In der Entscheidung Vorschaubilder III wendet der BGH die jüngste EuGH-Rechtsprechung zur Haftung von „Linking“ auf Suchmaschinen an. Die Entscheidung setzt sich insbesondere mit den Pflichten von Suchmaschinenbetreibern auseinander, nachdem diese Kenntnis von Urheberrechtsverletzungen erhalten. Ob Suchmaschinenbetreiber nach der Entscheidung auch auf „Delisting“ in Anspruch genommen werden können, ist bislang noch ungeklärt.
Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 21. September 2017, Aktenzeichen I ZR 11/16: „Vorschaubilder III“, hier abrufbar.
In der Entscheidung Vorschaubilder III wendet der Bundesgerichtshof (BGH) die neueste EuGH-Rechtsprechung zur Haftung in den sog. „Linking“-Fällen Svensson (C-466/12), GS Media (C-160/15), Filmspeler (C-527/15) und BREIN / Ziggo (C-610/15) auf Suchmaschinen an, hier im Konkreten auf die Bildersuche von Google. Der EuGH begründete die Haftung für Linksetzende in Fällen, in denen diese wussten oder hätten wissen müssen, dass die Verlinkung zu urheberrechtlich geschützten Inhalten führt, die der Öffentlichkeit ohne Zustimmung des Rechteinhabers zugänglich gemacht worden sind (EuGH, GS Media C-160/15, Rnr. 49). Der BGH interpretiert das Erfordernis des „Kennens oder Kennenmüssens“ eines Verstoßes gegen das Recht der öffentlichen Wiedergabe als flexibles Modell von Sorgfaltspflichten.
Hintergrund
In der Entscheidung ging es um einen Anspruch der Inhaberin ausschließlicher Rechte an bestimmten Erotikfotos gegen die Betreiberin einer Internetseite. Diese bot auf ihrer Website die Möglichkeit einer Bildersuche an, die allerdings nicht mit eigenen Inhalten versehen wurde, sondern lediglich über einen Link zur Bildersuche von Google führte. Die streitgegenständlichen Bilder konnten über die Google Bildersuche und damit auch über den beklagten Internetdienst aufgefunden werden. Zwischen den Parteien stand im Streit, ob die in Rede stehenden Bilder auf der Website der Klägerin frei zugänglich waren oder dort nur mit bestimmten Zugangsbeschränkungen zur Verfügung standen. Die Ergebnisse der Google Bildersuche selbst stammten von Websites, auf denen die Bilder widerrechtlich der Öffentlichkeit zugänglich gemacht worden waren.
Die BGH-Entscheidung
Der BGH wendet die neueste EuGH-Rechtsprechung zur unmittelbaren Haftung des Linksetzenden, insbesondere die Entscheidungen Svensson, GS Media, Filmspeler und BREIN / Ziggo, auf Suchmaschinen, speziell auf die Google Suchdienste an. In der vorgenannten Entscheidungsreihe hatte der EuGH die Voraussetzungen für die unmittelbare Haftung von Linksetzern in Fällen entwickelt, in denen eine Verknüpfung mit urheberrechtlich geschützten Inhalten erfolgte, die der Öffentlichkeit widerrechtlich zugänglich gemacht worden waren. Nach Auffassung des BGH fällt der streitgegenständliche Lebenssachverhalt in den Anwendungsbereich des vollständig harmonisierten Rechts der öffentlichen Wiedergabe gem. Art. 3 Abs. 1 Urheberrechtsrichtlinie 2001/29 (Rnr. 25).
Der Link des beklagten Internetdienstes auf die Bildsuche von Google sei eine „Kommunikation“ im Sinne der oben genannten Rechtsprechung des EuGH (Abs. 31). Folglich hatte der BGH zu beurteilen, ob es sich auch um eine „öffentliche“ Kommunikation handelte. Hier berief sich der BGH auf die EuGH-Entscheidungen GS Media und Filmspeler, wonach eine Kommunikation „öffentlich“ sei, wenn der Linksetzende „wusste oder hätte wissen müssen“, dass die Verlinkung zu widerrechtlich im Internet veröffentlichten Werken führte (siehe z. B. CJEU GS Media C -160/15, Abs. 49).
Der EuGH statuierte zudem eine widerlegliche Vermutung, wonach bei Vorliegen einer Gewinnerzielungsabsicht von positiver Kenntnis von der Rechtswidrigkeit der Veröffentlichung auszugehen sei. Diese hat der BGH in seiner Entscheidung übernommen (Rnr. 46). Bei kommerziellen Suchmaschinen sei grundsätzlich vom Vorliegen einer Gewinnerzielungsabsicht auszugehen. Folglich hatte die Beklagte die Beweislast dafür zu tragen, dass die streitgegenständlichen Bilder auf der Website der Klägerin ohne Zugangsbeschränkungen veröffentlicht worden waren. Der BGH bestätigte, dass im vorliegenden Fall (Bereitstellung ohne Zugangsbeschränkungen) keine öffentliche Wiedergabe, auch nicht durch illegale Angebote auf Webseiten Dritter, festgestellt werden kann. Dieser Fall sei jedoch eine Ausnahme von der Regel, dass jede öffentliche Wiedergabe grundsätzlich die Zustimmung des Rechteinhabers erfordert (Rnr. 48). Ihrer Beweislast in Bezug auf die freie Zugänglichkeit der Bilder auf der Website der Klägerin, kam die Beklagte nach Auffassung des BGH nicht in ausreichendem Maße nach. Daher könne sich die Beklagte nicht auf das Argument stützen, es sei keine neue Öffentlichkeit erreicht worden, da die Fotos bereits auf der eigenen Website der Klägerin frei zugänglich gemacht worden waren.
