Bundesgerichtshof setzt neue Kriterien beim Unterlassungsanspruch aus normessentiellen Patenten (Urteil vom 5. Mai 2020 KZR 36/17 – Sisvel ./. Haier)
Der Unterlassungsanspruch aus für eine Norm essentiellen Patenten wird nach wie vor kontrovers diskutiert. Nachdem der Europäische Gerichtshof in der Entscheidung Huawei ./. ZTE Leitlinien gegeben hat, wann die Geltendmachung des Unterlassungsanspruchs nicht als Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung zu werten ist, waren bislang nur Entscheidungen der Instanzgerichte ergangen. Mit der jetzt ergangenen Entscheidung äußert sich der Bundesgerichtshof erstmals seit der Entscheidung Huawei ./. ZTE zu dieser Frage und präzisiert die Kriterien, wann ein Verletzer dem Unterlassungsanspruch einen Anspruch auf eine Lizenz an dem Patent entgegensetzen kann.
Die Frage, wann der Inhaber eines für eine Norm essentiellen Patents (SEP), der die Bereitschaft zur Lizenzierung zu fairen, angemessenen und nicht diskriminierenden Bedingungen (sogenannten FRAND-Bedingungen) erklärt hat, gegenüber dem Nutzer der patentgeschützten Lehre einen Anspruch auf Unterlassung hat, ist in der Rechtsprechung nach wie vor nicht abschließend geklärt. In der Entscheidung des EuGH C 170/13 vom 16. Juli 2016 hatte der Gerichtshof Bedingungen formuliert, unter denen die Geltendmachung eines Unterlassungsanspruchs aus einem solchen Patent keinen Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung im Sinne des Art. 102 AEUV darstellt. Diese beinhalten unter anderem, dass der Patentinhaber den vermeintlichen Verletzer vor Erhebung der Klage auf die ihm vorgeworfene Patentverletzung hinweisenund dabei das betreffende Patent bezeichnen und angegeben muss, auf welche Weise es verletzt worden sein soll, und, wenn dieser den Willen zum Ausdruck gebracht hat, einen Lizenzvertrag zu FRAND-Bedingungen zu schließen, ihm ein konkretes schriftliches Lizenzangebot zu solchen Bedingungen unterbreiten muss. Ein Unterlassungsanspruch ist gerechtfertigt, wenn der der Verletzung bezichtigte Benutzer des Patents auf dieses Angebot entsprechend den üblichen Gepflogenheiten nicht gewissenhaft reagiert, und insbesondere dann, wenn er nach objektiven Maßstäben eine Verzögerungstaktik verfolgt.
Ausgehend von dieser Entscheidung hatte das Oberlandesgericht Düsseldorf in der Entscheidung 15 U 66/15 (Sisvel ./. Haier) vom 30. März 2017, nachdem es die Benutzung des Patents wie auch den Verletzungshinweis durch die Klägerin und die Lizenzbereitschaft der Beklagten bejaht hatte, die positive Feststellung, dass das Lizenzangebot des Patentinhabers tatsächlich den FRAND-Kriterien entspricht, als Voraussetzung für einen Unterlassungsanspruch angesehen. Da der Lizenzsucher regelmäßig keine nähere Kenntnis über die Lizenzierungspraxis des Patentinhabers besitzt, sah es eine sekundäre Darlegungslast des Patentinhabers dazu als gegeben an, welche Unternehmen mit welcher Bedeutung auf dem relevanten Markt zu welchen konkreten Bedingungen eine Lizenz genommen haben. Auf der Grundlage der ihm vorgelegten Informationen zu den existierenden Lizenzverträgen befand das Gericht, dass das Lizenzangebot der Klägerin nicht den FRAND-Kriterien entsprach und verneinte das Bestehen des Unterlassungsanspruchs wie auch des Anspruchs auf Vernichtung und Rückruf.
