Neues IP-Tribunal des chinesischen Obersten Volksgerichts
Wie so häufig in China verlief auch die Einrichtung eines Tribunals für geistiges Eigentum beim Obersten Volksgericht in Peking wie im Zeitraffer. Am 26. Oktober 2018 vom Ständigen Ausschuss des nationalen Volkskongresses beschlossen, nahm das Tribunal am 1. Januar 2019 seine Arbeit auf und veröffentlichte knapp drei Monate später, am 27. März 2019, seine erste Entscheidung.
Das IP-Tribunal beim Obersten Volksgericht ist unter anderem zuständig für Berufungen gegen:
- erstinstanzliche zivilgerichtliche Entscheidungen von hohen Volksgerichten, spezialisierten IP-Gerichten und mittleren Volksgerichten in Bezug auf Patente, Gebrauchsmuster, neue Pflanzensorten, Topografien integrierter Schaltkreise, technische Geschäftsgeheimnisse, Computersoftware und kartellrechtliche Fälle;
- erstinstanzliche verwaltungsrechtliche Entscheidungen des spezialisierten IP-Gerichts von Beijing betreffend Erteilungsverfahren oder Nichtigkeitsverfahren in Bezug auf Patente, Gebrauchsmuster, Designs, Pflanzensorten und Topografien integrierter Schaltkreise; und
- erstinstanzliche verwaltungsrechtliche Entscheidungen von hohen Volksgerichten, spezialisierten IP-Gerichten und mittleren Volksgerichten in Bezug auf Patente, Gebrauchsmuster, Designs, Pflanzensorten, Topografien integrierter Schaltkreise, technische Geschäftsgeheimnisse, Computersoftware und Verwaltungsstrafen für Monopole.
Aktuell stützt sich das IP-Tribunal auf 27 Richter. Die Anzahl der Richter kann erforderlichenfalls mittelfristig auf 50-60 anwachsen. Das IP-Tribunal ist momentan in sechs Kammern für die Behandlung von Streitigkeiten, eine Abteilung für die Unterstützung der Aufklärung technischer Sachverhalte, ein Dienstleistungszentrum für logistischen Support und eine allgemeine Support-Abteilung gegliedert.
Die Einrichtung des IP-Tribunals fügt sich ein in den übergeordneten Rahmen des Aufbaus einer spezialisierten IP-Gerichtsbarkeit in China, welcher mit der Eröffnung des spezialisierten IP-Gerichts von Peking am 6. November 2014 begann. Danach folgte nicht nur in kurzen zeitlichen Abständen die Eröffnung von spezialisierten IP-Gerichten in Shanghai und Guangzhou, sondern auch die Einrichtung von IP-Kammern in 18 mittleren Volksgerichten mit erstinstanzlicher Zuständigkeit für IP-Streitigkeiten.
In dieser Entwicklung markiert die Eröffnung des IP-Berufungsgerichts einen besonderen Einschnitt, der mit gravierenden Änderungen der IP-Gerichtsstruktur in China verbunden ist. Die Zuständigkeit für Berufungen in zivilrechtlichen IP-Verfahren lag früher bei den hohen Volksgerichten auf der Provinzebene, d. h. bei 32 hohen Volksgerichten (jeweils eines für die 23 Provinzen, 4 unabhängigen Städte und 5 autonomen Regionen). Die Erfahrung zeigt, dass die Gerichte in verschiedenen Städten und Provinzen bei der Anhörung der Fälle unterschiedliche Standards anwenden. Dadurch kann ein und derselbe Fall in Beijing völlig anders entschieden werden als in Guangzhou. Nun wird die Berufungszuständigkeit für technisches IP bei einem einzigen nationalen Gericht konzentriert. Das ist nicht nur eine erhebliche Verschlankung, sondern wird ähnlich wie in den US zu einer Vereinheitlichung von Rechtsprechung und Qualitätsstandards führen.
In der Regel sind nur zwei Instanzen für zivilrechtliche Streitigkeiten in China vorgesehen. Dies barg die Gefahr von Lokalprotektionismus, wenn erstinstanzliche Urteile von dem hohen Volksgericht derselben Provinz, Stadt oder Region überprüft wurden. Die Konzentration der Berufung in Peking wird nun den Raum für Lokalprotektionismus eindämmen, denn für das Gros der Fälle wird die zweite Instanz nicht mehr ortsnah behandelt.
Wie in Deutschland wurde auch in China das Trennungsprinzip zwischen Verletzungs- und Nichtigkeitsverfahren praktiziert. Dieses ist jedoch durch die Zuständigkeiten des neuen IP- Berufungsgerichts weitgehend aufgehoben. Außer für die nichttechnischen Schutzrechte (Design und Marke) ist nun die letzte Instanz für Verletzungs- und Nichtigkeitsverfahren bei dem IP-Tribunal des Obersten Volksgerichts zusammengeführt. Damit wird nicht nur inkonsistenten Auslegungen im Verletzungs- und Nichtigkeitsverfahrenszug ein Riegel vorgeschoben, sondern es werden auch in der Praxis häufig gesehene Verfahrensverzögerungen durch parallele Verfahren vermieden.
Insgesamt ist die Entwicklung für den Schutzrechtsinhaber, der an der Durchsetzung seiner Schutzrechte in China interessiert ist, eine gute Nachricht. IP-Streitigkeiten werden dadurch voraussichtlich vorhersehbarer, schneller und professioneller.