Dr. Martin Schaefer kommentiert in GRUR das EuGH Urteil: Vergütungspflicht für gespeicherte Privatkopien geschützter Werke in der Cloud – Austro-Mechana/Strato

In der GRUR Ausgabe 8/2022, 558 vom 15. April 2022 kommentiert BOEHMERT & BOEHMERT Partner und Rechtsanwalt Dr. Martin Schaefer eine Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs vom 24.03.2022 – C-433/20 (Austro-Mechana/Strato) zur Vergütungspflicht für in der Cloud gespeicherte Privatkopien geschützter Werke.

Hintergrund ist der Rechtsstreit zwischen der österreichischen Schwestergesellschaft der GEMA, Austro-Mechana, und der deutschen Strato AG, einer Anbieterin von Cloud-Dienstleistungen, den das Oberlandesgericht Wien dem EuGH zur Vorabentscheidung zur Auslegung des Art. 5 II lit. b der InfoSoc-RL (2001/29) vorgelegt hatte.

In seiner Anmerkung zum Eu GH-Urteil in GRUR 2022, 558 kommentiert Dr. Martin Schaefer die Argumentation des EuGH, um dann in seinen Schlussfolgerungen Ideen für einen neuen Umgang mit der durch das EuGH-Urteil geschaffenen Situation zu präsentieren.

Nutzern von GRUR steht der Kommentar von Dr. Martin Schaefer hier zum Download zur Verfügung.

„Why Metadata Matters for the Future of Copyright“ – Dr. Martin Schaefer schreibt für das Fachmagazin European Intellectual Property Review

Metadaten sind in der Urheberrechtsbranche des 21. Jahrhunderts unabdingbar, um den Motor des Urheberrechts reibungslos und kraftvoll zum Vorteil von Urhebern, Nutzern sowie der ganzen Urheberrechtsbranche am Laufen zu halten. Doch Metadaten sind schwer zu beschaffen und noch schwerer auf dem neuesten Stand zu halten, da die Rechte an Inhalten zumeist vielschichtig, fragmentiert, international und darüber hinaus unbeständig sind. 

Mit einem Lösungsansatz für diese Herausforderung befasst sich BOEHMERT & BOEHMERT Partner und Rechtsanwalt Dr. Martin Schaefer in dem Artikel „Why Metadata Matters for the Future of Copyright“, der in der Ausgabe 08/2021 der „European Intellectual Property Review“ (E.I.P.R.) erschienen ist. Gemeinsam mit Co-Autor Prof. Dr. Norbert Gronau von der Universität Potsdam entwickelt Dr. Schaefer darin die Idee eines neutralen Instruments für die Suche und Verbesserung von Metadaten, das als Puffer dienen könnte, um die Interessen der Eigentümer proprietärer Datenbanken zu schützen und die Unzulänglichkeiten zentralisierter Datenbanken zu vermeiden. 

Angesichts diverser Bestrebungen der EU kommen die Autoren in ihrem Beitrag zu dem Schluss, dass es an der Zeit sei, das Konzept eines „Metadatensuch- und Anreicherungstools” auf eine neue Ebene zu heben. Nicht nur die Musikindustrie, sondern der Urheberrechtssektor insgesamt könnte davon profitieren. Große internationale öffentliche Organisationen – wie unter dem Dach der EU – wären prädestiniert für eine Umsetzung.

Von kommenden Dingen – was erwartet uns bei der jüngsten Urheberrechts­­­reform?

Bis zum 7. Juni 2021 müssen die EU-Richtlinie 2019/790 über das Urheberrecht und die verwandten Schutzrechte im digitalen Binnenmarkt in deutsches Recht umgesetzt sein. Für die breitere Öffentlichkeit ist sie nur mit dem Stichwort des „Uploadfilters“ verbunden. Tatsächlich besteht diese Richtlinie aus einem ganzen Bündel höchst unterschiedlicher Regelungskomplexe, von denen sich einige unmittelbar auf die tägliche Praxis von Unternehmen auswirken werden, die mit urheberrechtlich geschützten Werken oder Leistungen zu tun haben.

