügung nur deshalb abzulehnen, weil die zu bearbeitende Materie und Sachfragen zu komplex sind. In der Folge sind Fehlentscheidungen vorprogrammiert. Auch sind die Gerichte an den Rechtsbestand des Patents gebunden und können selbst bei begründeten Zweifeln den Erlass der einstweiligen Verfügung nicht ablehnen, solange nicht schon ein Einspruchs- oder Nichtigkeitsverfahrens anhängig ist. Zwar können die Gerichte dem Patentinhaber für die Vollziehung einer einstweiligen Verfügung eine Sicherheitsleistung auferlegen. Der aus einer zu Unrecht ergangenen einstweiligen Verfügung entstandene Schaden ist meist nicht wiedergutzumachen: Wer auf einer Leitmesse seine Produktinnovationen aufgrund vermeintlicher Patentverletzung nicht präsentieren darf, dem nützt es kaum, wenn die einstweilige Verfügung Monate oder Jahre später wieder aufgehoben wird. Das Produkt wird keinen Käufer mehr finden.

/wp-content/uploads/2022/04/boehmert_logo.svg 0 0 Petra Hettenkofer /wp-content/uploads/2022/04/boehmert_logo.svg Petra Hettenkofer2021-03-10 11:33:022022-08-30 08:43:51Patentverletzungen – Deutsche Gerichtspraxis zu einstweiligen Verfügungen auf dem Prüfstand vor dem EuGH

Ein weiteres Kapitel der FRAND-Saga: Neue Vorlage an den Euro­päischen Gerichtshof

10. März 2021/in Ausgabe März 2021 Patentverletzung

Die Reaktion auf das Urteil des Bundesgerichtshofs KZR 36/17 – FRAND – Einwand hat nicht lange auf sich warten lassen. Nachdem die Grundsätze dieser Entscheidung sowohl unter Anwälten wie auch unter Richtern kontrovers diskutiert worden waren, hat das Landgericht Düsseldorf die dort gestellten Anforderungen an die Lizenzwilligkeit eines Beklagten im Wege einer Vorlagentscheidung zur Überprüfung durch den Europäischen Gerichtshof gestellt. Gleichzeitig hat es die ebenfalls kontrovers diskutierte und von Gerichten unterschiedlich beurteilte Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt, ob der Produzent eines Endprodukts im Patentverletzungprozeß den Einwand eines mißbräuchlichen Verhaltens des Inhabers eines für eine Norm essentiellen Patents erheben kann, wenn seinen Zulieferern eine Lizenz an dem Patent zu FRAND – Bedingungen verweigert wird. Die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs wird entscheidende Bedeutung für die Lizenzierungspraxis nicht nur in der Automobilbranche, sondern auch in allen Bereichen des IoT (Internet of Things) und der autonomen Systeme haben.

Nachdem mit der Entscheidung KZR 36/17 – FRAND-Einwand vom 5. Mai 2020 die zweite Grundsatzentscheidung des Bundesgerichtshofs zu normessentiellen Patenten ergangen ist (wir berichteten im B&B Bulletin vom 27. August 2020), kommt nun wieder der Europäische Gerichtshof (EuGH) ins Spiel. Mit der Entscheidung 4c O 17/19 vom 26. November 2020 hat das Landgericht Düsseldorf dem EuGH Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt, die sich einerseits auf die bislang höchstrichterlich noch nicht entschiedene Frage beziehen, ob ein Unternehmen einer nachgelagerten Wirtschaftsstufe sich zur Verteidigung im Verletzungsverfahren auf einen kartellrechtlichen Anspruch eines Zulieferers auf eine Lizenz zu FRAND – Bedingungen berufen kann, und andererseits auf die Überprüfung der vom Bundesgerichtshof in der Entscheidung KZR 36/17 aufgestellten Grundsätze gerichtet sind. Die Vorlage durch ein Landgericht ist ungewöhnlich, kommt aber nicht unerwartet, nachdem auch von Teilen der Richterschaft die zeitnahe Klärung der Frage gefordert wurde, ob die Entscheidung des Bundesgerichtshof mit den Grundsätzen der Entscheidung des EuGH C 170/13 – Huawei ./. ZTE vom 16. Juli 2015 vereinbar sei.

Gegenstand des Verfahrens vor dem Landgericht Düsseldorf war ein Patent, das für eine Norm des Mobilfunkstandards LTE essentiell war, die von dem Europäischen Institut für Telekommunikationsnormen (ETSI) verwaltet wird. Die Anmelderin des Patents hatte gegenüber ETSI eine sogenannte FRAND – Erklärung abgegeben, mit der sie sich zur Erteilung von Lizenzen zu FRAND (Fair, Reasonable And Non-Discriminatory) – Bedingungen verpflichtete. Eine Besonderheit des Falls lag darin, dass die Beklagte, ein deutscher Automobilhersteller, sich darauf berief, dass ihren Zulieferern ein Anspruch auf eine Lizenz zustünde, die ihnen entgegen den Vorschriften des europäischen Wettbewerbsrechts verweigert werde. Die Erfüllung dieses Anspruchs würde, so die Beklagte, zu einer Erschöpfung der Rechte aus dem Patent an den ihr zugelieferten Produkten führen, so dass sie in gleicher Weise wie die Zulieferer dem geltend gemachten Unterlassungsanspruch den Einwand des Missbrauchs einer marktbeherrschenden Stellung entgegensetzen könne.

Tatsächlich hatte die Klägerin den Zulieferern der Ebene 1, die unmittelbar an den Fahrzeughersteller (OEM) liefern, keine vollwertige eigene Lizenz angeboten, sondern nur ein Modell, dem zufolge dem OEM eine von dem Zulieferer bezahlte Lizenz mit dem Recht eingeräumt wird, die lizenzierten Produkte durch Dritte fertigen zu lassen, und dem Zulieferer eine eigenständige Lizenz im Wesentlichen nur für Zwecke der Forschung und Entwicklung eingeräumt wird. Die Zulieferer der vorgelagerten Ebene 2 erhielten mehrheitlich kein Lizenzangebot. Die Klägerin vertrat den Standpunkt, dass es ihr freistehe, auf welcher Ebene der Produktions- und Zulieferkette sie Lizenzen erteile, und eine vollwertige Lizenz an Zulieferer aufgrund einer marktbeherrschenden Stellung nicht geboten sei, so lange den einzelnen Ebenen der Zugang zu der normierten Technologie ermöglicht werde. Des Weiteren machte sie geltend, dass eine Lizenzierung auf einer vorgelagerten Produktionsstufe nicht zu einer Erschöpfung auf einer nachgelagerten Produktionsstufe führe.

