Facebook spricht Deutsch – wer noch?
Nach OLG München ZUM-RD 2020, 364 können Facebook in Irland gerichtliche Schriftstücke auf Deutsch zugestellt werden. Lässt sich diese Auffassung, die auf bei Facebook in Irland verfügbaren Sprachkenntnissen deutscher Sprache beruht, verallgemeinern? Der Beitrag geht dieser Frage nach.
1. Ausgangspunkt des OLG München
Die Entscheidung betrifft die Frage, ob Facebook in Irland eine in Deutschland ergangene einstweilige Verfügung in deutscher Sprache zugestellt werden oder eine Übersetzung in eine andere Sprache (Englisch) verlangen kann. Der Senat stellt sich auf den Standpunkt, dass dafür ermittelt werden müsse, ob der Empfänger die Sprache, in der das Schriftstück, in diesem Falle eine einstweilige Verfügung, abgefasst ist, verstehe. Bei juristischen Personen sei dabei nach Auffassung des OLG München nicht allein auf die Sprachkenntnisse ihrer Organe, also etwa der Geschäftsführer, abzustellen, sondern auch auf die tatsächlich im Unternehmen vorhandenen und verfügbaren Fähigkeiten, auf die der Empfänger zumutbarer Weise zugreifen kann. Damit erweitert das OLG München signifikant die Möglichkeiten, internationalen Playern insbesondere im Bereich Social Media, gerichtliche und außergerichtliche Schriftstücke in deutscher Sprache zuzustellen.
Im konkreten Fall stützt sich das OLG München darauf, dass Facebook das Angebot vollständig in deutscher Sprache vorhalte und auch alle Vertragsunterlagen in deutscher Sprache zur Verfügung stellt. Die Nutzungsbedingungen sähen teilweise die Geltung deutschen Rechts und die Zuständigkeit deutscher Gerichte in Verbrauchersachen vor. Facebook war nicht damit erfolgreich zu argumentieren, dass kein Mitglied ihrer Rechtsabteilung in Irland die erforderlichen Sprachkenntnisse besäße, um ohne Unterstützung eines externen Beraters (gerichtliche) Schriftstücke auf Deutsch vollumfänglich zu verstehen oder das Unternehmen aktiv auf Deutsch zu verteidigen.
Das OLG München teilt zwar grundsätzlich die Auffassung, dass der Empfänger in der Lage sein müsse, die Bedeutung und den Umfang der für ihn im Ausland erhobenen Ansprüche tatsächlich und vollständig zu verstehen, so dass ihm eine Verteidigung möglich werde, aber insgesamt sei auch ein angemessener Ausgleich zwischen den Interessen der Parteien erforderlich, so dass bei einem Unternehmen der Größe Facebooks grundsätzlich davon ausgegangen werden könne, dass es einen Mitarbeiter gebe, der sich um rechtliche Auseinandersetzungen in deutscher Sprache umfassend kümmern könne. Verpflichte sich ein Unternehmen zur Vertragsabwicklung in einer bestimmten Sprache, bestehe die widerlegliche Vermutung, dass auch in einem Rechtsstreit Zustellungen in dieser Sprache vorgenommen werden dürften.
2. Fallgruppen der Zustellung deutschsprachiger Schriftstücke ins Ausland
Schon aus der Entscheidung des OLG München wird deutlich, dass sich nicht pauschal schlussfolgern lässt, in welchen Fällen und bei welchen Unternehmen eine Übersetzung entbehrlich ist. Die Interessenabwägung erfolgt auf der Grundlage des Einzelfalls und der Antragsteller, der sich darauf beruft, dass keine Übersetzung erforderlich sei, hat die jeweiligen Punkte glaubhaft zu machen.
Die zwei vom OLG München erarbeiteten Konstellationen gehen über bisher in der Rechtsprechung erörterte Konstellationen hinaus: Das OLG Frankfurt am Main befand 2015 (GRUR RR 2015, 183), dass es nicht ausreichend sei, dass überhaupt sprachkundige rechtlich bewanderte Mitarbeiter zur Verfügung stünden, sondern erwartet, dass deren Einschaltung in die konkrete Angelegenheit nach den gesamten Umständen auch erwartet werden könne, etwa wenn dieser Mitarbeiter schon vorher, etwa außergerichtlich, mit der Angelegenheit befasst gewesen sei.
Darüber hinaus sei zu erwarten, dass solche Schriftstücke an die Geschäftsleitung bzw. die Rechtsabteilung weitergeleitet würden. Sind dort entsprechende sprachliche Fertigkeiten vorhanden, ist eine Übersetzung des deutschen Schriftstücks nicht erforderlich.
Dies ist aber nach der nun vorliegenden Rechtsprechung des OLG München keine erforderliche Bedingung mehr, sondern nur eine hinreichende, da der Rückgriff auf weitere interne Quellen dem Empfänger auferlegt wird. Das vermeidet zufällige Ergebnisse, geht aber angesichts der Tatsache, dass die gesetzlichen Vorschriften auf Sprachkenntnisse des Empfängers abstellen, sehr weit.
Auch wenn sich der Bundesgerichtshof grundsätzlich eher skeptisch gegenüber Vermutungen und Indizien zeigt, aus denen auf Sprachkenntnisse rückgeschlossen wird, ist es zu begrüßen, dass die Rechtsprechung begründete tatsächliche Anhaltspunkte heranzieht, um international tätige Unternehmen auf ein nicht widersprüchliches Verhalten zu verpflichten. Dies entspricht auch gerade den gesetzlichen Vorschriften, jedenfalls der innerhalb der EU, Übersetzungen soweit wie möglich zu verhindern.