Rechtliche Ausgangslage
Mit der Durchsetzungsrichtlinie (Richtlinie 2004/48/EG) trug der europäische Gesetzgeber den Mitgliedstaaten auf, in Angelegenheiten des geistigen Eigentums Rechteinhabern die Möglichkeit einzuräumen, notfalls gerichtlich Auskunftsrechte nicht nur gegen die Verletzer von Schutzrechten selbst durchsetzen zu können, sondern auch gegen Plattformen, die für eine Schutzrechtsverletzung benutzt wurden.
Konkret schreibt Art. 8 Abs.1 c) und Abs.2 a) DurchsetzungsRL vor, dass von Personen, die nachweislich für rechtsverletzende Tätigkeiten genutzte Dienstleistungen in gewerblichem Ausmaß erbringen, Auskunft über „Name“ und „Adresse“ des Verletzers verlangt werden kann. Der deutsche Gesetzgeber hat diese Vorgabe in den verschiedenen Gesetzen zum geistigen Eigentum umgesetzt (z.B. § 101 Abs.2 Satz 1 Nr.2 UrhG, § 140b Abs.3 Nr.1 PatG, § 19 Abs.3 Nr.1 MarkenG, ua.), wobei er als Auskunftsgegenstand „Name“ und „Anschrift“ angibt.
Typisches Beispiel für eine Dienstleistung im soeben benannten Sinne ist die Bereitstellung einer Internetplattform, die Endnutzer für verschiedene Zwecke nutzen können, insbesondere um auf der Plattform eigene Inhalte einzustellen, namentlich also insbesondere die Videoplattform „YouTube“.
Häufig sind dem Anbieter der Plattform aber der „Name“ im Sinne des bürgerlichen Namens sowie die „Adresse“ bzw. die „Anschrift“ im Sinne der postalischen Anschrift des Nutzers, der geistiges Eigentum verletzt, nicht bekannt. Bestenfalls ist das Einstellen von Inhalten auf der Plattform nur über ein auf der Plattform angelegtes Nutzerkonto möglich, für dessen Anlegung Daten wie z.B. eine Email-Adresse angegeben werden müssen.
Fraglich ist also, ob „Name“ und „Adresse“ im Sinne des Art. 8 Abs.2 a) DurchsetzungsRL bzw. „Name“ und „Anschrift“ im Sinne der deutschen Umsetzungsgesetze auch andere Daten als der bürgerliche Name und die postalische Anschrift sein können.
Vorlage des BGH
Hiermit hatte sich der BGH in der Sache „YouTube-Drittauskunft“ (Beschluss vom 21. Februar 2019, Az. I ZR 153/17, abrufbar unter bundesgerichtshof.de) auseinanderzusetzen. Konkret ging es um die Frage, ob der Inhaber an Rechten eines Filmwerks, das von einem Nutzer rechtswidrig auf seinem YouTube-Account eingestellt worden war, von der Plattform verlangen kann, dass ihm diese die E-Mail-Adresse, die Telefonnummer sowie die dynamische IP-Adresse (einmal zum Zeitpunkt des Uploads und einmal die zuletzt bekannte) des Nutzers mitteilt. Der BGH erörtert hierzu verschiedene Argumente für und wider und verweist insbesondere auf die Möglichkeit, dass im Nachgang auf die Mitteilung gegen die Provider der E-Mail-Adresse und der Telefonnummer ein Anspruch auf Erteilung weitergehende Auskünfte, insbesondere des bürgerlicher Namens und der postalischen Anschrift, bestehen könnte.
Er erkennt aber schließlich an, dass es für die Beantwortung dieser Frage letztlich auf die Auslegung des Art. 8 Abs.2 a) DurchsetzungsRL ankommt und legt sie also dem EuGH vor.
Entscheidung des EuGH
Auch der EuGH (Urteil vom 7. Juli 2020, Rs. C-264/19, ECLI:EU:C:2020:542, abrufbar unter curia.europa.eu) wägt in seiner Entscheidung verschiedene Argumente ab, kommt aber schließlich zum Ergebnis, dass unter „Name“ und „Adresse“ tatsächlich nur der bürgerliche Name und die postalische Anschrift zu verstehen sind. Gleichzeitig überlässt er es den Mitgliedstaaten jedoch, unter Verweis auf den lediglich mindestharmonisierenden Charakter der Durchsetzungsrichtlinie sowie deren Art. 8 Abs.3 a), Rechteinhabern weitergehende Auskunftsrechte einzuräumen, solange dabei die verschiedenen einschlägigen Grundrechte sowie der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ausreichend berücksichtigt werden.
Wie wird der BGH entscheiden?
Rein rechtsdogmatisch sprechen jeweils gute Argumente für und gegen die vom BGH angedachte Erweiterung der Auskunftsrechte. Für eine Prognose darüber, wie der BGH tatsächlich entscheiden wird, lohnt daher ein Blick in die Vergangenheit: in einer früheren Entscheidung hatte der BGH „Name“ und „Adresse“ bereits weit ausgelegt und in Folge auch die sogenannte Benutzerkennung, die für die Auskunftserteilung bei Internetzugangsanbietern in Reseller-Konstellationen relevant ist, darunter gefasst (Urteil vom 13. Juli 2017, Az. I ZR 193/16).
Denkbar ist aber auch eine Differenzierung dahingehend, dass nur dynamische IP-Adressen von der Auskunft ausgenommen werden, insbesondere mit Blick auf die kürzlich ergangene „Bestandsdaten II“-Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, in dem dieses die besondere Grundrechtssensibilität dynamischer IP-Adressen noch einmal betont hat (Beschluss vom 27. Mai 2020, Az. 1 BvR 1873/13 und 1 BvR 2618/13, abrufbar unter bundesverfassungsgericht.de).
An die Entscheidung des BGH wird sich zudem die Frage anschließen, was der Rechteinhaber überhaupt mit den Auskünften anfangen kann, also insbesondere, ob er in Folge weitere Auskünfte von den Providern der Email-Adresse und der Telefonnummer sowie vom Internetzugangsanbieter verlangen kann. Auch hier sind zahlreiche rechtliche Fragen offen.
Fazit
Die Ermittlung personenbezogener Daten eines Rechteverletzers im Internet gestaltet sich schwierig. Gleichzeitig wird für die gerichtliche Rechtsdurchsetzung dessen bürgerlicher Name und dessen postalische Anschrift benötigt. Welche Serviceprovider welche Auskünfte erteilen müssen, ist weiterhin in vielen Aspekten ungeklärt. Die Entscheidung des BGH wird voraussichtlich zumindest einige hiervon aufklären.