ChatGPT & Co. – Künstliche Intelligenz und Urheberrecht
Kaum ein Thema beherrscht derzeit die gesellschaftliche Diskussion so sehr wie die Auswirkungen der Künstlichen Intelligenz auf unsere Arbeitswelt. Das gilt auch für das Urheberrecht und die davon abhängige Kreativwirtschaft. Der folgende Beitrag gibt einen kurzen Überblick über die wichtigsten urheberrechtlichen Fragen, die sich beim Einsatz von KI stellen. Alle Probleme lassen sich auf die gleiche Frage zurückführen: „Wer profitiert vom technischen Fortschritt?“
Interessenkonflikte
In den vergangenen Jahren haben KI-Systeme aller Art exponentiell an Bedeutung gewonnen. Besondere Aufmerksamkeit erfuhren sogenannte generative KI-Systeme, wie z.B. ChatGPT und Google Gemini für Texte oder Midjourney für Bilder. Dabei handelt sich um Systeme, die in der Lage sind, autonom mediale Inhalte auf der Grundlage menschlicher Vorgaben (sog. „Prompts“) zu generieren. Ihre Erzeugnisse sind den Werken menschlichen kreativen Schaffens nicht nur täuschend ähnlich, sondern können sie ersetzen.
Die Generierung neuer Inhalte vollzieht sich in 4 Schritten:
1. Sammlung der Trainingsdaten in einer Datenbank („Korpus“).
2. Analyse der Trainingsdaten auf Muster und Korrelation und anschließendes „Fine Tuning“.
3. Auftrag durch den Nutzer („Prompt“).
4. Autonome Generierung eines neuen Inhalts.
Schon hier zeigt sich die Vielfalt der Interessen. Die Rechteinhaber der zum Training verwendeten vorbestehenden Werke („Trainingsdaten“) wollen für deren Nutzung vergütet werden oder diese Form der Nutzung untersagen können. Die Betreiber von KI-Systemen wiederum sind auf die Trainingsdaten angewiesen, da ohne sie die Generierung von Inhalten nicht möglich ist. Sie betonen, dass zu strenge regulatorische Vorgaben eine Schlüsseltechnologie der Zukunft unattraktiv machen. KI-Modelle würden keine bestehenden Werke verändern, sondern neue Inhalte schaffen. Schließlich wollen die Nutzer der fraglichen Systeme die auf Basis ihrer Vorgaben generierten Werke möglichst umfassend und exklusiv nutzen können.
Als im Sommer 2023 ein wochenlanger Streik von Drehbuchautoren und Schauspielern die Filmindustrie in Hollywood lahmlegte, formulierten die Filmschaffenden vor allem eine Forderung: Ihre Arbeit dürfe in Zukunft nicht zu sehr durch den Einsatz von Künstlicher Intelligenz (KI) ersetzt werden. Speziell trainierte KI-Modelle werden in Zukunft nicht nur Drehbücher und einzelne szenische Darstellungen generieren, sondern ganze Filme.
Sind durch KI erzeugte Inhalte urheberrechtlich geschützt?
Schon lange vor ChatGPT wurde die Frage diskutiert, ob von KI erzeugte Inhalte – Texte, Fotos, Software, Musik – urheberrechtlich geschützt sind und wenn ja, wem dieser Schutz zusteht. Diese Frage kann als geklärt gelten: Das Urheberrecht schützt nach dem in fast allen Urheberrechtsordnungen verankerten Schöpferprinzip nur die Ergebnisse menschlicher geistiger Schöpfung. Maschinengenerierte Werke, die völlig autonom ohne menschliches Zutun entstehen, genießen keinen Urheberrechtsschutz. Das Werk einer Künstlichen Intelligenz kann nach diesem Verständnis nicht geschützt werden, weil nicht der Mensch, sondern die Maschine schafft. Nur wenn der Nutzer der KI so konkrete Vorgaben macht, dass die Gestaltung des Werkes bereits feststeht und die KI diese Gestaltung nur noch umsetzt, wäre ein urheberrechtlicher Werkschutz gerechtfertigt. Diese Voraussetzungen sind bei den heutigen Text- und Bildgeneratoren in der Regel nicht erfüllt. Diese erstellen die Inhalte autonom und sind letztlich nicht vorhersehbar.