Das Gericht legte zu dieser Thematik dem EuGH die folgenden Fragen vor: 

  1. Kann ein Unternehmen einer nachgelagerten Wirtschaftsstufe der auf Unterlassung gerichteten Patentverletzungsklage des Inhabers eines Patents, das für einen von einer Standardisierungsorganisation normierten Standard essentiell ist (SEP) und der sich gegenüber dieser Organisation unwiderruflich verpflichtet hat, jedem Dritten eine Lizenz zu FRAND-Bedingungen zu erteilen, den Einwand des Missbrauchs einer marktbeherrschenden Stellung i. S.v. Art. 102 AEUV entgegenhalten, wenn der Standard, für den das Klagepatent essentiell ist, bzw. Teile desselben bereits in einem von dem Verletzungsbeklagten bezogenen Vorprodukt implementiert wird, dessen lizenzwilligen Lieferanten der Patentinhaber die Erteilung einer eigenen unbeschränkten Lizenz für alle patentrechtlich relevanten Nutzungsarten zu FRAND-Bedingungen für den Standard implementierende Produkte verweigert?
  2. Erfordert es das kartellrechtliche Missbrauchsverbot, dass dem Zulieferer eine eigene, unbeschränkte Lizenz für alle patentrechtlich relevanten Nutzungsarten zu FRAND-Bedingungen für den Standard implementierende Produkte in dem Sinne erteilt wird, dass die Endvertreiber (und ggf. die vorgelagerten Abnehmer) ihrerseits keine eigene, separate Lizenz vom SEP-Inhaber mehr benötigen, um im Fall einer bestimmungsgemäßen Verwendung des betreffenden Zulieferteils eine Patentverletzung zu vermeiden?
  3. Sofern die Vorlagefrage zu 1. verneint wird: Stellt Art. 102 AEUV besondere qualitative, quantitative und/oder sonstige Anforderungen an diejenigen Kriterien, nach denen der Inhaber eines standardessentiellen Patents darüber entscheidet, welche potenziellen Patentverletzer unterschiedlicher Ebenen der gleichen Produktions- und Verwertungskette er mit einer auf Unterlassung gerichteten Patentverletzungsklage in Anspruch nimmt?

Die erste Frage ergänzte das Gericht durch die Zusatzfragen, ob insoweit die branchenübliche Praxis relevant ist, dass die Schutzrechtslage im Wege der Lizenznahme durch die Zulieferer geklärt wird, und ob ein Lizenzierungsvorrang gegenüber den Zulieferern auf jeder Stufe der Lieferkette oder nur gegenüber den Zulieferern der Ebene 1 besteht.

Das Landgericht  Düsseldorf vertrat hierzu die Auffassung, dass die FRAND – Erklärung die Verpflichtung enthalte, jedem Interessierten und damit auch jedem Zulieferer eine Lizenz an der normierten Technik in einem solchen Umfang einzuräumen, dass ihm ein freier Wettbewerb auf allen von ihm derzeit und in Zukunft in Betracht gezogenen Produktmärkten ermöglicht werde. Dies lasse sich nur mit einer eigenen unbeschränkten Lizenz realisieren, nicht aber mit einem eingeschränkten, von den Automobilherstellern abgeleiteten Recht. Zwar führe auch eine unbeschränkte Lizenzierung nicht ohne weiteres zu einer Erschöpfung außerhalb der Europäischen Union oder im Falle von Verfahrensansprüchen. Da die FRAND – Erklärung aber den Zweck habe, jedermann eine faire und diskriminierungsfreie Teilhabe an der Verwertung der normierten Technik im Produktmarkt zu ermöglichen, müsse eine Lizenz zu FRAND – Bedingungen in entsprechenden Fällen geographisch unbegrenzt sein bzw. mit Hinblick auf Verfahrensansprüche eine bestimmungsgemäße Nutzung auch durch Abnehmer und damit faktisch eine Erschöpfung ermöglichen.

Ein Recht auf Lizenzierung auf der Ebene der Zulieferer entspreche nicht nur den Gepflogenheiten der Automobilbranche, sondern sei auch sachgerecht. Ein Automobilhersteller sei nur mit erheblichem Aufwand in der Lage, eine Verletzung etwa durch ein NAD (Network Access Device) oder gar einen für NAD benötigten Chips zu beurteilen. Umgekehrt investierten die Zulieferer erheblich in eigene Forschung und Entwicklung, um unabhängig von den OEM Innovationen zu schaffen, und benötigten mit Hinblick auf diese Investitionen wirtschaftlichen und rechtlichen Freiraum.

Eine Lizenzierung auf tieferen Ebenen der Produktionskette führe auch nicht zu einer Benachteiligung des Patentinhabers, da sich die Lizenzgebühr nicht nach dem Gewinn des jeweiligen Lizenznehmers richte, sondern nach dem Gewinn, der am Schluss der Verwertungskette mit dem Verkauf des patentgemäßen Endproduktes erwirtschaftet werde. Weitere von der Klägerin geltend gemachte Nachteile bei einer Lizenzierung auf Zuliefererebene ließen sich durch eine adäquate Vertragsgestaltung vermeiden.

