Am 1. März 2017 ist das neue Urhebervertragsrecht in Kraft getreten. Mit der Gesetzesreform sind zahlreiche Änderungen verbunden, die für Verwerter und Urheber von großem Interesse sind. Der vorliegende Beitrag soll einen Überblick über die wichtigsten Änderungen und einige praktische Hinweise zur Umsetzung für Verwerter bieten.
Warum eine weitere Reform?
Mit der Reform des Urhebervertragsrechts im Jahre 2002 wurde das Urheberrecht im Interesse der Stärkung der Urheber grundlegend novelliert. So wurde erstmals ein Anspruch des Urhebers und ausübenden Künstlers auf „angemessene Vergütung“ gesetzlich verankert (§ 32 UrhG). Darüber hinaus wurde das Instrument der „gemeinsamen Vergütungsregeln“ geschaffen (§ 36 UrhG), das es für Verbände von Urhebern und ausübenden Künstlern ermöglicht, sich mit Verwerterverbänden branchenspezifisch auf angemessene Honorare zu verständigen.
Aus Sicht des Gesetzgebers führte die Reform im Jahr 2002 jedoch noch nicht zu der gewünschten Stärkung der Kreativen. Insbesondere konstatiert der Gesetzgeber eine „gestörte Vertragsparität“, die dazu führe, dass sich Kreative nach wie vor teilweise auf Vertragsbedingungen einlassen müssen, mit denen sie alle Rechte an einem Werk gegen eine unangemessene Einmalzahlung aus der Hand geben („Total Buy-Outs“). Insbesondere freiberuflich tätigen Urhebern und ausübenden Künstlern fehle die erforderliche Markt- und Verhandlungsmacht, um ihren Anspruch auf angemessene Vergütung tatsächlich durchzusetzen. Die Folgen seien teilweise unangemessen niedrige Vergütungen der Urheber und ausübenden Künstler. Vor diesem Hintergrund soll die Stellung von Urhebern und ausübenden Künstlern mit der beschlossenen Gesetzesreform (weiter) gestärkt werden.
Nicht überraschend waren diese Annahmen im Gesetzgebungsverfahren hoch umstritten. Insbesondere hatten die Verwerterindustrien immer wieder darauf hingewiesen, dass das Beteiligungsprinzip nicht notwendigerweise zu Gunsten der Kreativen wirkt. Urhebern und ausübenden Künstlern ist häufig eine (endgültige) Einmalzahlung gleich nach Ablieferung ihres Beitrags lieber als eine Beteiligungslösung, bei der sie sich von Erfolg oder Misserfolg der Produktion abhängig machen. Es bleibt jedoch festzustellen, dass sich die Urheberrechtsindustrien im Gesetzgebungsverfahren mit diesen Einwänden nicht durchsetzen konnten.
Die wichtigsten Änderungen im Überblick
Vorbemerkung zur Grundstruktur
Die Gesetzesreform bringt – wie nachfolgend erläutert – zahlreiche Verschärfungen zulasten der Verwerter mit sich. Diese Gesetzesänderungen sind insoweit als zwingende Regeln ausgestaltet, als sie nur durch Kollektivvereinbarung im Sinne von § 36 UrhG – also gemeinsamen Vergütungsregeln zwischen Verbänden von Kreativen und Verwertern – abbedungen oder abgemildert werden können. In einigen Branchen existieren jedoch keine repräsentativen Vereinigungen. Der BGH hat insoweit jüngst entschieden, dass Kollektivvereinbarungen mit nicht-repräsentativen Vereinigungen nur einen eingeschränkten Anwendungsbereich haben (BGH GRUR 2016, 1296 – GVR Tageszeitung III). Damit dürften die gesetzlichen Verschärfungen in einigen Branchen bisher nicht abdingbar und daher stets zwingend sein.
Neue Ansprüche auf Auskunft und Rechenschaft (§§ 32d, 32e UrhG-neu)
Zu den wichtigsten Änderungen gehören zwei neue Auskunftsansprüche.