In der Revision hat der Bundesgerichtshof in der Entscheidung K ZR 36/17 vom 5. Mai 2020 das Urteil des Oberlandesgerichts aufgehoben, soweit zum Nachteil der Klägerin entschieden worden war. Er sah den Anspruch der Beklagten auf eine Lizenz nicht als gegeben an, da diese nach Ansicht des Bundesgerichtshofs nicht die ernsthafte und vorbehaltslose Bereitschaft zu einer Lizenznahme zu FRAND-Bedingungen erklärt hatte. Bei dieser Sachlage kam es für den Bundesgerichtshof nicht mehr darauf an, ob das Lizenzangebot der Klägerin tatsächlich den FRAND-Kriterien entsprochen hat.
Der Bundesgerichtshof bestätigte zunächst die Ansicht des Oberlandesgerichts, dass ein ausreichender Verletzungshinweis durch die Klägerin erfolgt war. Nach Auffassung des Bundegerichtshofs genügt es hierfür, wenn der angebliche Verletzer in die Lage versetzt wird, gegebenenfalls mit externer Unterstützung die Berechtigung des Verletzungsvorwurfs in technischer und rechtlicher Hinsicht zu prüfen. Hierfür sieht er es als ausreichend an, wenn das verletzte Patent, das angegriffene Produkt oder das angegriffene Verfahren sowie die Art der Verletzungshandlung angegeben werden. Die Übermittlung von Claim Charts ist dabei nicht zwingend. Gegebenenfalls hat der der Verletzung Bezichtigteauf eine Konkretisierung des Verletzungsvorwurfs hinzuwirken. Im Übrigen wurde es als ausreichend angesehen, dass der Verletzungshinweis an die Muttergesellschaft der Beklagten erfolgte.
Ebenso bestätigte der Bundesgerichtshof, dass eine weltweite Portfoliolizenz als einziges Angebot des Patentinhabers unbedenklich ist, so lange der Beklagte damit nicht zur Zahlung einer Vergütung für die Benutzung von Patenten, die für die Norm nicht essentiell sind, oder in Ländern verpflichtet wird, in denen kein Patentschutz besteht.
Eine Bereitschaft der Beklagten, eine Lizenz zu FRAND-Bedingungen zu nehmen, sah der Bundesgerichtshof bereits deswegen nicht als gegeben an, weil nach seiner Auffassung von fehlender Lizenzbereitschaft auszugehen ist, wenn ein angeblicher Verletzer mehrere Monate nach dem Verletzungshinweis schweigt, und die Beklagte erst mehr als ein Jahr nach dem Verletzungshinweis die Bereitschaft zu Lizenzverhandlungen erklärt hatte. Die von dem Oberlandesgericht bejahte Frage, ob die Erklärung der Bereitschaft zu einer FRAND-Lizenz vor der Klageerhebung nachgeholt werden kann, hat der Bundesgerichtshof mit der Begründung offengelassen, dass keine der von der Beklagten abgegebenen Erklärungen eine ernsthafte und vorbehaltslose Bereitschaft zu einer FRAND-Lizenz erkennen ließe. Insbesondere hat der Bundesgerichtshof eine erste Erklärung, in der die Beklagte die Hoffnung geäußert hatte, dass es zu offiziellen Lizenzverhandlungen kommen werde, und sich nach konkreten Lizenzbedingungen und etwaigen Nachlässen bei der Lizenzgebühr erkundigt hatte, auch vor dem Hintergrund dessen nicht ausreichen lassen, dass die Klägerin der Beklagten am selben Tage nähere Informationen über den Inhalt der gewünschten Lizenz zukommen ließ und zwei Monate später ein persönliches Treffen stattfand, in dem die Klägerinmündlich ein konkretes Lizenzangebot unterbreitete und die Vertreter der Beklagten versprachen, Informationen über Verkäufe zur Verfügung zu stellen und selbst einenEinigungsvorschlag zu machen. Aus der objektivierten Empfängersicht der Klägerin sei, so der Bundesgerichtshof, nicht und insbesondere nicht klar und unzweideutig zu erkennen gewesen, dass die Beklagte zum Abschluss eines Lizenzvertrags zu FRAND-Bedingungen bereit gewesen sei. Weitere Erklärungen der Beklagten in der Folge erachtete der Bundesgerichtshof nicht als ausreichend, da in diesen eine unzulässige Bedingung – Abschluss eines Lizenzvertrags nach endgültiger Feststellung der Verletzung durch die Gerichte – bzw. die Erklärung enthalten war, die Beklagte halte ihre Position aufrecht, dass sie zu einer Lizenzierung zu FRAND-Bedingungen bereit sei und ihr eigenes Angebot als FRAND-konform erachte, was nach Ansicht des Bundesgerichthofs nur als Aufrechterhaltung des Vorbehalts einer endgültigen gerichtlichen Entscheidung über die Verletzung vor einer Lizenznahme aufgefasst werden konnte.