In einem zweiten Fragenkomplex ging es um die Konkretisierung der Anforderungen aus der Entscheidung C 170/13 – Huawei ./. ZTE des EuGH. Insoweit stellte das Landgericht  Düsseldorf die folgenden Fragen, die es durch auf konkrete Sachverhalte gerichtete Zusatzfragen ergänzt hat:

  1. Besteht ungeachtet dessen, dass die vom SEP-Inhaber und vom SEP-Benutzer wechselseitig vorzunehmenden Handlungspflichten (Verletzungsanzeige, Lizenzierungsbitte, FRAND-Lizenzangebot; Lizenzangebot an den vorrangig zu lizenzierenden Zulieferer) vorgerichtlich zu erfüllen sind, die Möglichkeit, Verhaltenspflichten, die im vorgerichtlichen Raum versäumt wurden, rechtswahrend im Laufe eines Gerichtsverfahrens nachzuholen?
  2. Kann von einer beachtlichen Lizenzierungsbitte des Patentbenutzers nur dann ausgegangen werden, wenn sich aufgrund einer umfassenden Würdigung aller Begleitumstände klar und eindeutig der Wille und die Bereitschaft des SEP-Benutzers ergibt, mit dem SEP-Inhaber einen Lizenzvertrag zu FRAND-Bedingungen abzuschließen, wie immer diese (mangels eines zu diesem Zeitpunkt formulierten Lizenzangebotes überhaupt noch nicht absehbaren) FRAND-Bedingungen aussehen mögen?

Bei der ersten Frage geht es im Wesentlichen darum, ob die Erklärung der Lizenzbereitschaft des angeblichen Verletzers bzw. ein FRAND-konformes Lizenzangebot des Klägers sich noch nach Klageerhebung nachholen lassen. Dies war zum Zeitpunkt der Entscheidung überwiegende Meinung, aber noch nicht abschließend geklärt. Der Bundesgerichtshof zeigt in der kürzlich veröffentlichten Entscheidung KZR 35/17 – FRAND – Einwand II vom 24. November 2020 eine Tendenz, diese Frage grundsätzlich zu bejahen. Diese Frage dürfte daher weniger kontrovers diskutiert werden. Bei der zweiten Frage geht es allerdings um die Anforderungen an die Lizenzierungsbitte bzw. das Verhalten des Lizenzsuchers nach dem Verletzungshinweis des Patentinhabers und damit um nicht weniger als eine Überprüfung der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs in diesem Punkt unter dem Gesichtspunkt des Gemeinschaftsrechts. Der Bundesgerichtshof hatte insoweit in der Entscheidung KZR 36/17 sehr strenge Anforderungen gestellt, die im Wesentlichen darauf hinauslaufen, dass aus der objektivierten Sicht des Klägers in jedem Stadium des Lizenzierungsprozesses die bedingungslose Bereitschaft des angeblichen Verletzers zu einer Lizenznahme zu FRAND-Bedingungen klar und unzweideutig erkennbar sein muss (vgl. B&B Bulletin vom 27. August 2020). Eine Lizenzbereitschaft war selbst angesichts von konkreten Vertragsverhandlungen zwischen den Parteien verneint worden. Demgegenüber vertreten die Düsseldorfer Gerichte die Auffassung, dass an die Lizenzierungsbitte des Lizenzsuchers keine besonderen Anforderungen zu stellen sind, sofern der Wille zur Lizenznahme eindeutig erkennbar ist. Nach der jetzigen Entscheidung des Landgerichts  Düsseldorf kann nur dann auf einen fehlenden Willen geschlossen werden, eine Lizenz zu FRAND – Bedingungen zu nehmen, wenn bei verständiger Würdigung davon ausgegangen werden muss, dass entgegen verbaler Bekundungen, abschließend und unverrückbar, eine Bereitschaft zur Lizenznahme tatsächlich nur zu ganz bestimmten, nicht verhandelbaren Konditionen besteht, die ersichtlich nicht FRAND sind. Das Landgericht  Düsseldorf unterscheidet insoweit zwischen der allgemeinen Bereitschaft des angeblichen Verletzers, eine FRAND-Lizenz zu nehmen, und seiner Bereitschaft, auf konkrete Lizenzbedingungen, die sich als FRAND erwiesen haben, einzugehen. Diese konkrete Lizenzwilligkeit steht nach dem Landgericht  Düsseldorf erst zur Debatte, wenn das Lizenzangebot des Patentinhabers als FRAND identifiziert worden ist.

Diese Fragen sind vor dem Hintergrund zu sehen, dass die Entscheidung KZR 36/17 – FRAND-Einwand bei Düsseldorfer Richtern vor allem mit Hinblick auf die Vereinbarkeit mit der Entscheidung C 170/13 – Huawei ./. ZTE des EuGH kritisch gesehen wurde. Mit der Vorlage an den EuGH soll dies einer abschließenden Klärung zugeführt werden. Ob der EuGH hierzu Stellung nimmt, wird unter anderem davon abhängen, ob er, insbesondere auch mit Hinblick auf die vorangehend erwähnten Entscheidungen KZR 36/17 und KZR 35/17, eine Konkretisierung der von ihm aufgestellten Grundsätze für erforderlich hält oder ob er die aufgeworfenen Fragen als Fragen des konkreten Falls ansieht, die von den nationalen Gerichten zu beantworten sind. Nachdem der Bundesgerichtshof in der Sache KZR 35/17, in der das Urteil zwar vor der Vorlageentscheidung des Landgerichts Düsseldorf verkündet wurde, aber in schriftlicher Form erst kürzlich herausgegangen ist, noch einmal im Einzelnen ausgeführt hat, dass und warum die von ihm angelegten Kriterien in Übereinstimmung mit der Entscheidung C 170/13 – Huawei ./. ZTE stehen, ohne diese allerdings im konkreten Fall zu ändern, ist es möglich, dass sich der EuGH hierzu nicht mehr äußern wird, was bedeuten würde, dass es auf absehbare Zeit bei der restriktiven Linie des Bundesgerichtshofs bleibt.