Der neue § 32d UrhG regelt einen Anspruch auf Auskunft und Rechenschaftserteilung des Urhebers gegen seinen Vertragspartner über den Umfang der Werknutzung und die hieraus gezogenen Erträge. Danach kann der Urheber bei entgeltlicher Einräumung oder Übertragung eines Nutzungsrechts von seinem Vertragspartner einmal jährlich Auskunft und Rechenschaft über den Umfang der Werknutzung und die hieraus gezogenen Erträge und Vorteile verlangen.
Dieser Auskunftsanspruch greift bei allen entgeltlichen Einräumungen oder Übertragungen von Nutzungsrechten, also auch im Falle von Pauschalhonoraren; nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs war bei Pauschalvergütungen bislang keine Auskunft geschuldet.
Die Auskunfts- und Rechenschaftspflicht bezieht sich nach dem Wortlaut der Regelung auf solche Informationen, die bei den Verwertern „im Rahmen eines ordnungsgemäßen Geschäftsbetriebs üblicherweise“ vorhanden sind.
Die Regelung sieht einige Ausnahmen von der Auskunftspflicht vor. So sollen Urheber oder ausübende Künstler, die lediglich einen „nachrangigen Beitrag“ zu dem jeweiligen Werk, der Produktion oder Dienstleistung erbracht haben, nicht in den Genuss des neuen Auskunftsanspruches kommen. „Nachrangig“ ist ein Beitrag nach der Regelung insbesondere dann, „wenn er den Gesamteindruck eines Werkes wenig prägt“, etwa weil er nicht zum typischen Inhalt eines Werkes gehört. Ausweislich der Gesetzesbegründung (Beschlussempfehlung des 6. Ausschusses für Recht und Verbraucherschutz) soll der Begriff des „nachrangigen Beitrags“ keine qualitative Wertung enthalten. Als Beispiele für „nachrangige Beiträge“ nennt die Gesetzesbegründung etwa einen geringfügigen Textbeitrag eines Journalisten oder den Auftritt eines Komparsen. Sicherlich wird hier erst die Rechtsprechung im Laufe der Zeit herauskristallisieren, wann die Grenze zu einem „nachrangigen Beitrag“ überschritten ist. Ausgenommen von den Auskunftsansprüchen sind ferner die Urheber von Computerprogrammen (§ 69a Abs. 5 UrhG-neu). Unter Verweis auf die hohe Nachfrage der Branche nach Mitarbeitern sieht der Gesetzgeber die Vertragsparität zwischen Urhebern und Verwertern in der Softwareindustrie nicht in gleichem Maße gefährdet wie in anderen Gebieten der Kreativwirtschaft. Schließlich soll der Auskunftsanspruch ausscheiden, wenn eine Auskunftserteilung für den Vertragspartner unverhältnismäßig wäre. Dies kommt etwa dann in Betracht, wenn der Aufwand für die Bereitstellung der entsprechenden Informationen für den Vertragspartner unzumutbar erscheint, eine entgegenstehende Rechtspflicht besteht, die Geltendmachung des Auskunftsanspruchs rechtsmissbräuchlich ist oder aber berechtigte Geheimhaltungsinteressen beeinträchtigt würden.
Der neue Auskunftsanspruch des § 32d UrhG ist insoweit zwingend, als abweichende Vereinbarungen zum Nachteil des Urhebers (oder ausübenden Künstlers) nur im Rahmen von gemeinsamen Vergütungsregeln oder Tarifverträgen getroffen werden können.
Nach dem ebenfalls neu eingeführten § 32e UrhG sind neben dem Vertragspartner des Urhebers zur Auskunft auch verpflichtet Dritte, die die Nutzungsvorgänge in der Lizenzkette wesentlich bestimmen (wie zum Beispiel Sendeunternehmen bei Auftragsproduktionen), oder Dritte, die beim „Bestseller-Fall“ des § 32a UrhG in einer Lizenzkette eintreten. § 32e UrhG-neu erweitert also den Kreis der Auskunftspflichtigen auf Unternehmen in der Lizenzkette, die nicht in einem unmittelbaren Vertragsverhältnis mit dem Urheber stehen.