Gegen die fehlende urheberrechtliche Schutzfähigkeit von KI-Erzeugnissen ist wiederholt eingewandt worden, dass die Nutzer von KI häufig erhebliche Anstrengungen und kreative Leistungen aufwenden, um einen Prompt so zu gestalten, dass das KI-Modell den gewünschten Inhalt erzeugt. So argumentierte die Autorin eines 16-seitigen Comics Zarya of the Dawn, dessen Bilder sie durch die Bild-KI Midjourney erzeugte, in einem Verfahren vor dem US Copyright Office, dass sie fast ein Jahr gebraucht habe, um geeignete Prompts und Verfahrensschritte zu entwickeln, um das gewünschte Foto durch die Bild-KI zu erhalten. In der sehr lesenswerten Entscheidung vom 21. Februar 2023 wies das US Copyright Office diese Argumentation zurück, dass auch eine noch so umfangreiche Vorbereitung nichts daran ändere, dass das Foto autonom durch die KI erstellt werde.
Ein von KI erstellter Inhalt kann jedoch urheberrechtlichen Schutz genießen, wenn er anschließend von Menschen bearbeitet und weiterentwickelt wird. Voraussetzung ist allerdings, dass die Bearbeitung selbst eine persönliche geistige Schöpfung darstellt und sich nicht auf redaktionelle und technische Anpassungen beschränkt. Hieran sind strenge Anforderungen zu stellen. Kreative, die auf die Exklusivität der von ihnen geschaffenen Inhalte angewiesen sind, werden dennoch bestrebt sein, reine KI-Werke einer eigenschöpferischen Bearbeitung zu unterziehen, um urheberrechtlichen Schutz zu erlangen.
Schutzfähigkeit des Prompts
Aus Sicht des Anwenders eines KI-Systems ist sein wesentlicher Input der Prompt, also die Arbeitsanweisung an die KI. Gute Prompts sind die Grundlage für einen guten KI-Output und mit dem Prompt Engineer (kurz „Prompter“) ist ein neues Berufsfeld entstanden, um diese Anweisungen zu formulieren. Insofern stellt sich die Frage, ob Prompts als Textwerke geschützt sind. Dies ist zu bejahen, sofern der Prompt für sich genommen das Erfordernis einer persönlichen geistigen Schöpfung erfüllt. Der mit Hilfe des Prompts durch das KI-Modell erzeugte Inhalt bleibt bei der Beurteilung außer Betracht.
Verletzung Rechte Dritter durch das KI-Erzeugnis?
Die Tatsache, dass das KI-Erzeugnis selbst nicht urheberrechtlich geschützt ist, bedeutet nicht, dass seine Verbreitung nicht die Rechte Dritter, z.B. der Urheber vorbestehender Werke, verletzen kann. Ein bedeutendes Motiv für die Verwendung von KI-Modellen ist die Schaffung neuer Inhalte gerade unter Bezugnahme auf oder Verwendung von vorbestehenden Werken (Beispiele: „Schreibe mir eine neue Geschichte mit Pipi Langstrumpf“ / „Erstelle ein Bild im Stil von Keith Haring“). Generative KI kann typische Elemente eines Künstlers identifizieren und den erkannten Stil imitieren, um ein neues Bild zu schaffen, das wie ein Bild des Künstlers aussieht. Auf ähnliche Weise können Fortsetzungsgeschichten von Romanen, Charakteren oder Filmen erstellt werden.
Ob diese Inhalte die Rechte der betroffenen Urheber verletzen, dürfte stets eine Frage des Einzelfalls sein, sich aber an tradierten urheberrechtlichen Grundsätzen orientieren: Der bloße Stil eines Künstlers ist urheberrechtsfrei, Schutzgegenstand des Urheberrechts ist nur die konkrete Gestaltung eines Werkes. Der zugrundeliegende Stil bleibt gemeinfrei, damit der Künstler die von ihm gewählte Kulturtechnik nicht über das Urheberrecht monopolisiert und damit die Kunstfreiheit Dritter einschränkt. Anders wird zu entscheiden sein, wenn das KI-Erzeugnis auf konkrete Werke Bezug nimmt und diese erkennbar sind bzw. wesentliche Elemente nicht verblassen. Als Beispiel sei hierfür das bekannte KI-Werk „Vincent Creating the Starry Night on His Laptop” des KI-Künstlers David R. Smith genannt. Die Bezugnahme auf das Werk Sternennacht von van Gogh ist offensichtlich, dass das Werk nicht verblasst. Wären die Werke des 1890 verstorbenen van Gogh nicht längst gemeinfrei, würde das KI-Bild als unzulässige Bearbeitung (§ 23 UrhG) die Rechte van Goghs bzw. seiner Rechtsnachfolger verletzen.