Eine zeitnahe Entscheidung des EuGH wäre wünschenswert, da hinsichtlich des ersten Fragenkomplexes das Landgericht Mannheim in seiner Entscheidung 2 O 34/19 vom 18. August 2020 und das Landgericht München I in seiner Entscheidung 7 O 8818/19 vom 10. September 2020 entschieden haben, dass ein Automobilhersteller einen Einwand des Missbrauchs nach Art. 102 AEUV nicht auf einen Anspruch seiner Zulieferer auf eine Lizenz zu FRAND – Bedingungen stützen kann. Für die jeweiligen Berufungsverfahren ist diese Frage allerdings nur dann entscheidungserheblich, wenn die Zulieferer nach den Kriterien des Bundesgerichtshofs in seiner Entscheidung KZR 35/17 – FRAND II auch als lizenzwillig anzusehen sind. Ist dies nicht der Fall, kommt es auf die Lizenzwilligkeit der Beklagten und damit auf den zweiten Fragenkomplex an. Der Bundesgerichtshof hat hierzu in der Entscheidung KZR 35/17 noch einmal umfassend Stellung genommen und die Vorlage an den EuGH mit der Begründung abgelehnt, die aufgeworfenen Fragen beträfen die Interessenabwägung im Einzelfall, die den nationalen Gerichten obliege. Ob sich der EuGH über diese Einschätzung hinwegsetzen und diesen Fragen grundsätzliche Bedeutung beimessen wird, bleibt abzuwarten. Solange es nicht ein klares Signal des EuGH gibt, dass er diese Fragen aufgreifen wird, werden die Instanzgerichte, sofern sie sich nicht der Düsseldorfer Linie anschließen, wohl durchentscheiden. Auch insofern wäre eine baldige Entscheidung des EuGH zu begrüßen.

/wp-content/uploads/2022/04/boehmert_logo.svg 0 0 Petra Hettenkofer /wp-content/uploads/2022/04/boehmert_logo.svg Petra Hettenkofer2021-03-10 11:07:332022-08-30 08:50:22Ein weiteres Kapitel der FRAND-Saga: Neue Vorlage an den Euro­päischen Gerichtshof

Artikel von Dr. Michael Rüberg und Lars Eggersdorfer in „Legal Era“ zum Urteil des OLG Düsseldorf über die weitere Nutzung von Werbung nach Produktmodifikationen

28. Januar 2021/in Publikationen Patentverletzung

Werden Werbemittel, die ursprünglich für ein patentverletzendes Produkt verwendet wurden, weiterhin als solche genutzt, kann dies eine eigenständige Patentverletzung darstellen. Und das sogar unter der Voraussetzung, dass das beworbene Produkt technisch so verändert wurde, dass eine Patentverletzung ausgeschlossen ist.

Über dieses Urteil sowie über eine Folgeentscheidung in einem Zwangsgeldverfahren des OLG Düsseldorf berichten die BOEHMERT & BOEHMERT Rechtsanwälte Dr. Michael Rüberg und Lars Eggersdorfer in ihrem Artikel für die indische Fachzeitschrift „Legal Era“ – verbunden mit nützlichen Hinweisen zum Umgang mit dieser Problematik in der Praxis.

Den vollständigen Artikel in englischer Sprache mit dem Titel „Higher Regional Court of Dusseldorf decides on further use of advertising after product modification“ können Sie online hier abrufen.

/wp-content/uploads/2022/04/boehmert_logo.svg 0 0 Petra Hettenkofer /wp-content/uploads/2022/04/boehmert_logo.svg Petra Hettenkofer2021-01-28 09:24:002022-08-10 13:26:12Artikel von Dr. Michael Rüberg und Lars Eggersdorfer in „Legal Era“ zum Urteil des OLG Düsseldorf über die weitere Nutzung von Werbung nach Produktmodifikationen

„BVerfG fordert Waffengleichheit in einstweiligen Verfügungsangelegenheiten“ – Artikel von Dr. Rudolf Böckenholt in les Nouvelles von LES International

9. Dezember 2020/in Publikationen Patentverletzung, Wettbewerbsrecht

In der Ausgabe Dezember 2020 von „les Nouvelles Online“, des Fachmagazins der Licensing Executives Society International, informiert BOEHMERT & BOEHMERT Rechtsanwalt Dr. Rudolf Böckenholt ausführlich über eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) im Sommer 2020 zur Stärkung der „Waffengleichheit“ aller Parteien im Verfügungsverfahren. 

Hintergrund ist die seit Jahrzehnten gängige Praxis, nach der der Beklagte in der mündlichen Verhandlung erst auf Widerspruch, i.e. nachdem die einstweilige Verfügung bereits erlassen und zu beachten war, angehört wurde.

Dieser Verfahrensweise schiebt das Bundesverfassungsgericht mit seinem Urteil im Juni und Juli dieses Jahres erneut einen Riegel vor, nachdem es bereits im September 2018 die Rechte des Beklagten gestärkt hatte.

Nach Beschluss des BVerfG muss der Gegner vor einer Entscheidung rechtliches Gehör erhalten, und zwar zum konkreten Streitgegenstand. Beide Parteien müssen gleichberechtigt in das Verfahren einbezogen werden. 

Den ausführlichen Beitrag von Dr. Böckenholt können Abonnenten des LESI Magazins hier in englischer Sprache abrufen!

/wp-content/uploads/2022/04/boehmert_logo.svg 0 0 Petra Hettenkofer /wp-content/uploads/2022/04/boehmert_logo.svg Petra Hettenkofer2020-12-09 16:50:002022-08-10 13:26:12„BVerfG fordert Waffengleichheit in einstweiligen Verfügungsangelegenheiten“ – Artikel von Dr. Rudolf Böckenholt in les Nouvelles von LES International

Bundesgerichtshof setzt neue Kriterien beim Unterlassungsanspruch aus normessentiellen Patenten (Urteil vom 5. Mai 2020 KZR 36/17 – Sisvel ./. Haier)

18. August 2020/in Ausgabe August 2020 Patentverletzung

Der Unterlassungsanspruch aus für eine Norm essentiellen Patenten wird nach wie vor kontrovers diskutiert. Nachdem der Europäische Gerichtshof in der Entscheidung Huawei ./. ZTE Leitlinien gegeben hat, wann die Geltendmachung des Unterlassungsanspruchs nicht als Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung zu werten ist, waren bislang nur Entscheidungen der Instanzgerichte ergangen. Mit der jetzt ergangenen Entscheidung äußert sich der Bundesgerichtshof erstmals seit der Entscheidung Huawei ./. ZTE  zu dieser Frage und präzisiert die Kriterien, wann ein Verletzer dem Unterlassungsanspruch einen Anspruch auf eine Lizenz an dem Patent entgegensetzen kann.

