Gerichtsbarkeit des EPG
Bei den Zuständigkeiten des Einheitspatentgerichts (EPG) ist zu unterscheiden zwischen der internationalen Zuständigkeit des EPG, der sachlichen Zuständigkeit, der Zuständigkeit im Verhältnis zu Gerichten von Mitgliedstaaten in Bezug auf Bündelpatente sowie die Zuständigkeiten der einzelnen Kammer des Gerichts erster Instanz untereinander.
Internationale Zuständigkeit
Hinsichtlich der internationalen Zuständigkeit ist aus praktischer Sicht primär von Bedeutung, dass ein potenzieller Beklagter seinen Sitz nicht in einem Vertragsmitgliedstaat haben muss, um vor dem EPG wegen Patentverletzung (eines Bündelpatents oder Einheitspatents) verklagt werden zu können. Es genügt stattdessen auch, dass sich dessen Patentverletzung auf dem Gebiet eines Mitgliedstaates ereignet hat bzw. sich dort auswirkt.
Sachliche Zuständigkeit
Aus praktischer Sicht ist im Hinblick auf die sachliche Zuständigkeit primär von Bedeutung, dass das EPG für Verletzungsklagen, einstweilige Maßnahmen (insbesondere Unterlassung, Beweissicherung, etc.; siehe hierzu die entsprechende Übersicht), Klagen auf Feststellung der Nichtverletzung und Nichtigkeits(wider)klagen aus bzw. gegen Einheitspatente(n) und Bündelpatente(n) sowie jeweils hierauf bezogene SPCs (allerdings mit Ausnahmen für Bündelpatente während einer Übergangszeit, siehe sogleich) zuständig ist. Das EPG ist auch dann zuständig, wenn der Beklagte in Verletzungsverfahren den FRAND-Einwand geltend macht (wobei das EPG dabei das Recht der EU und die Rechtsprechung des EuGH anwenden und letzterem ggf. auch Fragen zur Entscheidung vorlegen muss).
Die Zuständigkeit für Nichtigkeits(wider)klagen gilt dabei unabhängig davon, ob gegen ein Einheitspatent Einspruch beim EPA eingelegt wurde. Das EPG kann die Nichtigkeits(wider)klage parallel hierzu führen oder das Verfahren aussetzen. Erklärt das EPA jedoch ein Patent rechtskräftig für nichtig, so ist dies auch für das EPG bindend.
Zuständigkeiten innerhalb des EPG
Sämtliche Klagen sind beim Gericht erster Instanz einzureichen. Gegen die Entscheidungen des Gerichts erster Instanz kann Berufung beim Berufungsgericht eingelegt werden. Das Berufungsgericht ist die letzte Instanz. Das Gericht erster Instanz ist unterteilt in die Zentralkammer sowie die sog. Lokal- und Regionalkammern. Die Vertragsmitgliedstaaten haben jeweils eine (oder im Falle Deutschlands vier) Lokalkammer(n); mehrere Vertragsmitgliedstaaten können sich stattdessen auch zusammenschließen und eine gemeinsame Regionalkammer bilden. Verletzungsklagen sind im Regelfall bei den Lokal-bzw. Regionalkammern einzureichen und können nur in bestimmten Fällen auch bei der Zentralkammer eingereicht werden. Siehe zu den Wahlmöglichkeiten den Artikel zum Forum Shopping.
Bei nationalen Gerichten verbleiben demgegenüber Streitigkeiten über die Inhaberschaft von Bündelpatenten/Einheitspatenten sowie Rechten von Arbeitnehmern auf Grundlage ihrer Erfindertätigkeit hieran. Im Übrigen sind nationale Gerichte natürlich auch weiterhin zuständig für Klagen aus bzw. gegen nationale Patente(n) sowie Gebrauchsmuster(n).
Bei Bündelpatenten besteht die Besonderheit, dass der Patentinhaber den sog. „Opt-out“ erklären kann (sofern das Patent innerhalb des Übergangszeitraums von mind. sieben Jahren ab in Krafttreten des EPG erteilt oder angemeldet wurde und sofern noch keine Klage betreffend dieses Bündelpatent vor dem EPG anhängig ist). Ist der Opt-out erklärt und wird er nicht zurückgezogen, so ist dieses Patent dauerhaft der Zuständigkeit des EPG entzogen. Wie bisher sind Verletzungsverfahren und (nach Ablauf der Einspruchsfrist) Rechtsbestandsverfahren dann in den Ländern zu führen, in denen das Bündelpatent validiert ist.
Verhältnis zu nationalen Gerichten
Ist der Opt-out nicht erklärt, haben Kläger in Bezug auf Bündelpatente ein Wahlrecht, ob sie vor ein nationales Gericht oder vor das EPG ziehen. Gegenwärtig ist im Schrifttum noch umstritten, auf welche Verfahrensarten sich dieses Wahlrecht erstreckt (nur Verletzungs- und Nichtigkeitsklagen oder auch negative Feststellungsklagen und einstweilige Maßnahmen) und inwiefern die Ausübung dieses Wahlrechts die Möglichkeit, vor das jeweils andere Gericht zu ziehen, im Einzelnen blockiert. Überwiegend wird davon ausgegangen, dass spätere Verfahren, die territorial nicht denselben Gegenstand haben wie frühere Verfahren, möglich bleiben bzw. das entsprechende Territorium auszuklammern ist (wird bspw. eine Verletzungsklage vor dem UPC geltend gemacht, können Nichtigkeitswiderklagen noch vor nationalen Gerichten geltend gemacht werden; wird eine Verletzungsklage vor einem nationalen Gericht eingereicht, so kann eine Verletzungsklage betreffend die übrigen Validierungen beim EPG eingereicht werden usw.). Es ist jedoch abzuwarten, wie sich das EPG und die nationalen Gerichte im Einzelnen hierzu positionieren werden.