Einführung

Es ist noch nicht lange her, seit das Urheberrechtsgesetz zuletzt geändert wurde. Die zweite Reform des Urhebervertragsrechts datiert aus dem Jahr 2016, die Novelle zu Urheberrecht und Wissensgesellschaft von 2017 und die Umsetzung der Marrakesch-Richtlinie zugunsten von Menschen mit Seh- und Lesebehinderung von 2018. Gleichwohl kommt diese Rechtsmaterie nicht zur Ruhe. Für 2021 steht in Deutschland eine weitere Urheberechtsreform an. Mit ihr wird die sogenannte DSM-Urheberrechtsrichtlinie (2019/790) aus dem April 2019 über das Urheberrecht und die verwandten Schutzrechte im digitalen Binnenmarkt (daher die Abkürzung, die für ‚Digital Single Market‘ steht) in deutsches Recht umgesetzt. Die Zeit drängt: Bis zum 7. Juni 2021 muss die Umsetzung in Kraft treten.

Überblick zu den nach der Richtlinie in deutsches Recht umzusetzenden Regelungen

Obwohl diese Richtlinie im Grunde ein ganzes Bündel von Urheberrechtsrichtlinien mit höchst unterschiedlichen Regelungsbereichen darstellt, wurde sie in der Öffentlichkeit im Jahr vor ihrer Verabschiedung nur noch wegen der Debatte um den in Art. 17 der Richtlinie (im damaligen Entwurf noch Art. 13) enthaltenen sogenannten „Uploadfilter“ wahrgenommen. Tatsächlich war nur das Wort ‚Uploadfilter‘ neu. Die Regelung setzt nämlich eine bestehende Rechtslage in ein förmliches Gesetz um, welche die europäische und deutsche Rechtsprechung längst bindend formuliert hatte: die des ‚Notice- and Staydown‘ (so der EuGH erstmals bereits 2011 in Sachen C‑324/09 – L’Oréal / eBay, Rn. 131): Sie betrifft Betreiber von Online-Plattformen, auf denen Nutzer Inhalte hochladen können (die Richtlinie spricht von ‚Diensteanbietern für das Teilen von Online-Inhalten‘), also die YouTubes und Facebooks dieser Welt. Teilt ein Rechteinhaber dem Betreiber einer solchen Plattform eine Rechtsverletzung mit, die ein hochladender Nutzer begangen hat, muss der Betreiber nicht nur dafür sorgen, dass der Zugang zu solchen rechtsverletzenden Inhalten gesperrt wird, sondern ist auch verpflichtet, zu verhindern, dass gleichartige Inhalte neu hochgeladen werden.

Neben dem hochkontrovers gewordenen Art. 17 enthält die Richtlinie aber auch viel weniger in der Öffentlichkeit diskutierte, aber gleichwohl äußerst wichtige Regelungen, nämlich

  • zum ‚Text- und Data Mining‘ (TDM) in Art. 3 und 4,
  • zur Nutzung von Werken und sonstigen Schutzgegenständen für digitale und grenzüberschreitende Unterrichts- und Lehrtätigkeiten in Art. 5,
  • zur Erhaltung des Kulturerbes in Art. 6,
  • zur Nutzung vergriffener Werke in Art. 8 bis 11,
  • zur kollektiven Lizenzvergabe mit erweiterter Wirkung in Art. 12,
  • zur Zugänglichkeit und Verfügbarkeit audiovisueller Werke über Videoabrufdienste in Art. 13
  • zu Abbildungen gemeinfreier Werke der bildenden Kunst in Art. 14,
  • zu einem Leistungsschutzrecht für Presseverleger im Hinblick auf Onlinenutzungen in Art. 15,
  • zur Beteiligung von Verlegern an Vergütungsaufkommen für Reprografie und Privatkopien in Art.  16 sowie
  • zum Urhebervertragsrecht in Art. 18 bis 23.