Die Frage, wann der Inhaber eines für eine Norm essentiellen Patents (SEP), der die Bereitschaft zur Lizenzierung zu fairen, angemessenen und nicht diskriminierenden Bedingungen (sogenannten FRAND-Bedingungen) erklärt hat, gegenüber dem Nutzer der patentgeschützten Lehre einen Anspruch auf Unterlassung hat, ist in der Rechtsprechung nach wie vor nicht abschließend geklärt. In der Entscheidung des EuGH C 170/13 vom 16. Juli 2016 hatte der Gerichtshof Bedingungen formuliert, unter denen die Geltendmachung eines Unterlassungsanspruchs aus einem solchen Patent keinen Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung im Sinne des Art. 102 AEUV darstellt. Diese beinhalten unter anderem, dass der Patentinhaber den vermeintlichen Verletzer vor Erhebung der Klage auf die ihm vorgeworfene Patentverletzung hinweisenund dabei das betreffende Patent bezeichnen und angegeben muss, auf welche Weise es verletzt worden sein soll, und, wenn dieser den Willen zum Ausdruck gebracht hat, einen Lizenzvertrag zu FRAND-Bedingungen zu schließen, ihm ein konkretes schriftliches Lizenzangebot zu solchen Bedingungen unterbreiten muss. Ein Unterlassungsanspruch ist gerechtfertigt, wenn der der Verletzung bezichtigte Benutzer des Patents auf dieses Angebot entsprechend den üblichen Gepflogenheiten nicht gewissenhaft reagiert, und insbesondere dann, wenn er nach objektiven Maßstäben eine Verzögerungstaktik verfolgt.

Ausgehend von dieser Entscheidung hatte das Oberlandesgericht Düsseldorf in der Entscheidung 15 U 66/15 (Sisvel ./. Haier) vom 30. März 2017, nachdem es die Benutzung des Patents wie auch den Verletzungshinweis durch die Klägerin und die Lizenzbereitschaft der Beklagten bejaht hatte, die positive Feststellung, dass das Lizenzangebot des Patentinhabers tatsächlich den FRAND-Kriterien entspricht, als Voraussetzung für einen Unterlassungsanspruch angesehen. Da der Lizenzsucher regelmäßig keine nähere Kenntnis über die Lizenzierungspraxis des Patentinhabers besitzt, sah es eine sekundäre Darlegungslast des Patentinhabers dazu als gegeben an, welche Unternehmen mit welcher Bedeutung auf dem relevanten Markt zu welchen konkreten Bedingungen eine Lizenz genommen haben. Auf der Grundlage der ihm vorgelegten Informationen zu den existierenden Lizenzverträgen befand das Gericht, dass das Lizenzangebot der Klägerin nicht den FRAND-Kriterien entsprach und verneinte das Bestehen des Unterlassungsanspruchs wie auch des Anspruchs auf Vernichtung und Rückruf.

In der Revision hat der Bundesgerichtshof in der Entscheidung K ZR 36/17 vom 5. Mai 2020 das Urteil des Oberlandesgerichts aufgehoben, soweit zum Nachteil der Klägerin entschieden worden war. Er sah den Anspruch der Beklagten auf eine Lizenz nicht als gegeben an, da diese nach Ansicht des Bundesgerichtshofs nicht die ernsthafte und vorbehaltslose Bereitschaft zu einer Lizenznahme zu FRAND-Bedingungen erklärt hatte. Bei dieser Sachlage kam es für den Bundesgerichtshof nicht mehr darauf an, ob das Lizenzangebot der Klägerin tatsächlich den FRAND-Kriterien entsprochen hat.

Der Bundesgerichtshof bestätigte zunächst die Ansicht des Oberlandesgerichts, dass ein ausreichender Verletzungshinweis durch die Klägerin erfolgt war. Nach Auffassung des Bundegerichtshofs genügt es hierfür, wenn der angebliche Verletzer in die Lage versetzt wird, gegebenenfalls mit externer Unterstützung die Berechtigung des Verletzungsvorwurfs in technischer und rechtlicher Hinsicht zu prüfen. Hierfür sieht er es als ausreichend an, wenn das verletzte Patent, das angegriffene Produkt oder das angegriffene Verfahren sowie die Art der Verletzungshandlung angegeben werden. Die Übermittlung von Claim Charts ist dabei nicht zwingend. Gegebenenfalls hat der der Verletzung Bezichtigteauf eine Konkretisierung des Verletzungsvorwurfs hinzuwirken. Im Übrigen wurde es als ausreichend angesehen, dass der Verletzungshinweis an die Muttergesellschaft der Beklagten erfolgte.

Ebenso bestätigte der Bundesgerichtshof, dass eine weltweite Portfoliolizenz als einziges Angebot des Patentinhabers unbedenklich ist, so lange der Beklagte damit nicht zur Zahlung einer Vergütung für die Benutzung von Patenten, die für die Norm nicht essentiell sind, oder in Ländern verpflichtet wird, in denen kein Patentschutz besteht.