Soweit der KI-Output nach diesen Maßstäben eine in das Urheberrecht des Dritten eingreifende (wiedererkennbare) Vervielfältigung oder Bearbeitung ist, muss der Nutzer zur Veröffentlichung oder Verwertung eine Lizenz des Dritten einholen oder sich auf eine gesetzliche Schranke, etwa Pastiche nach § 51a UrhG, berufen können.
Verwendung vorbestehender Werke als Trainingsdaten
Sowohl kleine als auch große KI-Modelle basieren auf dem Training mit bereits existierenden Werken. Bei großen KI-Modellen wie ChatGPT wird davon ausgegangen, dass dies der nahezu gesamte im World Wide Web verfügbare Inhalt ist. Die KI analysiert dann selbstständig die Gesamtmenge aller Texte auf Muster und Zusammenhänge, um die der Sprache zugrunde liegenden Regeln zu ermitteln (»Pre-Training«).
Plakativ ausgedrückt: Generative KI funktioniert nur und nur so gut, wie sie mit den vorhandenen Werken trainiert wurde und diese analysiert hat.
Dementsprechend fordern Urheber und Rechteinhaber ein Verbot oder eine angemessene Beteiligung dafür, dass ihre Werke für das Training von KI-Modulen verwendet werden. In den USA sind bereits zahlreiche Klagen von prominenten Autoren, Verlagen und Betreibern von Bilddatenbanken anhängig, die ihre Rechte durch bekannte KI-Modelle verletzt sehen. Der Ausgang dieser Klagen ist offen. Ohnehin ist der Umgang mit vorbestehenden Werken durch KI-Modelle die zentrale Frage schlechthin.
In Europa hat der Unionsgesetzgeber die Betreiber von KI-Modellen indes auf die Vorfahrt gesetzt. Mit der Digital Service Market (DSM) Richtlinie wurde 2019 eine Schrankenregelung für maschinelles Lernen eingeführt, die in Deutschland durch § 44b UrhG umgesetzt wurde. § 44b UrhG erlaubt Vervielfältigungen von Werken, die zum automatisierten Analysieren dieser Werke erforderlich sind, soweit sich der Rechteinhaber diese Art der Verwertung nicht ausdrücklich vorbehalten hat („opt out“). Die Möglichkeit des „opt out“ spielt derzeit aufgrund technischer Beschränkungen allerdings kaum eine Rolle. Damit besteht eine gesetzliche Erlaubnis, Werke in großem Umfang zu sammeln und daraus einen Trainingskorpus zu erstellen – ohne die nach alter Rechtslage in § 60d UrhG vorgesehene Beschränkung auf Forschungseinrichtungen, also auch für kommerzielle Zwecke. Ziel dieser Regelung ist es, technische Innovationen in der EU zu fördern und Unternehmen einen sicheren Rechtsrahmen für KI-Anwendungen zu bieten.
Gegen diese Auslegung verwehren sich aber die Rechteinhaber. Sie weisen darauf hin, dass die Anwendung jeder Schrankenregelung den Anforderungen des in mehreren internationalen Urheberrechtsverträgen vorgesehenen 3-Stufentests genügen muss, wonach die Anwendung der Schranke weder die normale Verwertung des Werkes beeinträchtigen noch die berechtigten Interessen des Urhebers unzumutbar verletzen darf. Wenn eine KI das Malen von Bildern im Stil eines Künstlers oder die Erstellung von Fortsetzungsgeschichten ermöglicht, höhlt die Anwendung der Schranke die Verwertungs- und Existenzgrundlage der Urheber aus.
Der Ausgang dieser Diskussion ist offen – der Druck auf die Gesetzgeber wächst weltweit, einen (neuen) regulatorischen Rahmen für die Nutzung vorbestehender Werke zu schaffen.
Fazit
Viele der traditionellen Prinzipien des Urheberrechts lassen sich problemlos auf die Modelle der generativen künstlichen Intelligenz übertragen. Sie lösen aber nicht das gesellschaftspolitische Kernproblem: Wie ist damit umzugehen, dass kreative Inhalte – Texte, Bilder, Grafiken, Software und Bilder –, für deren Entstehung bisher menschliche Kreativität verantwortlich war und deren exklusiver urheberrechtlicher Schutz die Grundlage einer ganzen Industrie bildete, von KI auf Knopfdruck erzeugt werden können? Kreative sehen sich um ihre Existenz gebracht. Und selbst wenn man KI-Erzeugnissen irgendeine Form von Schutz zubilligen wollte, der Grundlage für Ausschließlichkeitsrechte und rechtliche Verwertung sein könnte. Am geringen Wert dieser Produkte und der verschlechterten Lizenzierbarkeit würde dies nichts ändern.