Verwerter müssen in der Lage sein, Urhebern und ausübenden Künstlern einmal jährlich Auskunft und Rechenschaft über den Umfang der Werknutzung und ihre Erträge zu erteilen. Es kann sich daher empfehlen, die internen Prozesse zur Auskunftserteilung (Buchhaltung, Software etc.) zu überprüfen und gegebenenfalls zu optimieren.
Verstöße gegen gemeinsame Vergütungsregeln (§§ 36b, 36c UrhG-neu)
Weitere Änderungen betreffen das Instrument gemeinsamer Vergütungsregeln zwischen Urheber- und Verwertervereinigungen.
Zu nennen ist insbesondere der neue § 36b UrhG, der einen Unterlassungsanspruch bei Verstoß gegen gemeinsame Vergütungsregeln vorsieht. Danach können Vereinigungen von Urhebern oder Werknutzern Unternehmen auf Unterlassung in Anspruch nehmen, die sich nicht an gemeinsame Vergütungsregeln halten, die auf sie anwendbar sind. Es handelt sich insoweit um ein Verbandsklagerecht, das den Urhebervereinigungen zusteht, die Parteien der entsprechenden Vergütungsregeln sind. Daneben sind auch Vereinigungen von Werknutzern oder einzelne Werknutzer klagebefugt.
Der neue § 36c UrhG regelt die individualvertraglichen Folgen eines Verstoßes gegen gemeinsame Vergütungsregeln. Nach dieser Vorschrift kann der Urheber von seinem Vertragspartner die Einwilligung in die Änderung des Vertrages verlangen, mit dem der Verwerter von einer gemeinsamen Vergütungsregel zum Nachteil des Urhebers abweicht. § 36c UrhG-neu sieht also einen neuen Vertragsanpassungsanspruch vor, sofern Verwerter von für sie geltenden gemeinsamen Vergütungsregeln abweichen.
Das Recht zur anderweitigen Verwertung nach zehn Jahren (§ 40a UrhG-neu)
Der neu geschaffene § 40a UrhG-neu eröffnet dem Urheber, der ein ausschließliches Nutzungsrecht für eine Dauer von mehr als zehn Jahren gegen eine pauschale Vergütung eingeräumt hat, die Möglichkeit, sein Werk nach Ablauf dieser Frist anderweitig zu verwerten. Für die verbleibende Dauer der Nutzung, das heißt nach Ablauf der ersten zehn Jahre, besteht das Nutzungsrecht des ersten Inhabers als einfaches Nutzungsrecht fort. Er kann also mit der bisherigen Nutzung weiter fortfahren, jedoch nicht mehr auf ausschließlicher Basis. Der ursprüngliche Vertragspartner muss also damit rechnen, dass der Urheber auch einem Dritten ein entsprechendes (einfaches) Nutzungsrecht einräumt. Ab dem 11. Jahr ist also die Verwertung des Werkes nicht mehr ausschließlich.
Die neue Regelung sieht ferner vor, dass die Vertragspartner frühestens nach fünf Jahren die – ursprünglich unbegrenzt vorgesehene – Ausschließlichkeit durch eine weitere vertragliche Vereinbarung auf die gesamte Vertragslaufzeit erstrecken können. Auch bei § 40a UrhG-neu handelt es sich insoweit um eine zwingende Regelung, als abweichende Vereinbarungen zum Nachteil des Urhebers nur im Rahmen von gemeinsamen Vergütungsregeln oder Tarifverträgen vereinbart werden dürfen.
Doch auch § 40a UrhG-neu enthält einige Ausnahmen: So gilt das Recht zur anderweitigen Verwertung nach zehn Jahren nicht, wenn es sich bei dem betreffenden Werk nur um einen „lediglich nachrangigen Beitrag“, ein Computerprogramm oder ein Werk der Baukunst handelt. Ebenfalls gilt § 40a UrhG‑neu nicht für Filmrechte. Eine weitere Ausnahme besteht dann, wenn die Rechteeinräumung ein Werk betrifft, das mit Zustimmung des Urhebers als Marke (oder sonstiges Kennzeichen) oder als Design bestimmt ist.