Eine Bereitschaft der Beklagten, eine Lizenz zu FRAND-Bedingungen zu nehmen, sah der Bundesgerichtshof bereits deswegen nicht als gegeben an, weil nach seiner Auffassung von fehlender Lizenzbereitschaft auszugehen ist, wenn ein angeblicher Verletzer mehrere Monate nach dem Verletzungshinweis schweigt, und die Beklagte erst mehr als ein Jahr nach dem Verletzungshinweis die Bereitschaft zu Lizenzverhandlungen erklärt hatte. Die von dem Oberlandesgericht bejahte Frage, ob die Erklärung der Bereitschaft zu einer FRAND-Lizenz vor der Klageerhebung nachgeholt werden kann, hat der Bundesgerichtshof mit der Begründung offengelassen, dass keine der von der Beklagten abgegebenen Erklärungen eine ernsthafte und vorbehaltslose Bereitschaft zu einer FRAND-Lizenz erkennen ließe. Insbesondere hat der Bundesgerichtshof eine erste Erklärung, in der die Beklagte die Hoffnung geäußert hatte, dass es zu offiziellen Lizenzverhandlungen kommen werde, und sich nach konkreten Lizenzbedingungen und etwaigen Nachlässen bei der Lizenzgebühr erkundigt hatte, auch vor dem Hintergrund dessen nicht ausreichen lassen, dass die Klägerin der Beklagten am selben Tage nähere Informationen über den Inhalt der gewünschten Lizenz zukommen ließ und zwei Monate später ein persönliches Treffen stattfand, in dem die Klägerinmündlich ein konkretes Lizenzangebot unterbreitete und die Vertreter der Beklagten versprachen, Informationen über Verkäufe zur Verfügung zu stellen und selbst einenEinigungsvorschlag zu machen. Aus der objektivierten Empfängersicht der Klägerin sei, so der Bundesgerichtshof, nicht und insbesondere nicht klar und unzweideutig zu erkennen gewesen, dass die Beklagte zum Abschluss eines Lizenzvertrags zu FRAND-Bedingungen bereit gewesen sei. Weitere Erklärungen der Beklagten in der Folge erachtete der Bundesgerichtshof nicht als ausreichend, da in diesen eine unzulässige Bedingung – Abschluss eines Lizenzvertrags nach endgültiger Feststellung der Verletzung durch die Gerichte – bzw. die Erklärung enthalten war, die Beklagte halte ihre Position aufrecht, dass sie zu einer Lizenzierung zu FRAND-Bedingungen bereit sei und ihr eigenes Angebot als FRAND-konform erachte, was nach Ansicht des Bundesgerichthofs nur als Aufrechterhaltung des Vorbehalts einer endgültigen gerichtlichen Entscheidung über die Verletzung vor einer Lizenznahme aufgefasst werden konnte.

Eine Verpflichtung des Patentinhabers anzugeben, auf welche Weise die geforderte Lizenz berechnet wurde, hat der Bundesgerichtshof im dem entschiedenen Fall verneint; eine solche ergebe sich, so der Bundesgerichtshof, erst dann, wenn der angebliche Verletzer die unbedingte Bereitschaft zu einer FRAND-Lizenz erklärt habe. Nachdem dies eines der Kriterien des EuGH für ein ausreichendes Lizenzangebot des Patentinhabers war, ist davon auszugehen, dass der Bundesgerichtshof den Kläger generell nicht in der Pflicht gesehen hat, überhaupt ein spezifisches Lizenzangebot abzugeben, so lange die unbedingte Bereitschaft zu einer Lizenz zu FRAND-Bedingungen nicht erklärt worden war.

Dementsprechend kam es für den Bundesgerichtshof, was er auch in der Entscheidung ausgesprochen hat, nicht darauf an, ob die Klägerin der Beklagten diskriminierende Bedingungen abverlangt hat. Er hat diese Frage jedoch in einem obiter dictum verneint. Der Umstand, dass einem Wettbewerber der Beklagten deutlich günstigere Bedingungen eingeräumt wurden, könne eine sachliche Rechtfertigung darin haben, dass eine staatliche Behörde Druck auf die Patentinhaberin ausgeübt habe, diesen Wettbewerber zu bevorzugen.

In der vorliegenden Entscheidung hat der Bundesgerichtshof auch entschieden, dass der Schadensersatzanspruch des Inhabers eines für eine Norm essentiellen Patents selbst dann nicht auf eine angemessene Lizenzgebühr beschränkt ist, wenn er mit der Unterlassungsklage seine marktbeherrschende Stellungmissbraucht hat. Die Geltendmachung eines Schadenersatzanspruchs stellt, wie auch vom EuGH in der Entscheidung C 170/13 – Huawei ./. ZTE ausgesprochen,grundsätzlich keinen Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung dar. Dies beinhaltet nach Auffassung des Bundesgerichtshofs, dass der Patentinhaber auch nicht auf eine Berechnungsmethode für den Schadensersatz festgelegt ist. Der Verletzer kann allerdings diesem Schadensersatzanspruch einen eigenen Schadensersatzanspruch entgegensetzen, der auf die Nichterfüllung seines Anspruchs auf Abschluss eines Lizenzvertrags zu angemessenen und nicht diskriminierenden Bedingungen gestützt ist. Dieser Anspruch entsteht allerdings erst, wenn trotz unbedingter Bereitschaft des Beklagten, eine Lizenz zu FRAND-Bedingungen zu nehmen, der Patentinhaber die Lizenzvergabe verweigert oder ein Angebot macht, das nicht den FRAND-Bedingungen entspricht.

