Die unendliche Einheitspatent-Geschichte wird fortgesetzt…
Die Anstrengungen zur Schaffung eines einheitlichen EU-Patents und eines europäischen Patentgerichts haben im ereignisreichen zurückliegenden Jahr sowohl Rückschläge als auch neuen Auftrieb erfahren. 2021 dürfte weitere wichtige Weichenstellungen bringen.
Im B&B-Bulletin haben wir bereits wiederholt über das Projekt Einheitspatent berichtet. Während das Europäische Patentsystem bislang lediglich ein zentralisiertes Erteilungsverfahren vorsieht, das in einem Bündel nationaler Patente mündet, soll das Europäische Patentamt zukünftig auch ein Europäisches Patent mit einheitlicher Wirkung in allen teilnehmenden Mitgliedsstaaten (gegenwärtig alle EU-Mitglieder mit Ausnahme von Spanien und Kroatien) erteilen können. Zudem sollen diese Patente zukünftig vor einem Einheitlichen Patentgericht, dem Unified Patent Court (UPC), gegen Patentverletzer mit Wirkung für alle teilnehmenden Mitgliedsstaaten durchgesetzt werden können.
Die ersten Idee für ein solches Einheitspatent gab es schon im Zusammenhang mit der Gründung des Europäischen Patentamts in den 1970er Jahren. In den vergangenen zehn Jahren haben sich die Anstrengungen intensiviert, und seit 2013 liegen die entsprechenden Abkommen zur Umsetzung dieser Idee vor und sind bereits von zahlreichen EU-Mitgliedsstaaten ratifiziert worden. Die deutsche Ratifizierung, die für das Inkrafttreten wesentlich ist, wurde jedoch 2017 durch eine Verfassungsbeschwerde aufgehalten. Im März 2020 entschied das Bundesverfassungsgericht, dass das deutsche Zustimmungsgesetz vom Bundestag mit einer Zweidrittelmehrheit hätte beschlossen werden müssen. Tatsächlich war die Zustimmung im Bundestag zwar einstimmig erfolgt, jedoch waren bei der Abstimmung nur wenige Parlamentarier anwesend.
Ein weiterer Rückschlag im Jahr 2020 hängt mit dem Brexit zusammen: Während Großbritannien unter der Regierung Theresa May noch angekündigt hatte, am Einheitspatent und dem Einheitlichen Patentgericht festzuhalten, kündigte die Nachfolgeregierung Boris Johnson im Februar 2020 an, dass die Idee eines einheitlichen europäischen Patentsystems mit dem Brexit unvereinbar sei, und im Juli 2020 zog sie die britische Ratifizierung zurück. Damit war klar, dass das Einheitspatent, wenn überhaupt, dann jedenfalls ohne Großbritannien starten würde.
Dass sich eines der wirtschaftlich stärksten europäischen Länder nicht am einheitlichen Patentsystem beteiligen wird, ist für die Akzeptanz und Bedeutung des Einheitspatents eine Belastung, zumal Großbritannien ursprünglich zu dessen eifrigsten Fürsprechern gehörte und vor dem Brexit auch viel zur Verwirklichung des Projekts beigesteuert hat. Zudem ergeben sich durch den Rückzug Großbritanniens erhebliche organisatorische und rechtliche Schwierigkeiten, weil London (neben Paris und München) in den Abkommen explizit als einer der drei Sitze des Einheitlichen Patentgerichts vorgesehen ist.
Trotz des Rückzugs von Großbritannien haben die übrigen Mitgliedsstaaten erklärt, am Einheitspatent festhalten zu wollen. Mehrere Länder haben bereits Interesse signalisiert, den Londoner Sitz zu übernehmen. Italien hat beispielsweise Mailand ins Spiel gebracht. Frankreich hat erklärt, dass die Aufgaben des Londoner Sitzes auch von Paris übernommen werden könnten, und Deutschland hat eine Aufteilung auf Paris und München vorgeschlagen. Es steht zu erwarten, dass wir trotz des offenbar weiterhin vorhandenen politischen Willens zur Fortführung des Projekts im Laufe des Jahres noch kontroverse Diskussionen über das Wie sehen werden. Auch die Abkommen müssen möglicherweise geändert werden, um dem Rückzug Großbritanniens Rechnung zu tragen.
In Deutschland ist nach der negativen Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts relativ schnell der Gesetzgebungsprozess wieder angelaufen. Im November 2020 hat der Bundestag das Zustimmungsgesetz diesmal mit der nötigen Zweidrittelmehrheit verabschiedet, und im Dezember 2020 folgte der Bundesrat einstimmig.
Bevor das Zustimmungsgesetz in Kraft treten konnte, sind jedoch am 18. Dezember 2020 zwei neue Verfassungsbeschwerden beim Bundesverfassungsgericht eingegangen. Noch ist nicht öffentlich bekannt, wer diesmal die Kläger sind und auf welche Argumente sie sich stützen. Je nachdem, ob das Bundesverfassungsgericht die Verfassungsbeschwerden zur Entscheidung annimmt, könnte sich auch die deutsche Ratifizierung erneut verzögern. 2021 wird insofern ein Jahr der Weichenstellungen für das Einheitspatent werden. Über alle Entwicklungen werden wir Sie auf dem Laufenden halten.