Reform des Urheberrechts der EU – Vorschläge der Europäischen Kommission für einen digitalen Binnenmarkt
Am 14. September 2016 hat die Europäische Kommission Vorschläge für eine Urheberrechtsreform vorgelegt. Gegenstand dieser Vorschläge ist nicht nur eine bessere Verteilung urheberrechtlich geschützter Inhalte. Es soll auch ein „gerechterer und tragfähigerer digitaler Markt“ für Urheber, die Kultur- und Kreativwirtschaft sowie die Presse geschaffen werden.
„Copyright is everywhere“ – Urheberrecht ist überall. In unserer digitalen Wissens- und Spaßgesellschaft kontrolliert das Urheberrecht die Verteilung und Nutzung der Inhalte. Das hat auch Jean-Claude Juncker, Präsident der Europäischen Union, erkannt. Als Jean-Claude Juncker seine fünf Prioritäten zur Präsidentenwahl 2014 veröffentlichte, galt seine erste Priorität dem Urheberrecht. Das Potential der digitalen Technologien, die keine Grenzen kennen, müsse ausgeschöpft werden. „Dazu müssen wir den Mut aufbringen, bisher national isolierte Systeme in der Telekommunikationsbranche, im Urheber- und Datenschutzschrecht zu durchbrechen.“ Das Ziel: die Schaffung eines „Digital Single Market“ (DSM) innerhalb der EU.
Mehr Auswahl und leichterer Zugang zu Inhalten
Einen ersten Schritt zu einer besseren Integration der digitalen Märkte innerhalb der EU ist die Kommission bereits im Dezember 2015 gegangen, als sie einen Vorschlag zur Portabilität von Online-Inhaltediensten vorgelegt hat. Damit wird es Europäern erlaubt, ihre Online-Inhalte, die sie in ihrem Heimatland rechtmäßig beispielsweise über Abonnementsmodelle nutzen, bei vorübergehenden Aufenthalten mitzunehmen, also z. B. auf Reisen.
Am 14. September 2016 hat dann die Europäische Kommission weitere Vorschläge unterbreitet, mit der zwei Ziele erreicht werden sollen:
- Für Sendeunternehmen wird die Rechteklärung für eine EU-weite Sendung ihrer Programme im Internet erheblich vereinfacht. Eingeschlossen sind auch Catch-up-Dienste dieser Sendeanstalten, wie z. B. die ZDF-Mediathek in Deutschland. Für Internetnutzungen gilt zukünftig das Ursprungslandprinzip, das heißt, die Sendeanstalten müssen die Rechte nur noch im Heimatland klären.
- Ferner wird auch zu Gunsten von IPTV-Anbietern (z. B. IPTV Entertain der Deutschen Telekom) die Territorialität des Urheberrechts aufgeweicht. Ihnen wird jetzt die Möglichkeit gegeben, über Verwertungsgesellschaften eine Lizenz zur zeitgleichen, unveränderten und vollständigen Weitersendung von Programmen zu nehmen, die im EU-Ausland gesendet wurden. Insbesondere Anbieter von Programmbouquets können danach einen Strauß aus Fernsehprogrammen der gesamten EU über IP TV zugänglich machen. Nicht gelten soll diese Lizenzierungsmöglichkeit allerdings für Plattformen, die über das offene Internet operieren, also z. B. Zattoo.
Diese Vorschläge sind nur konsequent im Hinblick auf die Verwirklichung eines Digital Single Market. Es muss sich allerdings noch zeigen, ob ein digitaler Binnenmarkt tatsächlich auf entsprechende Nachfrage stößt. Auch kann die Aufweichung des Territorialitätsprinzips berechtigte Preisdifferenzierungen durch Rechteinhaber erschweren oder sogar unmöglich machen. Beispiel Premiumcontent Profifußball: Die Verbraucherpreise könnten außerhalb des Liga-Heimatlandes steigen, während die Verbraucherpreise im Heimatland stabil bleiben.
Eine Zugangserleichterung schlägt die Kommission überdies auch durch eine neue Urheberrechtsrichtlinie für Museen, Archive und andere Einrichtungen vor. Sie sollen die Möglichkeit erhalten, vergriffene Werke (Bücher oder Filme) zu digitalisieren und grenzüberschreitend verfügbar zu machen.
„Ein besseres Urheberrecht im Hinblick auf Forschung, Bildung und die Eingliederung von Menschen mit Behinderungen“
Unter dieser Überschrift schlägt die Europäische Kommission eine neue Ausnahmeregelung für die Verwendung von Materialien in digitaler Form zur Veranschaulichung im Unterricht in Bildungseinrichtungen und in Online-Kursen vor, die auch grenzüberschreitend gelten soll.