In der jetzt ergangenen Entscheidung sieht der BGH primär den Verletzer in der Pflicht, sich um eine Lizenz zu bemühen. Der Patentinhaber handelt (nur)missbräuchlich, wenn er die Bemühungen des Verletzers um eine Lizenz behindert oder sich nicht hinreichend bemüht hat, einem grundsätzlich lizenzwilligen Verletzer den Abschluss des Lizenzvertrags zu ermöglichen. Dies gilt insbesondere dann, wenn der Verletzer klar und eindeutig seinen Willen und seine Bereitschaft bekundet hat, mit dem Patentinhaber einen Lizenzvertrag zu angemessenen und nichtdiskriminierenden Bedingungen abzuschließen, aber nicht ohne weiteres in der Lage ist, von sich aus die Bedingungen zu formulieren, die ihm der Patentinhaber unter Beachtung des ihn treffenden Diskriminierungs- und Behinderungsverbots einräumen muss. Vor diesem Hintergrund interpretiert der Bundesgerichtshof auch die Entscheidung C 170/13 – Huawei ./. ZTE des EuGH: Der vom EuGH geforderte Hinweis auf die Verletzung soll dem Nutzer der patentgemäßen Lehre die Gelegenheit geben, seinen Anspruch auf Abschluss eines Lizenzvertrags geltend zu machen und damit die Durchsetzung des Unterlassungsanspruchs abzuwenden. Ebenso soll das Lizenzangebot, zum dem der Patentinhaber, allerdings nur in zweiter Linie, entsprechend der sekundären Darlegungslast im Zivilprozess, verpflichtet ist, dazu dienen, dem Lizenzwilligen eine Überprüfung zu ermöglichen, ob die Lizenzforderung wegen der Höhe des Lizenzsatzes oder anderer Bedingungen einen Missbrauch der marktbeherrschenden Stellung darstellt. Eine Verpflichtung des Patentinhabers, von sich aus auf eine Lizenz zu FRAND-Bedingungen hinzuwirken, sieht der Bundesgerichtshof nicht. Auch der marktmächtige Patentinhaber muss, wie es der Bundesgerichtshof formuliert hat, die Lizenznahme niemandem aufdrängen.

Damit ergänzt der Bundesgerichtshof seine frühere Rechtsprechung in der Entscheidung KZR 39/06 – Orange-Book-Standard aus dem Jahr 2009 und bringt diese gleichzeitig in Einklang mit der Entscheidung C 170/13 – Huawei ./. ZTE des EuGH. In dieser Entscheidung hatte der Bundesgerichtshof ausgesprochen, dass der Patentinhaber nurmissbräuchlich handelt, wenn der Beklagte ihm ein unbedingtes Angebot auf Abschluss eines Lizenzvertrages gemacht hat, an das er sich gebunden hält und das der Patentinhaber nicht ablehnen darf, ohne gegen das Diskriminierungs- oder das Behinderungsverbot zu verstoßen. Dieses Kriterium hat der Bundesgerichtshof in seiner jetzigen Entscheidung im Grundsatz noch einmal bestätigt, aber seinen seinerzeitigen Ausspruch dahingehend ergänzt, dass der Patentinhaber auch dann missbräuchlich handelt, wenn der Verletzer sich zwar (noch) nicht rechtsverbindlich zum Abschluss eines Lizenzvertrages zu bestimmten angemessenen Bedingungen bereit erklärt hat, dem Patentinhaber aber anzulasten ist, dass er sich seinerseits nicht hinreichend bemüht hat, der mit der marktbeherrschen-den Stellung verbundenen besonderen Verantwortung gerecht zu werden und einem grundsätzlich lizenzwilligen Verletzer den Abschluss eines Lizenzvertrages zu ermöglichen.

In der Entscheidung C 170/13 – Huawei ./. ZTE ging der EuGH demgegenüber, wenn der Inhaber eines für eine Norm essentiellen Patents die Bereitschaft zu einer Lizenz zu FRAND-Bedingungen erklärt hat, von einer grundsätzlichen Verpflichtung des Patentinhabers aus, eine solche Lizenz auch zu erteilen. Nach dem EuGH erweckt die Zusage, Lizenzen zuFRAND-Bedingungen zu erteilen, bei Dritten die berechtigte Erwartung, dass der Patentinhaber ihnen tatsächlich Lizenzen zu diesen Bedingungen gewähren wird. Vor diesem Hintergrund kanneine Weigerung des Patentinhabers, eine Lizenz zu diesen Bedingungen zu erteilen,grundsätzlich einen Missbrauch im Sinne von Art. 102 AEUV darstellen. Damit eine Klage aufUnterlassung, Rückruf oder Vernichtung nicht als missbräuchlich angesehen werden kann, muss der Patentinhaber bestimmte Bedingungenerfüllen, wie sie der EuGH in seiner Entscheidung formuliert hat, damit ein gerechter Ausgleich der betroffenen Interessen gewährleistet ist.

Der unterschiedliche Ansatz wirkt sich dann aus, wenn beide Parteien ihren in der Entscheidung des EuGH formulierten Verpflichtungen nicht nachgekommen sind, z.B. wenn sämtliche Lizenzangebote des Patentinhabers nicht den FRAND-Kriterien entsprachen und der angebliche Verletzer auf Zeit gespielt hat. Sieht man den Patentinhaber als den primär Verpflichteten, wird man bei dieser Konstellation einen Missbrauch bejahen, denn der Patentinhaber hat nicht nur ein isoliertes Angebot gemacht, das nicht ausreichend, weil nicht den FRAND-Kriterien entsprechend war, sondern durch sein gesamtes Verhalten gezeigt, dass er – jedenfalls dem konkreten Verhandlungspartner– eine Lizenz zu FRAND-Bedingungen überhaupt nicht ernsthaft erteilen möchte. Sieht man den angeblichen Verletzer als den primär Verpflichteten, wird man, wie der Bundesgerichtshof in der vorliegenden Entscheidung, zu dem Schluss kommen, dass es auf das Verhalten des Patentinhabers nicht ankommt. Angesichts dieses latenten Widerspruchs wäre es zu begrüßen, wenn der EuGH im Wege eines weiteren Vorlageverfahrens Gelegenheit bekäme, die Grundsätze der Entscheidung C 170/13 – Huawei ./. ZTE weiter zu erläutern und zu vertiefen.

Der Bundesgerichtshof hat in seiner Entscheidung ausdrücklich offengelassen, ob eine Erklärung der Bereitschaft zu einer Lizenz zu FRAND-Bedingungen auch außerhalb der von ihm angenommenen Reaktionsfrist auf den Verletzungshinweis des Patentinhabers möglich ist. Dem Vernehmen nach hat der Bundesgerichtshof in der mündlichen Verhandlung erkennen lassen, dass er dazu neigt, eine solche Erklärung vor der Klageerhebung als ausreichend zu erachten, um von der grundsätzlichen Lizenzbereitschaft ausgehen zu können. Dies wird wohl allerdings nur insoweit gelten, als der Beklagte seinen unbedingten Willen zu einer Lizenz zu FRAND-Bedingungen auch in der Folge betätigt und bekräftigt und dieser aus der objektivierten Sicht des Patentinhabers schlechterdings nicht in Zweifel gezogen werden kann.