Daneben ist noch eine weitere Richtlinie zeitgleich umzusetzen, die sogenannte CabSat-Richtlinie (2019/789), die sich mit der Ausübung von Urheberrechten und verwandten Schutzrechten in Bezug auf bestimmte Online-Übertragungen von Sendeunternehmen und die Weiterverbreitung von Fernseh- und Hörfunkprogrammen beschäftigt.

Zur Umsetzung in deutsches Recht:
Die „Plattformen für das Teilen von Online-Inhalten“

Während dieser Artikel erscheint, ist es noch unsicher, ob für alle Teile der Richtlinienumsetzung der Zeitplan zu halten sein wird. Genau wie in der europäischen Debatte um die Richtlinie, ist auch bei der deutschen Umsetzung der Komplex um die Haftung von Plattformen für das Teilen von Online-Inhalten der kontroverseste. Es ist noch nicht absehbar, wohin hier die Reise geht, da der gegenwärtig vorliegende Referentenentwurf versucht, weitestgehend ohne einen ‚Uploadfilter‘ auszukommen, obwohl die Richtlinie ihn eigentlich als Regel vorschreibt.

Hier wird insbesondere eine Rolle spielen, wie die (von der Richtlinie geforderten) neuen urheberrechtlichen Ausnahmen (Schrankenvorschriften) zugunsten von Parodien, Karikaturen und Pastiche (§ 51a UrhG-Entwurf) künftig mit den Haftungsregeln verknüpft werden.

Diese Neuregelungen haben große wirtschaftliche Bedeutung für Rechteinhaber und Plattformen gleichermaßen – sowohl was die Frage angeht, welche Nutzungen vom ihnen lizenziert werden können und welche gegen bloße gesetzliche Vergütungen frei genutzt werden dürfen als auch was die Haftung für nicht erlaubte Angebote betrifft.

Hier wird es für jeden Rechteinhaber künftig darum gehen, sich optimal auf die neue Situation einzustellen, um gegenüber Plattformnutzungen Dritter nicht wirtschaftlich auf der Strecke zu bleiben.

Zur Umsetzung in deutsches Recht – die übrigen Regelungsgegenstände

Dem gegenüber sind die meisten übrigen Regelungen wesentlich weniger kontrovers, zumal viele von ihnen bereits im geltenden deutschen Urheberrecht angelegt sind, so Regeln für die Nutzung im Rahmen der digitalen Unterrichts- und Lehrtätigkeit (§§ 60a und 60b UrhG), Text- und Datamining (§ 60d UrhG), Nutzungsbefugnisse von Kulturerbe-Einrichtungen wie Bibliotheken, Archive und Museen (§§ 60e und 60f UrhG), die Verlegerbeteiligung an gesetzlichen Vergütungsansprüchen (§ 63a UrhG, der seit einer Entscheidung des BGH in Sachen I ZR 198/13 – Verlegerbeteiligung faktisch leerläuft) oder Vergriffene Werke (§§ 51 und 52 VGG), obwohl in jedem dieser Felder die sich abzeichnenden Änderungen bei den jeweils interessierten Kreisen für große Diskussionen gesorgt haben.

Der merkwürdige Fall des Leistungsschutzrechts für Presseverleger

Dies gilt auch für das Leistungsschutzrecht des Presseverlegers (§ 87f bis 87h UrhG), das zwar bereits seit 2013 im deutschen Gesetz verankert ist, aber kürzlich vom Europäischen Gerichtshof in der geltenden Form für nichtig erklärt wurde (in der Rechtssache C‑299/17), weil es Deutschland seinerzeit versäumt hatte, die EU offiziell über das Gesetzgebungsprojekt zu informieren. Hier kommt es also zu der merkwürdigen Situation, dass eine in Deutschland bereits bestehende, wenn auch bis heute praktisch weitgehend leerlaufende Regelung wegen eines Verstoßes gegen EU-Recht vom EuGH abgeschafft wird, nur um sie sofort anschließend aufgrund einer Vorgabe des EU-Gesetzgebers in neuer Form wieder einführen zu müssen.

