Kündigung des Deutsch-Schweizer Abkommens von 1892 – was Markeninhaber beachten müssen
Mit Wirkung zum 31. Mai 2022 hat Deutschland das „Übereinkommen zwischen der Schweiz und Deutschland betreffend den gegenseitigen Patent-, Muster- und Markenschutz“ von 1892 gekündigt. Dieses bilaterale Abkommen hatte für mehr als 100 Jahre für Erleichterungen für Inhaber von gewerblichen Schutzrechten in dem Territorium des jeweils anderen Vertragsteils gesorgt. Die genauen Hintergründe der Kündigung sind nicht bekannt, das Abkommen war allerdings bereits seit geraumer Zeit als nicht mehr zeitgemäß kritisiert worden.
Wegfall des Abkommens insbesondere für Markeninhaber bedeutsam
Der wichtigste praktische Anwendungsfall des Deutsch-Schweizer Abkommens lag im Bereich des Markenrechts und hier in erheblichen Erleichterungen bei dem Nachweis der rechtserhaltenden Benutzung von Marken im Fall von Angriffen auf den Rechtsbestand wegen fehlender rechtserhaltender Benutzung. Die Voraussetzung der rechtserhaltenden Benutzung einer Marke für die eingetragenen Waren und Dienstleistungen greift sowohl nach deutschem als auch nach Schweizer Markenrecht nach Ablauf von fünf Jahren nach Eintragung bzw. nach Ablauf der Widerspruchsfrist. Grundsätzlich werden hierbei nur solche Benutzungshandlungen als rechtserhaltend angesehen, die in dem jeweiligen Territorium – also bei deutschen Marken in Deutschland und bei Schweizer Marken in der Schweiz – erfolgten. Dieser Grundsatz war durch das Deutsch-Schweizer Abkommen insoweit modifiziert worden, als dass auch Benutzungshandlungen in dem Territorium der jeweils anderen Partei als rechtserhaltend anerkannt wurden. Es konnte also eine Schweizer Marke erfolgreich gegen einen Löschungsantrag wegen Nichtbenutzung verteidigt werden, die gar nicht in der Schweiz, dafür aber in Deutschland für die relevanten Waren und Dienstleistungen benutzt worden war und umgekehrt. Diese Durchbrechung des Territorialitätsgrundsatzes entfällt mit dem Wegfall des Deutsch-Schweizer Abkommens.
Zeitliche Relevanz
Der Wegfall des Deutsch-Schweizer Abkommens erfolgt ex-nunc, es erfolgt also keine rückwirkende Aufhebung des Abkommens. Wenngleich hier im Einzelnen noch vieles unklar ist, spricht einiges dafür, dass eine Berufung auf Benutzungshandlungen im Territorium der jeweils anderen Partei während des relevanten Zeitraums der vergangenen fünf Jahre nach wie vor möglich ist, jedoch eben nur mit Blick auf solche Benutzungshandlungen bis zum 31. Mai 2022. Volle Relevanz wird der Wegfall des Abkommens daher erst nach dem 31. Mai 2027 entfalten, wenn sämtliche Benutzungshandlungen in dem Territorium der jeweils anderen Partei aus dem Fünfjahreszeitraum herausfallen.
Folgen für die Markenstrategie
Inhaber von deutschen oder Schweizer Marken, die lediglich in dem jeweils anderen Land eine Benutzung vorweisen können, müssen sich auf eine Verschlechterung der Benutzungssituation einstellen. In diesem Zusammenhang ist insbesondere ratsam, das Markenportfolio auf mögliche Neuanmeldungen der entsprechenden Marken (soweit unter Gesichtspunkten von Wiederholungsanmeldungen zulässig) zu prüfen, um den Markenschutz abzusichern.