Eine Verpflichtung des Patentinhabers anzugeben, auf welche Weise die geforderte Lizenz berechnet wurde, hat der Bundesgerichtshof im dem entschiedenen Fall verneint; eine solche ergebe sich, so der Bundesgerichtshof, erst dann, wenn der angebliche Verletzer die unbedingte Bereitschaft zu einer FRAND-Lizenz erklärt habe. Nachdem dies eines der Kriterien des EuGH für ein ausreichendes Lizenzangebot des Patentinhabers war, ist davon auszugehen, dass der Bundesgerichtshof den Kläger generell nicht in der Pflicht gesehen hat, überhaupt ein spezifisches Lizenzangebot abzugeben, so lange die unbedingte Bereitschaft zu einer Lizenz zu FRAND-Bedingungen nicht erklärt worden war.
Dementsprechend kam es für den Bundesgerichtshof, was er auch in der Entscheidung ausgesprochen hat, nicht darauf an, ob die Klägerin der Beklagten diskriminierende Bedingungen abverlangt hat. Er hat diese Frage jedoch in einem obiter dictum verneint. Der Umstand, dass einem Wettbewerber der Beklagten deutlich günstigere Bedingungen eingeräumt wurden, könne eine sachliche Rechtfertigung darin haben, dass eine staatliche Behörde Druck auf die Patentinhaberin ausgeübt habe, diesen Wettbewerber zu bevorzugen.
In der vorliegenden Entscheidung hat der Bundesgerichtshof auch entschieden, dass der Schadensersatzanspruch des Inhabers eines für eine Norm essentiellen Patents selbst dann nicht auf eine angemessene Lizenzgebühr beschränkt ist, wenn er mit der Unterlassungsklage seine marktbeherrschende Stellungmissbraucht hat. Die Geltendmachung eines Schadenersatzanspruchs stellt, wie auch vom EuGH in der Entscheidung C 170/13 – Huawei ./. ZTE ausgesprochen,grundsätzlich keinen Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung dar. Dies beinhaltet nach Auffassung des Bundesgerichtshofs, dass der Patentinhaber auch nicht auf eine Berechnungsmethode für den Schadensersatz festgelegt ist. Der Verletzer kann allerdings diesem Schadensersatzanspruch einen eigenen Schadensersatzanspruch entgegensetzen, der auf die Nichterfüllung seines Anspruchs auf Abschluss eines Lizenzvertrags zu angemessenen und nicht diskriminierenden Bedingungen gestützt ist. Dieser Anspruch entsteht allerdings erst, wenn trotz unbedingter Bereitschaft des Beklagten, eine Lizenz zu FRAND-Bedingungen zu nehmen, der Patentinhaber die Lizenzvergabe verweigert oder ein Angebot macht, das nicht den FRAND-Bedingungen entspricht.
