Umsetzung der EU-Geheimnisschutzrichtlinie – Regierungsentwurf veröffentlicht
Die Geheimnisschutzrichtlinie muss in nationales Recht umgesetzt werden. Nachdem der Referentenentwurf des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz ein geteiltes Echo in Industrie, Wissenschaft und unter Juristen hervorgerufen hat, hat der Gesetzgeber nun einen überarbeiteten Regierungsentwurf veröffentlicht, der zumindest an einigen Stellen die im Vorfeld diskutierten Punkte aufgreift. Wenn auch noch viele Fragen offen bleiben, können sich deutsche Unternehmen nun besser auf die Umsetzung der EU-Geheimnisschutzrichtlinie (Trade Secrets Directive) vorbereiten.
Begriff der „Angemessenen Geheimhaltungsmaßnahmen“ weiterhin unklar
Der deutsche Gesetzgeber hat davon abgesehen, den in der Richtlinie enthaltenen Begriff der „angemessenen Geheimhaltungsmaßnahmen“ im Gesetz näher zu definieren. Der Begriff der „angemessenen Geheimhaltungsmaßnahmen“ ist von zentraler Bedeutung, da eine Information nur dann ein Geschäftsgeheimnis darstellen kann, wenn sie Gegenstand von „angemessenen Geheimhaltungsmaßnahmen“ ist. Letztlich ist die Entscheidung des Gesetzgebers, hier auf eine Definition zu verzichten, nachvollziehbar: Schon die Richtlinie stellt klar, dass nach den Umständen des Einzelfalls zu bestimmen ist, welche Geheimhaltungsmaßnahmen jeweils angemessen sind.
Diese Einzelfallbeurteilung hat für Unternehmen Vor- und Nachteile. So sind für Geschäftsgeheimnisse, die einen vergleichsweise geringen Wert haben, auch nur vergleichsweise geringe Geheimhaltungsmaßnahmen erforderlich. Nachteilig ist jedoch, dass es in der Praxis kaum möglich sein dürfte, für jedes Geschäftsgeheimnis individuell Geheimhaltungsmaßnahmen zu bestimmen. Zudem werden bei der Angemessenheit von Geheimhaltungsmaßnahmen nicht nur der Wert eines Geschäftsgeheimnisses zu berücksichtigen sein, sondern auch andere Faktoren, wie etwa die Individualität des Geschäftsgeheimnisses und der Aufwand, der mit der Schaffung des Geschäftsgeheimnisses verbunden war.
So führt auch der Gesetzgeber in der Begründung des Regierungsentwurfes aus, dass die konkreten Arten von Geheimhaltungsmaßnahmen von der Art des Geschäftsgeheimnisses im Einzelnen und den konkreten Umständen der Nutzung abhängen. In Betracht kommen nach dem Gesetzgeber sowohl physische Zugangsbeschränkungen und Vorkehrungen, wie auch vertragliche Sicherungsmechanismen. Es ist nicht erforderlich, jede geheim zu haltende Information gesondert zu kennzeichnen, sondern es können grundsätzlich Maßnahmen für bestimmte Kategorien von Informationen ergriffen werden (siehe unten) oder durch allgemeine interne Richtlinien und Anweisungen oder auch in Arbeitsverträgen vorgegeben werden. Bei der Wertung der Angemessenheit der Schutzmaßnahmen können insbesondere der Wert des Geschäftsgeheimnisses und dessen Entwicklungskosten, die Natur der Information, die Bedeutung für das Unternehmen, die Größe des Unternehmens, die üblichen Geheimhaltungsmaßnahmen in dem Unternehmen, die Art der Kennzeichnung der Informationen und vereinbarte vertragliche Regelungen mit Arbeitnehmern und Geschäftspartnern berücksichtigt werden.
Kategorisierung von Geschäftsgeheimnissen empfehlenswert
Für Unternehmen bieten sich zwei Lösungsansätze an, um zu vermeiden, dass für jedes Geschäftsgeheimnis individuell Geheimhaltungsmaßnahmen bestimmt werden müssen: Zunächst ist es möglich, auf alle Geschäftsgeheimnisse solche Geheimhaltungsmaßnahmen anzuwenden, welche in Bezug auf das wertvollste Geschäftsgeheimnis angemessen sind. Dies kann allerdings in Bezug auf weniger wertvolle Geschäftsgeheimnisse zu unnötigem Aufwand und Verlangsamung von Arbeitsprozessen führen. Vorteilhafter erscheint uns daher, nach Analyse der bestehenden Geschäftsgeheimnisse mehrere Kategorien in Bezug auf die Werthaltigkeit und Schutzbedürftigkeit der Geschäftsgeheimnisse zu erarbeiten und für jede Kategorie entsprechende angemessene Geheimhaltungsmaßnahmen vorzusehen.
