Die Initiative „Frühe Gewissheit für Patenterteilungsverfahren“– was sie für Anmelder bedeutet und mögliche Kollateralschäden
Frühe Gewissheit im Prüfungsverfahren für Patentanmeldungen ist das Ziel der gleichnamigen Initiative des Europäischen Patentamtes (EPA). Vom Prüfantrag für die Europäische Patentanmeldung bis zur Entscheidung sollen in Zukunft nur noch 12 Monate vergehen.
Es soll nicht nur Qualität geliefert werden, sondern diese frühzeitig im Sinne der Effizienz. Frühe Gewissheit für Anmelder, aber auch für Dritte, ob eine Patentanmeldung erteilt wird, ist grundsätzlich positiv. Insbesondere Dritte müssen frühzeitig wissen, ob eine Patentanmeldung ihre Businessaktivitäten stören könnte. Allerdings braucht es nach Meinung vieler Anmelder noch „Finetuning“, damit die Kollateralschäden die Vorteile nicht überwiegen.
Idealerweise sollten Entscheidungen über Patente und damit verbundene Kosten den Bedürfnissen des jeweiligen Business angepasst sein. Die Pharmaindustrie hat lange Produktzyklen, und nur eines von zehn Projekten ist erfolgreich. Man möchte natürlich sowenig Geld wie möglich in die „toten Pferde“ stecken, aufgrund der langen Produktentwicklungszeit kann aber erst recht spät das „tote“ Pferd vom anderen unterschieden werden. Kosten werden daher möglichst nach hinten geschoben. Mit der zwangsweisen Beschleunigung des Prüfverfahrens werden nun sämtliche Kosten, insbesondere die hohen Validierungskosten, für alle Anmeldungen in allen Projekten frühzeitig fällig. Noch viel härter als die Pharmaindustrie trifft dies akademische Einrichtungen, kleine Unternehmen und Technologietransfer-Einrichtungen, die in jedem Fall frühe Kosten vermeiden müssen, bevor sie einen starken Partner finden.
Ein weiteres Problem ist das Einreichen experimenteller Daten während des Prüfungsverfahrens. In vielen Patentanmeldungen, insbesondere im Pharma- und Life-Science-Bereich, müssen experimentelle Daten nachgereicht werden, zum Beispiel um den behaupteten Effekt zu beweisen oder um die Erfindung vom Stand der Technik abzugrenzen. Insbesondere für die „kleinen“ Anmelder wird es aus Ressourcengründen schwierig werden, dies innerhalb von zwölf Monaten zu bewerkstelligen.
Aber auch aus anderen technischen Bereichen als dem Pharmabereich hört man kritische Stimmen. Das EPA war und ist eine Referenz für Qualität. Experten fürchten, dass dies sich ändern könnte. Schon heute hört man, dass für die Prüfer zu wenig Zeit bleibt, die Erfindung wirklich zu verstehen. Daher sind Beanstandungen in Prüfbescheiden mehr und mehr formaler Natur. Dies kann zu ungerechtfertigt eingeschränkten Ansprüchen führen. Ein Trend, der sich nun verschlechtern könnte.
Neue unerfahrene Prüfer mit niedrigeren Gehältern und befristeten Arbeitsverträgen sind schwerlich eine Lösung, die Arbeitsflut in angemessener Qualität zu bewältigen. Andere Patentämter, die aus Kostengründen „Durchlauferhitzer“ für unerfahrene Prüfer wurden, wurden ein Qualitäts-Desaster.
Prüfverfahren in zwölf Monaten heißt auch – ein oder zwei Prüfbescheide und dann mündliche Verhandlungen. Bisher haben wir pro Anmeldung einen Bescheid pro Jahr budgetiert. Wenn nun pro Jahr mehrere Bescheide und die mündliche Verhandlung und die Validierungskosten den Anmelder treffen, dann sprengt es das Budget gerade der kleinen Anmelder. Kosten werden ein großes Problem. Besser wäre ein für den Anmelder maßgeschneiderter Weg – beschleunigtes Prüfverfahren auf Antrag des Anmelders oder von Dritten.
Sollte diese Initiative aber kommen wie angekündigt, dann brauchen Anmelder einen „de-PACE“ Antrag zur „Entschleunigung“ des Verfahrens. Auch die Möglichkeit, die Validierung nach Patenterteilung on-hold zu setzen, wäre angesichts der Kosten wichtig. Falls die beschleunigte Prüfung auch für anhängige Verfahren gilt, braucht es zudem eine Übergangsregelung.
Es bleibt für die Anmelder zu hoffen, dass das EPA die berechtigten Bedürfnisse der Anmelder berücksichtigt und die Initiative entsprechend anpassen wird.