Warum Ferrari die Marke „Testarossa“ behalten darf und die neueste Rechtsprechung des EuGHs zur rechtserhaltenden Benutzung
Ferraris kann wohl nach einer Entscheidung des EuGH seine ikonische Testarossa für Fahrzeuge behalten, obwohl es seit 1997 keine Fahrzeuge mehr unter der Marke vertreibt. Selbst eine geringfügige Nutzung der Marke für Ersatzteile reicht im Lichte dieser Entscheidung zur Rechtserhaltung aus.
1. Vorgeschichte des Falls
Im Jahr 2017 entschied das Düsseldorfer Landgericht, auf Klage des Spielzeugfabrikaten Kurt Hesse, der inzwischen die Autec AG leitet, dass der Sportwagenhersteller Ferrari in die Löschung seiner deutschen und der internationalen Marke für „Testarossa“ einwilligen müsse, da Ferrari seit über 20 Jahren die Marke nicht mehr für Fahrzeuge benutzt habe. Ferrari hatte argumentiert, es biete nach wie vor die Wartung, Reparatur und Aufbereitung von Testarossa-Fahrzeugen an. Das Landgericht verwies aber darauf, dass dies unter der Dachmarke Ferrari erfolge und die Nutzung von Testarossa im Ersatzteilgeschäft einen zu geringen Umfang habe, um die Marke aufrechtzuerhalten. Ferrari hatte im maßgeblichen Benutzungszeitraum zwischen 2011 und 2017 Ersatzteile für Testarossa-Fahrzeuge im Wert von 17.000 Euro verkauft.
Hintergrund für die Löschungsklage war laut Presseberichten, dass Hesse keine Lizenzgebühren für die Benutzung der Marke im Spielzeugbereich mehr zahlen wollte und überdies Pläne hatte, den Modellnamen auch für Fahrräder, E-Bikes und Rasierer zu nutzen.
Gegen diese Entscheidung des Landgerichts Düsseldorf legte Ferrari Berufung ein. Das OLG Düsseldorf legt dem EuGH eine Reihe von Fragen rund um die rechtserhaltende Benutzung zur Vorabentscheidung vor.
2. Entscheidung des EuGH
Mit Urteil vom 22.10.2020 hat der EuGH (Aktenzeichen C-720/18, GRUR-RS 2020, 27498) diese Vorlagefragen beantwortet.
Nach den einschlägigen Vorschriften wird eine Marke für verfallen erklärt, d.h. gelöscht, wenn sie innerhalb eines ununterbrochenen Zeitraums von fünf Jahren nicht ernsthaft benutzt worden ist und keine berechtigten Gründe für ihre Nichtbenutzung vorliegen. Nach ständiger Rechtsprechung des EuGH wird eine Marke dann „ernsthaft benutzt“, wenn sie entsprechend ihrer Hauptfunktion benutzt werde, also um für diese Waren und Dienstleistungen einen Absatzmarkt zu erschließen oder zu sichern. Nicht berücksichtigt werden symbolische Verwendungen der Marke, die allein zur Aufrechterhaltung der Marke erfolgen.
Nachdem Ferrari für Kraftfahrzeuge selbst die Marke im Benutzungszeitraum nicht mehr benutzt hatte, war für den Ausgang des Verfahrens die Frage zentral, ob eine Marke auch dann „ernsthaft“ für Kraftfahrzeuge benutzt werde, wenn sie nur für Einzelteile oder Zubehör Waren verwendet wurde. Der EuGH bejahte diese Frage und bestätigte damit seine 17 Jahre alte Rechtsprechung (Urteil vom 11. März 2003, Ansul, EUGH Aktenzeichen C4001 C-40/01, ECLI:EU:C:2003:145, Rn. 43), die in Deutschland immer auf Skepsis gestoßen war, da sie nicht mit der traditionellen deutschen Rechtsprechungspraxis vereinbar schien. Obwohl die Marke nur für Ersatzteile hochpreisiger Luxussportwaren benutzt worden war, scheint der EuGH auch eine Nutzung für den weiten Begriff „Landfahrzeuge und deren Teile“ zu bejahen, da Luxussportwaren keine selbstständige Untergruppe ist. Auch der Umstand, dass die Markenregistrierung selbst Teile von Landfahrzeugen schützt, schließt eine Nutzung für Landfahrzeuge nicht aus. Schließlich bedeute auch eine relativ geringe Zahl an verkauften Einheiten nicht, dass die Marken nur rein symbolisch benutzt werde, solange die Marke mit dem Ziel benutzt worden sei, einen Absatzmarkt zu sichern. Bei hochpreisigen Luxussportwaren könne somit auch ein sehr geringer Umsatz rechtserhaltend sein. Der EuGH bestätigt damit eine alte Entscheidung des Bundespatentgerichts, das in dem Verkauf weniger COBRA-Sportfahrzeuge eine rechtserhaltende Benutzung sah (BPatG GRUR 2001, 58 – COBRA).
Interessant sind auch die Ausführungen des EuGH im Hinblick auf den Vertrieb gebrauchter Markenwaren. Eine Marke könne auch für Waren benutzt werden, die unter dieser Marke bereits in den Verkehr gebracht wurden und für die Markenrechte somit schon erschöpft seien. Dass der Inhaber der Marke Dritten nicht verbieten könne, seine Marke für die unter dieser Marke bereits in den Verkehr gebrachten Waren zu benutzen, bedeutet nicht, dass er sie nicht selbst für solche Waren benutzen dürfe. Eine Marke kann daher von ihrem Inhaber auch dadurch ernsthaft benutzt werden, indem er gebrauchte Waren vertreibt. Diese Entscheidung scheint im Widerspruch zur bisherigen Maxime des deutschen Markenrechts zu sehen, wonach eine Markennutzung, die nicht rechtsverletzend ist, auch nicht rechtserhaltend sein kann, Diese Maxime war auch ausschlaggebend für das Landgericht Düsseldorf, im Verkauf gebrauchter Testarossa-Fahrzeuge keine rechtserhaltende Benutzung zu sehen.
Der EuGH hat sich zudem auch zur Rechtsgültigkeit des Deutsch-Schweizer Übereinkommens aus dem Jahr 1892 geäußert, welches vorsieht, dass die Benutzung in einem Land auch als Benutzung in dem anderen Land gilt. Obwohl es nach Auskunft des EuGHs keine Möglichkeit gibt, diese Übereinkunft EU-rechtskonform auszulegen, könnte die Übereinkunft von deutschen Gerichten angewandt werden, solange die Behebung der Unvereinbarkeit nicht beseitigt worden ist, wozu Deutschland nach Art. AEUV Artikel 351 allerdings verpflichtet sei.
Im Lichte der Entscheidung des EuGHs muss Deutschland zudem seine zivilprozessualen Beweislastregeln in Verfallsverfahren ändern. Die Regel, wonach der Kläger bzw. Antragsteller die Beweislast trage und der Markeninhaber nur eine sekundäre Darlegungslast treffe, ist nicht konform mit dem Unionsmarkenrecht. Vielmehr treffe den Inhaber einer Marke die volle Beweislast, dass die Marke „ernsthaft benutzt“ worden sei, denn er sei am besten in der Lage, den Beweis für die konkreten Benutzungshandlungen zu erbringen.