Die „kollektive Lizenzvergabe mit erweiterter Wirkung“

Es geht hier um eine Rechtsfigur, die nicht zwingend ein deutsches Recht umzusetzen gewesen wäre. Einmal mehr hat sich im urheberrechtlichen Jargon statt des ziemlich sperrigen deutschen Wortlauts die Abkürzung ‚ECL‘ nach dem Wortlaut der englischen Fassung durchgesetzt (Extended Collective Licensing). Das Modell stammt aus dem skandinavischen Rechtskreis und hat sich dort im selben Bereich entwickelt, in dem hier in Deutschland mit gesetzlichen Vergütungsansprüchen gearbeitet wird, zum Beispiel bei der Vergütung der Privatkopie. Von ECL spricht man, wenn eine Verwertungsgesellschaft von Gesetzes wegen auch die Rechte derer wahrnehmen darf, die gar keinen Wahrnehmungsvertrag mit ihr unterzeichnet haben. Tatsächlich kennen wir in Deutschland ähnliche Regeln im Bereich der gesetzlichen Vergütungsansprüche. Macht eine Verwertungsgesellschaft solche Ansprüche geltend, wird auch nach geltendem deutschen Recht (§ 49 VGG) vermutet, dass sie die Rechte aller Rechteinhaber wahrnimmt. Nach dem Referentenentwurf soll nun zusätzlich auch noch ECL in Deutschland eingeführt werden, und zwar im Zusammenhang mit der Lizenzierung von Plattformen für das Teilen von Online-Inhalten, weil dort nach der Richtlinie eine gesetzliche Vergütung ausgeschlossen ist. Der europäische Gesetzgeber hat jedoch genau aufgrund der Gefahr, dass ECL in die freie und individuelle Rechtsausübung eingreift, der Anwendung dieses Modells sehr enge Grenzen gesetzt. Es wird sich erst noch zeigen müssen, ob die sich abzeichnende gesetzgeberische Lösung für Deutschland diesen Anforderungen standhält. Hier werden Rechteinhaber besonders wachsam sein müssen.

Vorsicht bei Verträgen über urheberrechtlich geschützte Werke und Leistungen

Der große und bedeutende Komplex zum Urhebervertragsrecht beruht zu weiten Teilen auf dem Vorbild des deutschen Rechts (§§ 32 bis 41 UrhG), geht aber in Teilen sogar noch darüber hinaus, sodass hier alle Unternehmen, die urheberrechtlich geschützte Werke und Leistungen aufgrund von Verträgen nutzen, überprüfen sollten, welche neuen gesetzlichen Verpflichtungen künftig auf sie zukommen werden, denn einige Verpflichtungen beziehen sich auch auf bestehende Verträge und unter bestimmten Voraussetzungen sogar auch auf solche, für welche die Parteien sich auf ein nicht europäisches Vertragsrecht geeinigt haben.

Fazit

Ein halbes Jahr vor Ablauf der Frist ist noch nicht klar, wie es mit der deutschen Umsetzung weitergehen wird. Wesentliche Weichen werden erst jetzt gestellt. Daher ist für alle Unternehmen, deren Geschäft Berührungspunkte mit dem Urheberrecht aufweist, äußerste Wachsamkeit geboten. Es wird für sie nicht zuletzt darum gehen, sich administrativ auf die geänderten Anforderungen – insbesondere des Urhebervertragsrechts – einzustellen. Angesichts der immensen wirtschaftlichen Bedeutung, die inzwischen die Plattformen für das Teilen von Online-Inhalten besitzen, werden vor allem Unternehmen, die mit urheberrechtlich geschützten Inhalten umgehen, auch die Auswirkungen der neuen Regelungen zu diesem Bereich auf bestehende Geschäftsmodelle bewerten müssen. Dies wird jeweils eine Analyse im Einzelfall erfordern.