Prozessuale Sicherung von Geschäftsgeheimnissen
Von besonderem Interesse für Unternehmen sind zudem die Möglichkeiten, die im Regierungsentwurf zur Sicherung von Geschäftsgeheimnissen in gerichtlichen Verfahren vorgesehen sind. Diesbezüglich gibt es im Regierungsentwurf erfreuliche und weniger erfreuliche Regelungen, wobei der Gesetzgeber bereits einige im Referentenentwurf kritisierte Aspekte aufgenommen und korrigiert hat. So kann etwa das Gericht auf Antrag einer Partei Informationen als ganz oder teilweise geheimhaltungsbedürftig einstufen. Dennoch gelangen solche Informationen aber zur Kenntnis der anderen Partei, ihrer Anwälte und ggf. auch zur Kenntnis von Zeugen und Sachverständigen, die am Verfahren beteiligt sind. Es wäre wünschenswert, wenn der Gesetzgeber hier effektivere Maßnahmen vorsehen würde, um die Geheimhaltung von geheimhaltungsbedürftigen Informationen im Prozess zu erreichen.
Während der Referentenentwurf noch ein Ordnungsgeld von lediglich bis zu EUR 1.000,00 vorsah, welches drohen soll, wenn etwa die Gegenseite eine vom Gericht als geheimhaltungsbedürftig eingestufte Information nutzt oder offenlegt, hat der Gesetzgeber dies mittlerweile korrigiert und einen wesentlich angemesseneren Bußgeldrahmen von bis zu EUR 100.000,00 vorgesehen. Wenig erfreulich ist nach wie vor, dass das Unternehmen, dessen geheimes Know-how verletzt wurde, am Gerichtsstand des Verletzers klagen muss. Die Klage bei einem beliebigen Gericht oder bei einem Gericht, in dessen Bezirk die Verletzungshandlung eingetreten ist, ist nach dem Regierungsentwurf leider nicht möglich. Dies geht zum Vorteil der Rechtsverletzer und zum Nachteil der Verletzten.
Positiv ist, dass eine Art Vorverfahren vorgesehen ist, in welchem der Verletzte, dessen Geschäftsgeheimnisse ausspioniert oder offen gelegt wurden, prozessuale Geheimhaltungsmaßnahmen vor Zustellung einer Klage an die Gegenseite beantragen kann. Diese Möglichkeit sollte in jedem Fall genutzt werden, um den Schutz streitgegenständlicher Geschäftsgeheimnisse zu gewährleisten. Diese Möglichkeit des Vorverfahrens ist für den einstweiligen Rechtsschutz nicht vorgesehen. Es bleibt zu hoffen, dass der Gesetzgeber dies noch ändern wird.
Erfreulicherweise hat der Gesetzgeber im Regierungsentwurf den Auskunftsanspruch des Verletzten nun auch auf den „Weg“, den das Geschäftsgeheimnis bei seiner unerlaubten Weitergabe genommen hat, ausgedehnt.
Fazit
Der Gesetzgeber hat mit dem Regierungsentwurf zur Umsetzung der Geschäftsgeheimnisrichtlinie einige der im Rahmen der Veröffentlichung des Referentenentwurfs diskutierten Aspekte aufgegriffen und den Referentenentwurf noch einmal modifiziert. Dennoch bleiben noch viele Fragen offen, so dass in vielen Punkten der Regierungsentwurf für Inhaber von Know-how nicht zufriedenstellend ist. Es bleibt abzuwarten, wie der Regierungsentwurf des Gesetzes zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen aufgenommen wird.
Es ist nach dem aktuellen Stand damit zu rechnen, dass dieses Gesetz im Spätherbst 2018 in Kraft treten wird.
Wir werden das Gesetzgebungsverfahren weiter beobachten. In Deutschland tätige Unternehmen sollten spätestens jetzt beginnen, Geheimhaltungskonzepte auszuarbeiten und Klassifikationssysteme für Geschäftsgeheimnisse und die entsprechenden Geheimhaltungsmaßnahmen zu entwickeln und umzusetzen, um mit Inkrafttreten des Gesetzes im Spätherbst 2018 nicht wertvolle Know-how-Rechte zu verlieren.