Änderungen der Regeln 126 (2), 127 (2) und 131 (2) EPÜ betreffen die postalische und elektronische Zustellung durch das Europäische Patentamt (EPA) sowie die Berechnung von dadurch ausgelösten Fristen
Der Verwaltungsrat hat mit Beschluss vom 13. Oktober 2022 (CA/D 10/22) eine Änderung der Regeln 46, 49, 50, 57, 65, 82, 126, 127 und 131 der Ausführungsordnung zum Europäischen Patentübereinkommen (EPÜ) beschlossen. Die Änderungen betreffen unter anderem die Regeln 126 (2), 127 (2) und 131 (2) EPÜ, die die Zustellung durch Postdienste und durch elektronische Mittel sowie die Berechnung von Fristen, die durch die Zustellung eines Schriftstücks ausgelöst werden, behandeln. Die neuen Regeln 126 (2), 127 (2) und 131 (2) EPÜ treten am 1. November 2023 in Kraft und finden auf Schriftstücke Anwendung, die an oder nach diesem Datum durch Postdienste oder elektronische Mittel zugestellt werden.
Mit diesen Änderungen entfällt die bisherige in Regel 126 (2) EPÜ bzw. Regel 127(2) EPÜ vorgesehene Zustellungsfiktion von 10 Tagen, wonach ein Schriftstück am zehnten Tag nach dem auf dem Schriftstück genannten Datum als zugestellt gilt, die bei der Berechnung von durch die Zustellung von Mitteilungen des EPA ausgelösten Amtsfristen berücksichtigt wird. Stattdessen sehen die geänderten Regeln 126 (2) und 127 (2) EPÜ eine neue Zustellungsfiktion vor, wonach die postalische und die elektronische Zustellung am Datum des Schriftstücks als erfolgt gilt. Das EPA geht davon aus, dass die geänderte Zustellungsfiktion zu einer Vereinfachung für die Nutzer führen wird, weil damit die Zustellungsregelungen des EPÜ und des PCT stärker aneinander angeglichen werden.
Die geänderten Regeln 126 (2) und 127 (2) EPÜ regeln auch die Beweislast für Ausnahmefälle, in denen die Zustellung der Schriftstücke in Zweifel steht. In solchen Fällen wird das EPA wie bisher die Tatsache und den Tag des Zugangs nachweisen müssen. Wenn das EPA nicht nachweisen kann, dass ein Schriftstück den Empfänger innerhalb von sieben Tagen nach seinem Datum erreicht hat, so greift die so genannte „Absicherung“, wonach sich die betreffende Frist um eine diese sieben Tage überschreitende Anzahl von Tagen verlängert. Die allgemeinen Grundsätze für Fristverlängerungen gemäß Regel 134 EPÜ sind auch auf die Fristen anwendbar, die in Anwendung dieser „Absicherung“ neu berechnet werden.
Die geänderte Regel 131 (2) EPÜ stellt nun explizit auf den fiktiven Zugang der Schriftstücke als das eine Frist auslösende Ereignis ab, sofern nichts anderes bestimmt ist.
Die geänderten Regeln 126 (2), 127 (2) und 131 (2) EPÜ sollen dem Prinzip der unverzüglichen Zustellung in der digitalen Welt Rechnung tragen. Die EPA-Mailbox gilt als zuverlässiger Dienst, der allen zugelassenen Vertretern und Anmeldern in den EPÜ-Vertragsstaaten zur Verfügung steht und inzwischen (volumenmäßig) 99 % aller vom Amt erlassenen Schriftstücke abdeckt. Für Anmelder und Vertreter bedeuten die neuen Regeln 126 (2), 127 (2) und 131 (2) EPÜ eine Änderung der Praxis bei der Fristennotierung und damit einhergehend auch die Schulung von Mitarbeitern, insbesondere hinsichtlich der Handhabung von Ausnahmefällen, in denen die Zustellung der Schriftstücke in Zweifel steht, auch wenn diese in der täglichen Praxis wohl sehr selten vorkommen dürften.
Wichtige Links:
https://www.epo.org/law-practice/legal-texts/official-journal/2023/03/a29_de.html
https://www.epo.org/law-practice/legal-texts/official-journal/2022/11/a101_de.html