In der jetzt ergangenen Entscheidung sieht der BGH primär den Verletzer in der Pflicht, sich um eine Lizenz zu bemühen. Der Patentinhaber handelt (nur)missbräuchlich, wenn er die Bemühungen des Verletzers um eine Lizenz behindert oder sich nicht hinreichend bemüht hat, einem grundsätzlich lizenzwilligen Verletzer den Abschluss des Lizenzvertrags zu ermöglichen. Dies gilt insbesondere dann, wenn der Verletzer klar und eindeutig seinen Willen und seine Bereitschaft bekundet hat, mit dem Patentinhaber einen Lizenzvertrag zu angemessenen und nichtdiskriminierenden Bedingungen abzuschließen, aber nicht ohne weiteres in der Lage ist, von sich aus die Bedingungen zu formulieren, die ihm der Patentinhaber unter Beachtung des ihn treffenden Diskriminierungs- und Behinderungsverbots einräumen muss. Vor diesem Hintergrund interpretiert der Bundesgerichtshof auch die Entscheidung C 170/13 – Huawei ./. ZTE des EuGH: Der vom EuGH geforderte Hinweis auf die Verletzung soll dem Nutzer der patentgemäßen Lehre die Gelegenheit geben, seinen Anspruch auf Abschluss eines Lizenzvertrags geltend zu machen und damit die Durchsetzung des Unterlassungsanspruchs abzuwenden. Ebenso soll das Lizenzangebot, zum dem der Patentinhaber, allerdings nur in zweiter Linie, entsprechend der sekundären Darlegungslast im Zivilprozess, verpflichtet ist, dazu dienen, dem Lizenzwilligen eine Überprüfung zu ermöglichen, ob die Lizenzforderung wegen der Höhe des Lizenzsatzes oder anderer Bedingungen einen Missbrauch der marktbeherrschenden Stellung darstellt. Eine Verpflichtung des Patentinhabers, von sich aus auf eine Lizenz zu FRAND-Bedingungen hinzuwirken, sieht der Bundesgerichtshof nicht. Auch der marktmächtige Patentinhaber muss, wie es der Bundesgerichtshof formuliert hat, die Lizenznahme niemandem aufdrängen.
Damit ergänzt der Bundesgerichtshof seine frühere Rechtsprechung in der Entscheidung KZR 39/06 – Orange-Book-Standard aus dem Jahr 2009 und bringt diese gleichzeitig in Einklang mit der Entscheidung C 170/13 – Huawei ./. ZTE des EuGH. In dieser Entscheidung hatte der Bundesgerichtshof ausgesprochen, dass der Patentinhaber nurmissbräuchlich handelt, wenn der Beklagte ihm ein unbedingtes Angebot auf Abschluss eines Lizenzvertrages gemacht hat, an das er sich gebunden hält und das der Patentinhaber nicht ablehnen darf, ohne gegen das Diskriminierungs- oder das Behinderungsverbot zu verstoßen. Dieses Kriterium hat der Bundesgerichtshof in seiner jetzigen Entscheidung im Grundsatz noch einmal bestätigt, aber seinen seinerzeitigen Ausspruch dahingehend ergänzt, dass der Patentinhaber auch dann missbräuchlich handelt, wenn der Verletzer sich zwar (noch) nicht rechtsverbindlich zum Abschluss eines Lizenzvertrages zu bestimmten angemessenen Bedingungen bereit erklärt hat, dem Patentinhaber aber anzulasten ist, dass er sich seinerseits nicht hinreichend bemüht hat, der mit der marktbeherrschen-den Stellung verbundenen besonderen Verantwortung gerecht zu werden und einem grundsätzlich lizenzwilligen Verletzer den Abschluss eines Lizenzvertrages zu ermöglichen.
In der Entscheidung C 170/13 – Huawei ./. ZTE ging der EuGH demgegenüber, wenn der Inhaber eines für eine Norm essentiellen Patents die Bereitschaft zu einer Lizenz zu FRAND-Bedingungen erklärt hat, von einer grundsätzlichen Verpflichtung des Patentinhabers aus, eine solche Lizenz auch zu erteilen. Nach dem EuGH erweckt die Zusage, Lizenzen zuFRAND-Bedingungen zu erteilen, bei Dritten die berechtigte Erwartung, dass der Patentinhaber ihnen tatsächlich Lizenzen zu diesen Bedingungen gewähren wird. Vor diesem Hintergrund kanneine Weigerung des Patentinhabers, eine Lizenz zu diesen Bedingungen zu erteilen,grundsätzlich einen Missbrauch im Sinne von Art. 102 AEUV darstellen. Damit eine Klage aufUnterlassung, Rückruf oder Vernichtung nicht als missbräuchlich angesehen werden kann, muss der Patentinhaber bestimmte Bedingungenerfüllen, wie sie der EuGH in seiner Entscheidung formuliert hat, damit ein gerechter Ausgleich der betroffenen Interessen gewährleistet ist.