In Verträgen mit Marken-Designern, Logo- und Produktgestaltern etc. muss von nun an ausdrücklich eine Regelung aufgenommen werden, dass die vom Urheber geschaffenen Werke zur Benutzung als Marke (oder sonstiges Kennzeichenrecht) oder als Design bestimmt sind. Anderenfalls endet nach zehn Jahren die Exklusivität, und der Urheber kann das betreffende Werk anderweitig verwerten.
Änderungen beim Recht der Wiederverfilmung (§ 88 UrhG-neu)
Auch im Bereich des Wiederverfilmungsrechts stärkt die Reform die Stellung der Urheber. So erhält der Urheber die gesetzliche Erlaubnis, sein Werk nach zehn Jahren wiederverfilmen zu lassen. Es handelt sich um eine zwingende Regelung, von der nur durch eine Vereinbarung abgewichen werden kann, die auf einer gemeinsamen Vergütungsregel beruht. Durch die Neuregelung ist eine unbegrenzte Einräumung ausschließlicher Rechte an Produzenten nicht mehr möglich. Allerdings ist darauf hinzuweisen, dass sich die Regelung nur auf „echte Wiederverfilmungen“ bezieht, nicht auf Prequels oder Sequels. Für derartige Folgeverfilmungen können Produzenten bei richtiger Vertragsgestaltung nach wie vor unbegrenzte ausschließliche Nutzungsrechte eingeräumt werden.
Vergütung des ausübenden Künstlers für später bekannte Nutzungsarten (§ 79b UrhG-neu)
§ 79b UrhG-neu regelt die Vergütung bei (eingeräumten) Nutzungsrechten an unbekannten Nutzungsarten. Er entspricht § 32c UrhG, sodass der ausübende Künstler Anspruch auf eine gesonderte angemessene Vergütung hat, wenn der Vertragspartner, der die Rechte an unbekannten Nutzungsarten erworben hat, eine neue Art der Nutzung aufnimmt, die bei Vertragsschluss noch unbekannt war. Wenn die Nutzungsrechte weiter an einen Dritten übertragen werden, besteht der Anspruch des ausübenden Künstlers auf eine gesonderte angemessene Vergütung gegen den Dritten, sobald dieser die neue Art der Nutzung aufnimmt. Allerdings wurden die beiden letzten Sätze des § 32c Abs. 1 UrhG nicht mit in § 79b UrhG‑neu übernommen. Es besteht daher etwa – anders als gegenüber Urhebern gemäß § 32c Abs. 1 S. 3 UrhG – keine Pflicht, den Künstler über die Aufnahme der neuen Art der Werknutzung unverzüglich zu unterrichten.
Inkrafttreten am 1. März 2017
Das neue Urhebervertragsrecht gilt grundsätzlich nur für Verträge, die ab dem Inkrafttreten des Gesetzes – also ab dem 1. März 2017 – geschlossen werden. Ausnahmen hiervon bestehen lediglich beim Rückrufrecht wegen Nichtausübung. Hier gilt die neue Rechtslage auch für Altverträge, jedoch nur im Hinblick auf Sachverhalte, die ein Jahr nach dem Inkrafttreten entstanden sind.
Fazit
Die Reform des Urhebervertragsrechts ist für Verwerter mit einigem Implementierungsaufwand verbunden. Unternehmen sollten prüfen, ob sie aufgrund ihrer internen Prozesse in der Lage sind, die den Urhebern und ausübenden Künstlern nun jährlich zustehenden Auskunftsansprüche zu erfüllen. Zudem sollte bei der Gestaltung urheberrechtlicher Lizenzverträge das neue Recht zur anderweitigen Verwertung nach zehn Jahren (§ 40a UrhG‑neu) im Blick behalten werden. Bei richtiger vertraglicher Gestaltung können Nutzungsrechte auch in Zukunft für mehr als zehn Jahre ausschließlich (exklusiv) eingeräumt werden. Insbesondere bei Werken, die als Marke oder Design genutzt werden sollen, ist eine derartige zeitlich unbegrenzte ausschließliche Lizenz bei Nennung des Nutzungszweckes im Lizenzvertrag weiterhin möglich. Das neue Urhebervertragsrecht stellt Verwerter damit vor Herausforderungen, die mit dem richtigen rechtlichen Handwerkszeug aber durchaus zu meistern sind.