Neuer GRUR Artikel „Die digitale Privatkopie im Zeitalter der Exception based Business Models“ von Dr. Martin Schaefer

In der Ausgabe 12/2020 der „GRUR – Zeitschrift der Deutschen Vereinigung für gewerblichen Rechtsschutz und Urheberrecht“ nimmt BOEHMERT & BOEHMERT Rechtsanwalt Dr. Martin Schaefer zwei Urteile des Bundesgerichtshofs zum Anlass, den Blick auf Geschäftsmodelle zu richten, mit denen Schranken des Urheberrechtsgesetzes kommerziell nutzbar gemacht werden. 

Unter dem Titel „Die digitale Privatkopie im Zeitalter der Exception based Business Models“ behandelt Dr. Schaefer in seinem Artikel den gegenwärtigen Stand der deutschen Rechtsprechung zum Thema und plädiert dafür, derartige Geschäftsmodelle künftig genauer als bislang auf ihre Vereinbarkeit mit den Anforderungen des EU-Rechts zu untersuchen. 

Der Beitrag ist in der gedruckten Ausgabe der GRUR oder für Abonnenten von Beck-Online dort unter der Fundstelle GRUR 2020, 1248 verfügbar.

„Why Metadata Matters for the Future of Copyright” – Artikel von Dr. Martin Schaefer auf dem Kluwer Copyright Blog

Zunehmend setzt sich die Erkenntnis durch, dass für das Funktionieren des Markts urheberrechtlich geschützter Inhalte Metadaten das Schmieröl sind, das den Motor zum Laufen bringt. Bislang sind alle Projekte von Zentraldatenbanken gescheitert. Der Grund liegt in der Instabilität der Metadaten. Gibt es eine Lösung für das Problem? 

BOEHMERT & BOEHMERT Rechtsanwalt Dr. Martin Schaefer untersucht diese Frage in seinem Blogartikel „Warum Metadaten für die Zukunft des Urheberrechts von Bedeutung sind“ und beschreibt als möglichen Ansatz eine „Metadaten-Suchmaschine“ als dezentrales, nicht-kommerzielles Open-Source-Tool zur Recherche und Anreicherung von Metadaten. Dieser Blog-Post ist in englischer Sprache im bekannten Kluwer Copyright Blog unter dem Titel „Why Metadata Matter for the Future of Copyright” erschienen und hier in voller Länge abrufbar. 

Über den Kluwer Copyright Blog
Der Kluwer Copyright Blog ist eine Veröffentlichung von Kluwer Law International mit Informationen und Neuigkeiten zum europäischen Urheberrecht. Er wird von einer Gruppe führender Experten, bestehend aus praktizierenden Juristen und Akademikern, zusammengestellt, um über die neuesten Entwicklungen zu berichten.

„No General Third Party Effect!“ – Kommentar von Dr. Martin Schaefer zur DSM-Richtlinie auf dem Portal von CCC

Bis Anfang Juni 2021 muss die EU-Richtlinie zum „Digital Single Market“ (DMS) in deutsches Recht umgesetzt werden. Gegenstand der umstrittenen Richtlinie ist das Urheberrecht im digitalen Binnenmarkt und damit ein ganzes Bündel an Gesetzgebungsfragen, die von Text- und Data-Mining über Ehrhaltung des kulturellen Erbes bis hin zum Urhebervertragsrecht reichen. 

