Zum Ärgernis redlicher Unternehmer kommt es vor, dass Marken missbräuchlich angemeldet und gegen sie verwendet werden. Ziel der Anmelder kann es sein, eine Sperrposition gegenüber Konkurrenten zu erlangen. Oder die Anmeldung erfolgt spekulativ und ist von der Hoffnung geleitet, ein Unternehmen will die Marke zukünftig für seine Waren oder Dienstleistungen benutzen und sie dem Anmelder daher abkaufen oder eine Lizenz erwerben.
Rechtsprechung zur bösgläubigen Markenanmeldung
Derartigen Markenanmeldungen stehen Unternehmen nicht schutzlos gegenüber. Die Rechtsprechung teilt diese Fälle unter den Oberbegriff der Bösgläubigkeit in solche mit und ohne Schädigungsabsicht ein. Wird etwa eine Marke angemeldet, um einen Mitbewerber an der weiteren Zeichenbenutzung zu hindern, liegt regelmäßig Bösgläubigkeit aufgrund der damit verbundenen Sperr- und Behinderungsabsicht vor. Der Bundesgerichtshof geht zudem seit der Classe E-Entscheidung von der „missbräuchlichen Ausnutzung einer nur formalen Rechtsstellung“ aus, wenn jemand
- eine Vielzahl von Marken anmeldet,
- dabei keinen ernsthaften Benutzungswillen hat und
- die Marken im Wesentlichen zu dem Zweck gehortet werden, Dritte, die identische/ähnliche Bezeichnungen verwenden, mit Unterlassungs- und Schadensersatzansprüchen zu überziehen (BGH, Urteil vom 23. November 2000, I ZR 93/98, Rn. 35 – Classe E).
Problematisch in der Rechtsanwendung ist regelmäßig der Nachweis der subjektiven Elemente, d.h. der Nachweis des fehlenden Benutzungswillens des Anmelders.
Missbräuchliche Ausnutzung einer nur formalen Rechtsstellung
Die vom BGH aufgestellten Voraussetzungen haben jüngst die Landgerichte in Stuttgart und Hamburg in mehreren Verfahren angewendet. Gegenüber standen sich ein von BOEHMERT & BOEHMERT vertretener Hersteller von Sportuhren und die in Bulgarien ansässige Capella EOOD, vertreten durch Herrn Erich Auer. Herr Auer ist in der Markenszene dafür bekannt, über Jahre hinweg über verschiedene Briefkastengesellschaften – genannt seien nur Ivo-Kermatin Ltd., Suebi Ltd. oder Segimerus Ltd. – tausende Marken angemeldet zu haben. In dem vorliegenden Fall ging er aus einer dieser vielen Marken gegen den Uhrenhersteller und dessen europäische Händler vor. Anlass bildete eine Sportuhr, die unter identischer Bezeichnung wie die Marke angeboten wurde. In Reaktion auf diese Abmahnungen mahnten wir im Auftrag des Uhrenherstellers die Capella EOOD wegen unberechtigter Schutzrechtsverwarnungen ab. Denn dem markenrechtlichen Unterlassungsanspruch steht bei bösgläubiger Anmeldung der Einwand des Rechtsmissbrauchs entgegen, sodass er dauerhaft nicht durchsetzbar ist.
Das Landgericht Stuttgart musste entscheiden und erließ gegen Capella eine von uns beantragte einstweilige Verfügung, die es auch nach Widerspruch bestätigte (Urteil vom 18. Oktober 2023, 32 O 73/23 KfH, nicht rechtskräftig). Die Schwierigkeit des Verfahrens bestand darin, aufgrund der objektiven Umstände des Falls auf den fehlenden subjektiven Benutzungswillen des Markenanmelders und dessen Bösgläubigkeit zu schließen. Folgende Tatsachen sprachen dafür, dass der Anmelder die Marke zu keiner Zeit selbst in einem eigenen Geschäftsbetrieb oder für dritte Unternehmen aufgrund eines Beratungskonzepts benutzen wollte: Es erfolgten keine nach außen gerichteten Vermarktungsbemühungen, ein nachvollziehbares Geschäftsmodell oder ein Markenkonzept konnten nicht vorgetragen werden und die Marke ist zwischen den verschiedenen Unternehmen von Erich Auer hin und her übertragen worden. Außerdem löschte der Anmelder einen Großteil der gehaltenen Marken nach fruchtlosem Ablauf der amtlichen Gebühreneinzahlungsfrist. Insgesamt sprach daher alles dafür, dass er die Marken im Wesentlichen zu dem Zweck gehortet hatte, Dritte, die identische oder ähnliche Bezeichnungen verwenden, mit Unterlassungs- und Schadensersatzansprüchen zu überziehen. Dies stellt eine missbräuchliche Ausnutzung der formalen Rechtsstellung als Markeninhaber dar. Das Oberlandesgericht Stuttgart wies die dagegen gerichtete Berufung von Capella wegen offensichtlich fehlender Erfolgsaussichten nach § 522 Abs. 2 ZPO zurück (Beschluss vom 27. Februar 2024, 2 U 187/23).
Es handelt sich nicht um die erste Entscheidung, welche die Unredlichkeit des Geschäftsmodells von Herrn Auer feststellt. Erst kürzlich erkannte auch das Gericht der Europäischen Union auf die Bösgläubigkeit einer seiner Markenanmeldungen – hier durch die Copernicus EOOD (EuG, Urteil vom 17. Januar 2024, T-650/22 – ATHLET).