Dennoch ging der BGH nicht von einer „öffentlichen Wiedergabe“ durch die Beklagte im Sinne von Art. 3 Abs. 1 Urheberrechtsrichtlinie in Verbindung mit der Rechtsprechung des EuGH aus. Er entschied, die Beklagte habe keine positive Kenntnis gehabt und hätte auch nicht wissen müssen, dass der Link zu den Suchdiensten von Google zu rechtswidrigen Fotos geführt habe. Sie sei nicht in der Lage gewesen, die Zuwiderhandlung zu erkennen und hätte sie auch nicht vernünftigerweise erkennen müssen (Rnr. 53 ff.). Das Gericht führte eine Interessenabwägung durch, unter besonderer Berücksichtigung des Grundrechts der Meinungsfreiheit und Informationsfreiheit nach Art. 11 EU-Grundrechtecharta. Ohne Suchdienste sei eine sinnvolle Nutzung des Internets in der Praxis nicht möglich (Rnr. 56). Das Gericht betonte die Bedeutung und Funktion von Suchdiensten. Eine generelle Überprüfungspflicht aller indexierten Inhalte könne den Suchmaschinen nicht auferlegt werden, da eine solche in der Praxis nicht erfüllbar sei (Rnr. 61 ff.). Vielmehr müsse der Grundsatz für eine Suchmaschine wie folgt lauten: „In diesen Fällen muss positiv festgestellt sein, dass die Betreiber der Suchmaschine von einer fehlenden Zustimmung des Rechtsinhabers wussten oder hätten wissen müssen“ (Rnr. 63 ff.). Nur nach Kenntniserlangung von der Rechtswidrigkeit habe der Suchmaschinenbetreiber die Pflicht, die Rechtsverletzung abzustellen (Rnr. 67).
Interessant ist zudem, welche konkreten Pflichten der BGH nach der Benachrichtigung und Kenntniserlangung den Suchmaschinenbetreibern auferlegt:
- Wortfilter könnten ein geeignetes Hilfsmittel darstellen, selbst in Fällen in denen die verletzende Handlung dadurch nicht vollständig unterbunden werden kann (Rnr. 69).
- Der BGH hielt den Einsatz einer Bilderkennungssoftware für ein nicht verhältnismäßiges Werkzeug, da die Klägerin die tatsächliche technische Einsatzmöglichkeit solcher Software für Suchmaschinen nicht in ausreichender Weise darlegte (Rnr. 70).
- Durch das Herausnehmen der Bilder nach der Inkenntnissetzung wurden alle Bilder aus der Google-Suche gelöscht. Die Klägerin konnte nicht beweisen, dass danach diese Bilder weiterhin in der Suchmaschine erschienen (Rnr. 71).
Am Schluss der Entscheidung (Rnr. 72 ff.) beurteilt der BGH die Frage der Verantwortlichkeit nach den Grundsätzen der Störerhaftung und verneinte eine solche. Die Störerhaftung setzt grundsätzlich einen kausalen Beitrag zur Rechtsverletzung und eine Verletzung von Prüfpflichten voraus. Der BGH konnte im vorliegenden Fall keine Pflichtverletzung feststellen; er verweist auf seine Argumentation zur unmittelbaren Haftung wegen Verletzung des Rechts der öffentlichen Wiedergabe. Offensichtlich ist der BGH der Ansicht, dass beide Sorgfaltspflichtenkataloge (um unmittelbare Haftung und Störerhaftung zu begründen) parallel verlaufen.
Kommentar & Ausblick
Die EuGH-Rechtsprechung in Sachen GS Media, Filmspeler und BREIN / Ziggo begründet die unmittelbare Haftung für Linksetzende, die wussten oder hätten wissen müssen, dass der Link zu Inhalten führte, die der Öffentlichkeit rechtswidrig übermittelt wurden. Der BGH ist der Ansicht, die EuGH Rechtsprechung in GS Media, Filmspeler und BREIN / Ziggo gelte ebenso für Suchmaschinen.
Die Entscheidung zeigt, dass deutsche Gerichte bereit sind, die Kenntnisanforderungen von GS Media, BREIN / Ziggo und Filmspeler in einem flexiblen Sorgfaltspflichtenmodell anzuwenden.
Für Suchmaschinen gelten jedoch großzügigere Pflichten als für gewöhnliche Linksetzende. Dies ist auf die Anerkennung der Bedeutung von Suchmaschinen für die Grundrechte von Internetnutzern zurückzuführen. Suchmaschineninhaber müssen von einer Rechtsverletzung Kenntnis erlangen, bevor sie zu Handlungen verpflichtet sind. Nach der Benachrichtigung müssen sie einen Wortfilter anwenden. Der Schwellenwert für Filter zur Inhaltserkennung scheint höher zu sein; hier liegt die Beweislast in Bezug auf die Möglichkeit der Verwendung solcher Filter zur Erkennung von Inhalten beim Rechteinhaber.
Nach dem Urteil bleibt offen, ob die Pflichten auch ein Delisting umfassen können, insbesondere in Fällen, in denen eine betrügerische Website, die lediglich Links zu illegalen Inhalten herstellt, einer Suchmaschine gemeldet wird. Vieles spricht für eine solche Pflicht, denn der BGH stellte hier insbesondere die Pflichten der Suchmaschine bei deren Gutgläubigkeit heraus. Aus diesem Grund scheint es einen Gedanken wert zu sein, die BGH Rechtsprechung dazu zu nutzen, von Google das Delisting von strukturell rechtsverletzenden Websites aus der normalen Textsuche zu verlangen.