Der unterschiedliche Ansatz wirkt sich dann aus, wenn beide Parteien ihren in der Entscheidung des EuGH formulierten Verpflichtungen nicht nachgekommen sind, z.B. wenn sämtliche Lizenzangebote des Patentinhabers nicht den FRAND-Kriterien entsprachen und der angebliche Verletzer auf Zeit gespielt hat. Sieht man den Patentinhaber als den primär Verpflichteten, wird man bei dieser Konstellation einen Missbrauch bejahen, denn der Patentinhaber hat nicht nur ein isoliertes Angebot gemacht, das nicht ausreichend, weil nicht den FRAND-Kriterien entsprechend war, sondern durch sein gesamtes Verhalten gezeigt, dass er – jedenfalls dem konkreten Verhandlungspartner– eine Lizenz zu FRAND-Bedingungen überhaupt nicht ernsthaft erteilen möchte. Sieht man den angeblichen Verletzer als den primär Verpflichteten, wird man, wie der Bundesgerichtshof in der vorliegenden Entscheidung, zu dem Schluss kommen, dass es auf das Verhalten des Patentinhabers nicht ankommt. Angesichts dieses latenten Widerspruchs wäre es zu begrüßen, wenn der EuGH im Wege eines weiteren Vorlageverfahrens Gelegenheit bekäme, die Grundsätze der Entscheidung C 170/13 – Huawei ./. ZTE weiter zu erläutern und zu vertiefen.
Der Bundesgerichtshof hat in seiner Entscheidung ausdrücklich offengelassen, ob eine Erklärung der Bereitschaft zu einer Lizenz zu FRAND-Bedingungen auch außerhalb der von ihm angenommenen Reaktionsfrist auf den Verletzungshinweis des Patentinhabers möglich ist. Dem Vernehmen nach hat der Bundesgerichtshof in der mündlichen Verhandlung erkennen lassen, dass er dazu neigt, eine solche Erklärung vor der Klageerhebung als ausreichend zu erachten, um von der grundsätzlichen Lizenzbereitschaft ausgehen zu können. Dies wird wohl allerdings nur insoweit gelten, als der Beklagte seinen unbedingten Willen zu einer Lizenz zu FRAND-Bedingungen auch in der Folge betätigt und bekräftigt und dieser aus der objektivierten Sicht des Patentinhabers schlechterdings nicht in Zweifel gezogen werden kann.
Es ist erkennbar, dass der Bundesgerichtshof bei seiner Entscheidung von einem sogenannten Patent Holdout ausgegangen ist, bei dem der Beklagte die Verhandlungen so weit wie möglich in die Länge zieht, und tatsächlich war bereits zum Zeitpunkt der Entscheidung des Oberlandesgerichts das Patent abgelaufen. Dies erklärt bis zu einem gewissen Grad die hohen Anforderungen an die Erklärung der Lizenzwilligkeit, die im Wesentlichen darin bestehen, dass – aus der objektivierten Sicht des Klägers – die bedingungslose Bereitschaft des angeblichen Verletzers zu einer Lizenznahme zu FRAND-Bedingungen klar und unzweideutig erkennbar sein muss. Es steht zu erwarten, dass dieses Kriterium in der Instanzgerichtsrechtsprechung auch in Fällen angewandt werden wird, in denen eine Verzögerungsabsicht der Beklagten weniger klar oder gar nicht zu erkennen ist. Waren bislang die Anforderungen an die Lizenzbereitschaftserklärung ähnlich niedrig wie bei dem Verletzungshinweis – das Oberlandesgericht hatte eine formlose und pauschale Erklärung, gegebenenfalls auch schlüssiges Handelnausreichen lassen -, eröffnen sich für die Klägerseite prozessual nunmehrneue Möglichkeiten, sich dem Anspruch auf eine Lizenz zu entziehen, indem die generelle Lizenzbereitschaft in Frage gestellt wird. Da es dabei auf die Sicht der Patentinhaberin ankommt, wird man unter Anlegung der Maßstäbe des Bundesgerichtshofs von einer Lizenzbereitschaft der Beklagten wohl nur dann ausgehen, wenn die Patentinhaberin diesbezüglich keinerlei vernünftige Zweifel haben konnte.