Im besonderen Fokus steht dabei der Artikel 17 der DMS-Richtlinie und damit die Rolle von Online Content Sharing Service Providers (OCSSP) – Anbietern von Online-Diensten für nutzergenerierter Inhalte wie YouTube, Facebook, Instagram und Co.

Die Richtlinie ist für die breite Öffentlichkeit verbunden mit der Debatte um den sogenannten „Upload-Filter“, was nichts anderes ist als die seit vielen Jahren als „Notice-and-Staydown“ bekannte und völlig ohne Probleme praktikzierte Routine. Es geht aber auch um lizenztechnische Fragen: Wer braucht eine Lizenz im Zusammenhang mit solchem nutzergenerierten Content und wer nicht? 

In seinem Blogartikel „No General Third Party Effect!“ (Keine allgemeine Drittpartei-Wirkung) auf dem Portal des Unternehmens „Copyright Clearance Center“ liefert BOEHMERT & BOEHMERT Rechtsanwalt Dr. Martin Schaefer Antworten und verweist auf altbekannte Strukturen, die im neuen Umfeld unverändert Bestand haben.

Lesen Sie hier den vollständigen Artikel in englischer Sprache! 

Über CCC
Das Copyright Clearance Center (CCC) ist nach eigenen Angaben ein weltweit führendes Unternehmen im Bereich der freiwilligen kollektiven Lizenzierung und Förderer des Urheberrechts. Seit mehr als 40 Jahren setzt das Unternehmen mit seinen Lizenzierungslösungen und Services Standards für einen effizienten globalen Markt.

Der europäische Werk­begriff im Urheberrecht gewinnt weiter Kontur

Ausgerechnet der Werkbegriff ist in keiner der vielen Richtlinien der EU zum Urheberrecht definiert. In den letzten Jahren hat ihn dafür der EuGH für sich entdeckt, und zwar als „autonomen Begriff des Unionsrechtes“, der unionsweit einheitlich auszulegen und anzuwenden sei. In seiner Entscheidung C-683/17 – Cofemel zieht der EuGH die Summe seiner bisherigen Überlegungen und verabschiedet sich von der „ästhetischen Wirkung“ als Schutzkriterium.

Der Weg zum europäischen Werkbegriff

Dem EuGH waren bislang stets Grenzphänomene zur Beurteilung vorgelegt worden, und so hat er sich sozusagen vom Rand zur Mitte des Begriffs vorgearbeitet. Das erste Urteil in der Reihe war die Entscheidung C-5/08 – Infopaq, von 2009, bei dem es um die Schutzfähigkeit eines aus 11 Wörtern bestehenden Auszugs aus einem geschützten Werk ging (die der EuGH bejahte). In der Sache C-145/10 – Painer aus dem Jahre 2011 beschäftigte er sich dann erstmals ausführlicher mit dem Konzept des bei der Gestaltungsaufgabe eröffneten Spielraums, und zwar am Gegenstand der Porträtfotografie. Dieses Erfordernis der Originalität, mit der ein Urheber seine schöpferischen Fähigkeiten in eigenständiger Weise zum Ausdruck bringt, indem er freie und kreative Entscheidungen trifft, hat er dann in Sachen C-604/10 – Football DataCo – weiter ausgeführt. Solche Originalität sei stets ausgeschlossen, falls technische Erwägungen, Regeln oder Zwänge für eine Gestaltung bestimmend sind, die für die künstlerische Freiheit keinen Raum lassen.

