Update UPC: Weitere Verzögerungen und Stolpersteine
Über ein Jahr nach dem BREXIT-Referendum ist eingetreten, was schon seinerzeit zu befürchten stand (vgl. u.a. die B&B Bulletin Sonderausgabe „Der BREXIT und die Konsequenzen im Bereich IP“ aus Juni 2016): Der Start des UPC-Systems verzögert sich weiterhin; dies auch aus weiteren und erneut überraschenden Gründen. Zeit für ein kurzes Update.
Aktueller Status der Ratifikation
Nachdem das neue System des Europäischen Einheitspatents und -gerichts, bzw. auf Englisch: Unitary Patent Court System (kurz: UPC), zuletzt im April diesen Jahres in Kraft treten sollte, war dieser Termin zuletzt aufgrund der Auswirkungen des BREXIT-Referendums nicht zu halten.
Zur Erinnerung: das Inkrafttreten des UPC-Systems erfordert nach aktueller Rechtslage u.a. zwingend die – noch ausstehenden – Ratifikationen verschiedener dem System zu Grunde liegender völkerrechtlicher Verträge durch Deutschland und das Vereinigte Königreich.
Während die notwendige Mindestzahl an Ratifikationen der übrigen Vertragsstaaten vorliegt, stand der seinerzeit bereits geplanten Ratifikation durch das Vereinigte Königreich im Juni 2016 plötzlich der BREXIT im Wege. In der Folgezeit wurden entsprechende, eng mit der Europäischen Union verknüpfte gesetzgeberische Prozesse dort zunächst nur zögerlich weiter betrieben, auch im Hinblick auf die (ja auch weiterhin noch ungeklärte) Frage, welche Rolle das Vereinigte Königreich im Verhältnis zur Europäischen Union künftig überhaupt spielen wird.
In Deutschland wurde post-BREXIT ebenfalls zuerst einmal abgewartet – wohl auch, da Deutschland das Zepter zum tatsächlichen Inkraftsetzen des Systems nicht aus der Hand geben wollte. Nach entsprechenden positiven Signalen aus dem Vereinigten Königreich wurden jedoch hierzulande gleichwohl die gesetzgeberischen Prozesse abgeschlossen, die für das zumindest vorläufige Inkraftsetzen des Systems erforderlich sind – mit nur einer Ausnahme: der abschließenden Unterzeichnung der völkerrechtlichen Verträge durch den Bundespräsidenten. Im Juni diesen Jahres geschah sodann, womit wohl niemand gerechnet hatte: eine (bislang unbekannte) Privatperson legte Verfassungsbeschwerde gegen die Ratifikation ein und erreichte es, dass das Bundesverfassungsgericht den Bundespräsidenten bat, seine Unterschrift bis zur weiteren Klärung zurückzuhalten.
Situation im Vereinigten Königreich
Entgegen der Erwartungen vieler Beobachter zeigte sich im Vereinigten Königreich auch nach der BREXIT-Entscheidung recht schnell der politische Wille, unverändert am UPC-System festzuhalten und dieses nach Möglichkeit noch vor dem Austritt aus der Europäischen Union in Kraft zu setzten. Sich hieran unmittelbar anschließende Fragen, auf welcher Grundlage und in welchem Umfang das Vereinigte Königreich auch nach dem Austritt noch Teil des Systems sein würde, sollten den Austrittsverhandlungen überlassen bleiben.
Gegen Mitte diesen Jahres kollidierte dieser Plan indes erneut mit den politischen Entwicklungen: das Auslösen der zweijährigen Austrittphase, der von vielen als chaotisch empfundene Beginn der Austrittsgespräche und die aus Sicht der dortigen Regierung wohl misslungenen Neuwahlen führten im Vereinigten Königreich zu zahlreichen weiteren Verzögerungen und Hindernissen, aufgrund derer die Ratifikation bis heute aussteht. Tatsächlich müssen auch heute noch einige formale Akte in den neu konstituierten Parlamenten des Vereinigten Königreichs vollzogen werden, bis die Ratifikation als abgeschlossen gilt. Dem Vernehmen nach könnte der Abschluss dieses Prozesses frühestens im Herbst 2017 erfolgen.
Situation in Deutschland
Nachdem zunächst lange Rätselraten über die Rechtsgrundlagen der (nicht öffentlich einsehbaren) Verfassungsbeschwerde vorherrschten, wird inzwischen aus informierten Kreisen berichtet, dass hierin vorrangig ein Verstoß gegen das Demokratieprinzip gerügt wird, und zwar zum einen (1) hinsichtlich des Zustandekommens der Ratifikationsgesetze, zum anderen (2) hinsichtlich verschiedener inhaltlicher Aspekte des UPC-Systems. Hinsichtlich Punkt (1) geht es in eher formaler Hinsicht um die im Bundestag anwesenden Mehrheiten zum Zeitpunkt der Abstimmung. Gemeinhin – aufgrund des allgemeinen politischen Willens zu Ratifikation – wird dieser Punkt als wenig kritisch angesehen; schlimmstenfalls (wenngleich mit entsprechenden zeitlichen Verzögerungen auch infolge der Bundestagswahlen) wäre die betreffende Abstimmung wohl schlicht zu wiederholen. Hinsichtlich Punkt (2) besteht aus Sicht der UPC-Befürworter mehr Anlass zur Sorge: So werden hierunter dem Vernehmen nach verschiedene demokratische und rechtsstaatliche Defizite hinsichtlich einzelner Rechtssetzungsbefugnisse der UPC-Organe gerügt, ebenso wie die mangelnde Unabhängigkeit und demokratische Legitimation der UPC-Richter. Diese Punkte könnten, wenngleich nicht sämtlich neu, auch durchaus kritisch gesehen werden.
Hinzu tritt dem Vernehmen nach der Vorwurf der Unvereinbarkeit des Übereinkommens mit dem Recht der Europäischen Union, der das Bundesverfassungsgericht zu einer Vorlage beim Europäischen Gerichtshof veranlassen könnt, was zu einer entsprechenden Ausweitung der Untersuchung und erheblichen zeitlichen Verzögerungen führen könnte.
Fazit
Trotz allem Vorstehenden war und ist der Optimismus auf Seiten der Verantwortlichen für das zukünftige System weiterhin ungebrochen und werden die Vorbereitungen, einschließlich der Anmietung von Gebäuden, Auswahl und Ausbildung von Richtern und Personal, weitgehend ungebremst vorangetrieben. Das System soll, so der Wille der Verantwortlichen, nun Anfang 2018 in Kraft treten.
Ob dies eine realistische Erwartung ist, ist aktuell nicht sinnvoll zu beurteilen. Ohne weitere unvorhergesehene Ereignisse wird es nun wohl maßgeblich darauf ankommen, mit welchem zeitlichen Horizont und in welcher Tiefe das höchste deutsche Gericht die anhängige Verfassungsbeschwerde prüfen wird. Kommt es hier erneut zu erheblichen Verzögerungen, so zeichnet sich zugleich schon ein weiteres Problem ab: nach Abschluss der BREXIT-Verhandlungen im Frühjahr 2019 fiele das Vereinigte Königreich automatisch aus dem System; dessen Startvoraussetzungen und auch die weitere Beteiligung des Vereinigten Königreichs hieran (auf andere Weise, etwa durch völkerrechtlichen Beitritt) wären sodann erneut zuklären. Spätestens hier wäre aber dann wohl tatsächlich nur noch eine politische Lösung, de lege ferenda, möglich.