Im EU-Ausland werben, in Deutschland haften? – Neues zu grenzüberschreitenden Markenverletzungen
Die weltweite Abrufbarkeit von Angeboten und Bestellmöglichkeiten ist eine der großen Errungenschaften des Onlinehandels. Mit der Ausweitung der territorialen Reichweite kann allerdings auch eine Ausweitung der Haftung für die Verletzung von gewerblichen Schutzrechten einhergehen. Dies musste nunmehr der Betreiber eines Onlineshops im EU-Ausland vor dem OLG Frankfurt (Urteil vom 11. März 2021 – 6 U 273/19) erfahren.
Der Shopbetreiber hatte – zu einem Zeitpunkt, als das Vereinigte Königreich noch nicht aus der EU ausgetreten war – in seinem nordirischen Onlineshop ein Produkt unter der in Deutschland für identische Waren geschützten Marke MO beworben, wobei dieses Zeichen auf dem Produkt selbst oder seiner Verpackung nicht wiedergegeben war. Der Onlineshop war hierbei ausschließlich in englischer Sprache unter einer Adresse mit der Top-Level-Domain .co.uk abrufbar und als Währung war ausschließlich das britische Pfund angegeben. Allerdings warb der Shopbetreiber mit einem „weltweiten Versand“ der angebotenen Waren. Dies nutzte ein Testkäufer der Inhaberin der Marke MO und bestellte das in dem Onlineshop unter der Bezeichnung MO beworbene Produkt nach Deutschland, woraufhin der Shopbetreiber auch lieferte. Nachfolgend stritten die Markeninhaberin und der Shopbetreiber, ob allein die Lieferung des in dem nordirischen Onlineshop unter dem Zeichen MO beworbenen Produkts nach Deutschland eine Verletzung der deutschen Marke MO darstellte, wenn das Zeichen MO auf dem Produkt selbst oder seiner Verpackung gar nicht verwendet wurde.
Das Oberlandesgericht Frankfurt am Main hob eine anderslautende Entscheidung der ersten Instanz auf und erkannte eine Markenverletzung. Nach Auffassung der Richter war allein der Umstand, dass das auf der britischen Website beworbene Produkt nach Deutschland geliefert wurde, ausreichend, um einen hinreichenden „commercial effect“ für eine internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte und eine Markenverletzung in Deutschland zu begründen. Darauf, dass die streitgegenständliche Bezeichnung MO auf dem Produkt selbst oder seiner Verpackung gar nicht wiedergegeben war, schien es dem Gericht nicht anzukommen.
Die zwischenzeitlich rechtskräftige Entscheidung könnte den Ausgangspunkt einer Ausweitung der Haftung von Betreibern ausländischer Onlineshops in Deutschland darstellen. Zwar wurden Fallkonstellationen von Kennzeichenverletzungen durch grenzüberschreitende Verwendungshandlungen im Internet schon häufig in der Rechtsprechung thematisiert, jedoch hatte die Rechtsprechung sich bislang bemüht, hier eher enge Grenzen zu setzen. So wurde vom Bundesgerichtshof in mehreren Entscheidungen für die Bejahung eines „commercial effect“ eine deutliche Zielrichtung der rechtsverletzenden Handlungen auf die deutschen Verkehrskreise bzw. den deutschen Markt gefordert (BGH GRUR 2005, 431 – Hotel Maritime; GRUR 2021, 621 – Oscar), die sich unter anderem in einem Angebot in deutscher Sprache, unter Angabe deutscher Kontaktmöglichkeiten oder unter Akzeptanz deutscher Währung ausdrücken konnte. Es bleibt abzuwarten, inwiefern die jetzige Entscheidung des OLG Frankfurt hier einen Paradigmenwechsel einleitet. In jeden Fall sollten sich die Betreiber von Onlineshops im EU-Ausland ebenso wie Betreiber von deutschen Onlineshops, die EU-weit versenden, darüber im Klaren sein, dass der gemeinsame Binnenmarkt nicht nur gesteigerte Chancen auf Absatz, sondern auch gesteigerte Risiken von Kennzeichenverletzungen mit sich bringt, selbst wenn bei den angebotenen Waren selbst beispielsweise durch eine neutrale Produktaufmachung Maßnahmen zur Risikoreduzierung getroffen wurden.