Weiter soll es für Wissenschaftler EU-weit einfacher werden, Technologien für das Text- und Datenmining zur Auswertung größerer Datenmengen einzusetzen. Außerdem soll eine neue verbindliche Ausnahmeregelung Einrichtungen des Kulturerbes ermöglichen, Werke digital aufbewahren zu können. Schließlich schlägt die Kommission noch Rechtsvorschriften zur Umsetzung des sogenannten Vertrages von Marrakesch vor, einem internationalen Urheberrechtsabkommen, das Blinden, Sehbehinderten oder anderweitig lesebehinderten Personen den Zugang zu veröffentlichten Werken erleichtern will.
„Ein gerechterer und tragfähigerer Markt für Urheber, die Kultur- und Kreativwirtschaft und die Presse“
Die Europäische Kommission bleibt allerdings nicht bei einem Vorschlag für Vorschriften zur besseren Integration des digitalen Binnenmarktes stehen. Es werden auch Regelungen für einen „gerechteren und tragfähigeren Markt für Urheber, die Kultur- und Kreativwirtschaft und die Presse“ vorgestellt.
Zunächst sieht der Vorschlag für eine Richtlinie die Stärkung der Stellung der Rechteinhaber bei Verhandlungen mit Videoplattformen vor, die nutzergenerierte Inhalte (user generated content) veröffentlichen und dabei eine aktive Rolle bei der Verteilung des Content übernehmen. Das wichtigste Beispiel im Bereich der Videoplattformen ist hier YouTube.
Ferner enthält der Vorschlag der Kommission ein neues Leistungsschutzrecht (verwandtes Schutzrecht) für Presseverleger. Es wird dem bereits auf europäischer Ebene existierenden Leistungsschutzrecht für Filmproduzenten, Tonträgerhersteller oder Sendeunternehmen nachgebildet. Damit soll sichergestellt werden, dass die Presseverleger ihre Inhalte im Internet besser monetarisieren können. Ein solches Leistungsschutzrecht für Presseverleger gibt es – in etwas eingeschränktem Umfang – schon auf deutscher Ebene, und der politische Streit um die Einführung des Leistungsschutzrechts in Deutschland lässt erwarten, dass das Vorhaben auf EU-Ebene viele Diskussionen auslösen wird. Die Kommission wird hier die Erfahrungen mit dem Leistungsschutzrecht in Deutschland bedenken müssen: In Deutschland kann das Leistungsschutzrecht nicht greifen, weil Google es durch seine Marktmacht auf dem Suchmaschinenmarkt in Deutschland umgeht und von Presseverlegern nach Aufforderung Freilizenzen erhalten hat.
Erwähnenswert ist ferner, dass der Richtlinienentwurf Verwerter von urheberrechtlichen Inhalten gegenüber Urhebern und ausübenden Künstlern dazu verpflichtet, über Gewinne zu informieren, die sie mit den Werken der Urheber bzw. den Leistungen der ausübenden Künstler erzielt haben. Außerdem wird ein Mechanismus eingeführt, der Urhebern und ausübenden Künstlern einen unverzichtbaren Anspruch auf eine zusätzliche Vergütung einräumt, wenn die bislang vereinbarte Vergütung in Ansehung des Auswertungserfolges unverhältnismäßig niedrig ist. Das lehnt sich unter anderem an den deutschen Anspruch auf zusätzliche Vergütung in Bestsellerfällen an (§ 32a UrhG). Bemerkenswert ist dies vor allem deshalb, weil das europäische Urheberrecht damit erstmals generelles Urhebervertragsrecht auf europäischer Ebene reguliert.
Fazit und Ausblick
Die Verordnungs- und Richtlinienentwürfe der Europäischen Kommission enthalten nicht nur verschiedene Regelungen, um innerhalb der EU über nationale Grenzen hinweg einen besseren Zugang zu urheberrechtlich geschützten Werken und Leistungen zu ermöglichen. Die Europäische Kommission nutzt die Gelegenheit, auch die Märkte für urheberrechtlich geschützte Werke und Leistungen zu regulieren. Bisher wurde eine Harmonisierung des europäischen Urheberrechts immer über das Instrument der sogenannten Richtlinie durch die Kommission angeschoben. Richtlinien müssen von den Mitgliedsstaaten noch in nationale Gesetze umgesetzt werden. Auch jetzt greift die Kommission wieder zu dem Instrument der Richtlinie. Gleichzeitig wird allerdings insbesondere der Zugang zu urheberrechtlich geschützten Inhalten gleich über zwei Verordnungen neu geregelt. Verordnungen müssen nicht mehr in nationales Recht umgesetzt werden, sondern sind in allen Mitgliedsstaaten sogleich unmittelbar anwendbar. Das zeigt die Richtung, die die Europäische Kommission im Urheberrecht einschlägt: Das Urheberrecht entwickelt sich in Europa hin zu einer einheitlichen Regelung in Form einer Verordnung. Am Ende dürfte ein einheitliches europäisches Urheberrechtsgesetz und das Ende der nationalen Urheberrechte in Europa stehen.