Es ist erkennbar, dass der Bundesgerichtshof bei seiner Entscheidung von einem sogenannten Patent Holdout ausgegangen ist, bei dem der Beklagte die Verhandlungen so weit wie möglich in die Länge zieht, und tatsächlich war bereits zum Zeitpunkt der Entscheidung des Oberlandesgerichts das Patent abgelaufen. Dies erklärt bis zu einem gewissen Grad die hohen Anforderungen an die Erklärung der Lizenzwilligkeit, die im Wesentlichen darin bestehen, dass – aus der objektivierten Sicht des Klägers – die bedingungslose Bereitschaft des angeblichen Verletzers zu einer Lizenznahme zu FRAND-Bedingungen klar und unzweideutig erkennbar sein muss. Es steht zu erwarten, dass dieses Kriterium in der Instanzgerichtsrechtsprechung auch in Fällen angewandt werden wird, in denen eine Verzögerungsabsicht der Beklagten weniger klar oder gar nicht zu erkennen ist. Waren bislang die Anforderungen an die Lizenzbereitschaftserklärung ähnlich niedrig wie bei dem Verletzungshinweis – das Oberlandesgericht hatte eine formlose und pauschale Erklärung, gegebenenfalls auch schlüssiges Handelnausreichen lassen -, eröffnen sich für die Klägerseite prozessual nunmehrneue Möglichkeiten, sich dem Anspruch auf eine Lizenz zu entziehen, indem die generelle Lizenzbereitschaft in Frage gestellt wird. Da es dabei auf die Sicht der Patentinhaberin ankommt, wird man unter Anlegung der Maßstäbe des Bundesgerichtshofs von einer Lizenzbereitschaft der Beklagten wohl nur dann ausgehen, wenn die Patentinhaberin diesbezüglich keinerlei vernünftige Zweifel haben konnte.

Benutzer eines für eine Norm essentiellen Patents werden daher gut beraten sein, nach einem Verletzungsvorwurf die Bereitschaft zu einer Lizenz zu FRAND-Bedingungen umgehend, explizit und ausdrücklich zu erklären, gegebenenfalls auch vor einer internen Abklärung, ob das Patent tatsächlich verletzt und rechtsbeständig ist. Der vermeintliche Verletzer ist, was der Bundesgerichtshof in seiner Entscheidung auch bestätigt hat, nach der Entscheidung C 170/13 – Huawei ./. ZTE nicht daran gehindert, die Frage der Verletzung und der Rechtsbeständigkeit gerichtlich klären zu lassen, sofern er sich bedingungslos zu einer Lizenz zu FRAND-Bedingungen bereiterklärt hat. Wenn die interne Prüfung des Verletzungsvorwurfs und der Rechtsbeständigkeit zu lange dauert, läuft er dagegen Gefahr, mit seiner Erklärung der Lizenzbereitschaft präkludiert zu werden. Macht er, und sei es auch nur, weil er den Verletzungsvorwurf tatsächlich nicht für berechtigt hält oder die Rechtsbeständigkeit nicht gegeben sieht, die gerichtliche Klärung der Verletzung und Rechtsbeständigkeit gar zu einer Voraussetzung für den Abschluss eines Lizenzvertrags, wird ihm dies mit einiger Sicherheit als fehlende Lizenzbereitschaft ausgelegt werden, die seinen Anspruch auf eine Lizenz zunichtemacht.

Der Bundesgerichtshof hat offengelassen, ob das Gegenangebot der Beklagten, das sie nachzubessern nicht bereit war, tatsächlich den FRAND-Kriterien entsprach, und damit auch die Frage, was geschieht, wenn sowohl der Kläger als auch der Beklagte ein FRAND-Angebot machen. Es spricht einiges dafür, dass in diesem Fall das Angebot des Klägers maßgeblich ist. Aber auch wenn der Beklagte das Angebot des Klägers nicht für FRAND-konform hält, ist er gut beraten, jedenfalls nicht auf seinem Angebot zu beharren. Abgesehen davon, dass die FRAND–Konformität letztlich von dem Verletzungsgericht entschieden wird, läuft er Gefahr, dass seine Lizenzbereitschaft in Zweifel gezogen wird mit der Folge, dass das Angebot des Klägers nicht mehr darauf geprüft wird, ob es den FRAND-Kriterien entsprochen hat, und er sich dementsprechend einem Unterlassungsanspruch ausgesetzt sieht.

Mit dem jetzt ergangenen Urteil hat sich die Position des Patentinhabers sowohl in Lizenzverhandlungen als auch prozessual deutlich verbessert, da die Gegenseite ein erhöhtes Risiko läuft, dass ihre Erklärungen und ihr Verhalten in Lizenzverhandlungen im Sinne einer fehlenden Lizenzbereitschaft gedeutet werden, die den Anspruch auf eine Lizenz zunichtemacht. Hier mag schon eine zu harte Gangart in den Verhandlungen ausreichen. Erklärungen wie auch Verhaltensweisen in Verhandlungen sollten daher vorab auf ihre Unbedenklichkeit anwaltlich geprüft werden, um der Gegenseite keine Angriffspunkte im Verletzungsprozess zu geben. Ob dies der Sache förderlich ist, darf man bezweifeln. Einen Patent Holdout, dem der Patentinhaber im Übrigen jederzeit durch Erhebung einer Verletzungsklage ein Ende bereiten kann, wird dies auch in Zukunft nicht verhindern.

/wp-content/uploads/2022/04/boehmert_logo.svg 0 0 Petra Hettenkofer /wp-content/uploads/2022/04/boehmert_logo.svg Petra Hettenkofer2020-08-18 09:31:392022-09-05 14:50:10Bundesgerichtshof setzt neue Kriterien beim Unterlassungsanspruch aus normessentiellen Patenten (Urteil vom 5. Mai 2020 KZR 36/17 – Sisvel ./. Haier)
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