Benutzer eines für eine Norm essentiellen Patents werden daher gut beraten sein, nach einem Verletzungsvorwurf die Bereitschaft zu einer Lizenz zu FRAND-Bedingungen umgehend, explizit und ausdrücklich zu erklären, gegebenenfalls auch vor einer internen Abklärung, ob das Patent tatsächlich verletzt und rechtsbeständig ist. Der vermeintliche Verletzer ist, was der Bundesgerichtshof in seiner Entscheidung auch bestätigt hat, nach der Entscheidung C 170/13 – Huawei ./. ZTE nicht daran gehindert, die Frage der Verletzung und der Rechtsbeständigkeit gerichtlich klären zu lassen, sofern er sich bedingungslos zu einer Lizenz zu FRAND-Bedingungen bereiterklärt hat. Wenn die interne Prüfung des Verletzungsvorwurfs und der Rechtsbeständigkeit zu lange dauert, läuft er dagegen Gefahr, mit seiner Erklärung der Lizenzbereitschaft präkludiert zu werden. Macht er, und sei es auch nur, weil er den Verletzungsvorwurf tatsächlich nicht für berechtigt hält oder die Rechtsbeständigkeit nicht gegeben sieht, die gerichtliche Klärung der Verletzung und Rechtsbeständigkeit gar zu einer Voraussetzung für den Abschluss eines Lizenzvertrags, wird ihm dies mit einiger Sicherheit als fehlende Lizenzbereitschaft ausgelegt werden, die seinen Anspruch auf eine Lizenz zunichtemacht.
Der Bundesgerichtshof hat offengelassen, ob das Gegenangebot der Beklagten, das sie nachzubessern nicht bereit war, tatsächlich den FRAND-Kriterien entsprach, und damit auch die Frage, was geschieht, wenn sowohl der Kläger als auch der Beklagte ein FRAND-Angebot machen. Es spricht einiges dafür, dass in diesem Fall das Angebot des Klägers maßgeblich ist. Aber auch wenn der Beklagte das Angebot des Klägers nicht für FRAND-konform hält, ist er gut beraten, jedenfalls nicht auf seinem Angebot zu beharren. Abgesehen davon, dass die FRAND–Konformität letztlich von dem Verletzungsgericht entschieden wird, läuft er Gefahr, dass seine Lizenzbereitschaft in Zweifel gezogen wird mit der Folge, dass das Angebot des Klägers nicht mehr darauf geprüft wird, ob es den FRAND-Kriterien entsprochen hat, und er sich dementsprechend einem Unterlassungsanspruch ausgesetzt sieht.
Mit dem jetzt ergangenen Urteil hat sich die Position des Patentinhabers sowohl in Lizenzverhandlungen als auch prozessual deutlich verbessert, da die Gegenseite ein erhöhtes Risiko läuft, dass ihre Erklärungen und ihr Verhalten in Lizenzverhandlungen im Sinne einer fehlenden Lizenzbereitschaft gedeutet werden, die den Anspruch auf eine Lizenz zunichtemacht. Hier mag schon eine zu harte Gangart in den Verhandlungen ausreichen. Erklärungen wie auch Verhaltensweisen in Verhandlungen sollten daher vorab auf ihre Unbedenklichkeit anwaltlich geprüft werden, um der Gegenseite keine Angriffspunkte im Verletzungsprozess zu geben. Ob dies der Sache förderlich ist, darf man bezweifeln. Einen Patent Holdout, dem der Patentinhaber im Übrigen jederzeit durch Erhebung einer Verletzungsklage ein Ende bereiten kann, wird dies auch in Zukunft nicht verhindern.