Das Landgericht Köln bejaht die Urheberrechtsschutzfähigkeit von Sandalen
Im Rahmen eines einstweiligen Verfügungsverfahrens entscheidet das Landgericht Köln zugunsten eines Schuhherstellers und bejaht die Urheberrechtsschutzfähigkeit von Sandalen.
Das LG Köln hat mit Beschluss vom 30. Dezember 2021 im Rahmen eines einstweiligen Verfügungsverfahren vorläufig entschieden, dass insgesamt vier Sandalen-Modelle eines bekannten Schuhherstellers urheberrechtlichen Schutz genießen und von den Antragsgegnern, die ähnliche Schuhmodelle anbieten, nicht mehr angeboten bzw. in den Verkehr gebracht werden dürfen (vgl. Beschluss des LG Köln vom 30. Dezember 2021, Az. 14 O 419/21).
Entscheidung des Gerichts
Die Antragsgegner haben die streitgegenständlichen Schuhmodelle in ihrem Online-Shop angeboten und durch Versand an Käufer/innen in der Bundesrepublik Deutschland in den Verkehr gebracht. Durch einen Testkauf im Landgerichtsbezirk Köln wurde die Sache schließlich bei diesem Gericht anhängig.
Das Gericht ist davon ausgegangen, dass es sich bei den vier Sandalen-Modellen um urheberrechtlich geschützte Werke der angewandten Kunst gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 4 UrhG handelt. Die Kammer hat sich dabei maßgeblich auf die „Geburtstagszug“-Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 13. November 2013 (Az. I ZR 143/12) gestützt und ist davon ausgegangen, dass die Schuhmodelle jeweils eine Gestaltungshöhe erreichen, die Urheberrechtsschutz rechtfertigt. Hierzu heißt es in der Entscheidung wörtlich:
„Bei den als Gebrauchsgegenstand anzusehenden Schuhen der Antragstellerin sind über die von der Funktion vorgegebene Form hinaus jeweils eine erhebliche künstlerische Gestaltung zu erkennen.“
Das Gericht ist dabei davon ausgegangen, dass die Gestaltungen der Riemen bzw. der Schuhoberseite, der Sohle, der Dornschnalle, des Profils, des mehr oder minder unverkleideten seitlichen Sohlenschnitts, das Fehlen von Nähten und Verzierungen, die Linienführung sowie die jeweils divergierenden minimalistischen Formen ausreichend individuell und künstlerisch seien.
Die Antragstellerin hat nach Überzeugung des Verfügungsgerichts und unter Berücksichtigung eines Gutachtens glaubhaft machen können, dass der Schöpfer bei der Entwicklung einen bestehenden Gestaltungsspielraum genutzt habe, der sich ausreichend vom Marktumfeld zum Schöpfungszeitpunkt unterscheidet.
Schließlich ist das Gericht zu dem Ergebnis gelangt, dass es sich bei den angegriffenen Vervielfältigungsstücken um beinahe identische Kopien handelt, und zwar trotz der Anbringung unterschiedlicher Markenzeichen.
Das Gericht hat die beantragte einstweilige Unterlassungsverfügung ohne mündliche Verhandlung und trotz einer hinterlegten Schutzschrift erlassen. Die beantragte Anordnung einer Sicherheitsleistung wurde mit dem Argument zurückgewiesen, dass sich das Angebot der Antragsgegnerin nach eigener Aussage nicht an Kunden in der Bundesrepublik Deutschland richtet.
Fazit
Die Entscheidung bricht mit der bisherigen Praxis, wonach Modeschöpfungen nur im absoluten Ausnahmefall urheberrechtlichen Schutz genießen. Zwar hat die „Geburtstagszug“-Entscheidung des Bundesgerichtshofs ein Ende gemacht mit den unterschiedlichen Anforderungen an den Urheberrechtsschutz bei Werken der bildenden und angewandten Kunst, allerdings ist mehr als fraglich, ob Schuhmodelle, auch wenn diese über eine gewisse Bekanntheit verfügen, tatsächlich die Schwelle zum Urheberrechtsschutz überschreiten.
Nachdem es sich vorliegend „nur“ um ein einstweiliges Verfügungsverfahren handelt, ist nicht ausgeschlossen, dass das Oberlandesgericht Köln die Urheberrechtsschutzfähigkeit anders bewertet. Sofern der Fall in die Hauptsache geht, muss wahrscheinlich letztlich der Bundesgerichtshof hier das letzte Wort sprechen und darlegen, ob die Auslegung seiner Entscheidung aus dem Jahr 2013 und unter Berücksichtigung der inzwischen ergangenen EuGH-Rechtsprechung bei Modeschöpfungen wirklich so weit geht, wie das Landgericht Köln nun angenommen hat.