Um die interessante Frage, ob der Geschmack eines Käses Werkschutz im Sinne des Urheberrechtes genießen könnte, ging es dann in der Sache C-310/17 – Levola Hengelo – aus dem Jahre 2018. Die Schutzfähigkeit scheiterte letztlich daran, dass im Fall des Geschmacks eines Lebensmittels, im Unterschied zu beispielsweise einem literarischen, bildnerischen, filmischen oder musikalischen Werk, die Identifizierung im Wesentlichen auf Geschmacksempfindungen und ‑erfahrungen beruht, die subjektiv und veränderlich sind. Es fehlte dem EuGH hier an der intersubjektiven Konkretisierbarkeit des Schutzgegenstands. Gleichwohl hat er es nicht nehmen lassen, in dieser Sache die schöpferischen Anforderungen an ein Werk knapp zusammenzufassen. Demnach müssen zwei Voraussetzungen  kumulativ erfüllt sein: „Zum einen muss es sich bei dem betreffenden Objekt um ein Original in dem Sinne handeln, dass es eine eigene geistige Schöpfung seines Urhebers darstellt (…). (Rn. 36) Zum anderen ist die Einstufung als „Werk“ im Sinne der Richtlinie 2001/29 Elementen vorbehalten, die eine solche geistige Schöpfung zum Ausdruck bringen (…).“ (Rn. 37)

Prallt der „Geburtstagszug“ des BGH auf die Cofemel-Entscheidung des EuGH?

Hierauf baut der EuGH nun in seiner Entscheidung in der Sache C-683/17 – Cofemel vom 12. September 2019 auf. Sie betrifft Kleidungsmodelle, also den Bereich der Angewandten Kunst. Für solche Werke galt in Deutschland jahrzehntelang eine höhere Schwelle für den Urheberschutz, um einen konkurrierenden Urheber- und Geschmacksmusterschutz zu verhindern. Diesen Sonderweg gab der BGH unter dem Druck der europäischen Entwicklung des Designrechts bereits 2014 seiner Entscheidung I ZR 143/12 – Geburtstagszug (GRUR 2014, 175) auf.  Dies bekräftigt der EuGH nunmehr ausdrücklich in Rn. 45 der Cofemel-Entscheidung. Es gelte der Grundsatz des kumulativen Schutzes als Muster oder Modell zum einen und nach dem Urheberrecht zum anderen.

In seiner Geburtstagszug-Entscheidung schloss der BGH seine Ausführungen in Rn. 41 wie folgt:

„Auch wenn bei Werken der angewandten Kunst keine höheren Anforderungen an die Gestaltungshöhe eines Werkes zu stellen sind als bei Werken der zweckfreien Kunst, ist bei der Beurteilung, ob ein solches Werk die für einen Urheberrechtsschutz erforderliche Gestaltungshöhe erreicht, zu berücksichtigen, dass die ästhetische Wirkung der Gestaltung einen Urheberrechtsschutz nur begründen kann, soweit sie nicht dem Gebrauchszweck geschuldet ist, sondern auf einer künstlerischen Leistung beruht (…). Eine eigene geistige Schöpfung des Urhebers setzt voraus, dass ein Gestaltungsspielraum besteht und vom Urheber dafür genutzt wird, seinen schöpferischen Geist in origineller Weise zum Ausdruck zu bringen (…) Darüber hinaus ist zu beachten, dass eine zwar Urheberrechtsschutz begründende, gleichwohl aber geringe Gestaltungshöhe zu einem entsprechend engen Schutzbereich des betreffenden Werkes führt.“

Dem scheint nun der EuGH in seiner Cofemel-Entscheidung zu widersprechen. Der Umstand, so der EuGH in Rn. 51 des Urteils, dass die in Rede stehenden Bekleidungsmodelle über ihren Gebrauchszweck hinaus einen eigenen, ästhetisch markanten visuellen Effekt hervorrufen, könne es nicht rechtfertigen, solche Modelle als „Werke“ im Sinne der Richtlinie 2001/29 einzustufen. Dies spiegelt das „anti-subjektive“ Argument aus der Entscheidung Levola zum Käsegeschmack.

Nach dem EuGH allein maßgeblich sei vielmehr die oben wiedergegebene Definition des autonomen Werkbegriffs des Unionsrechts mit seinen beiden kumulativ erforderlichen Elementen, nämlich der „eigenen geistigen Schöpfung“ und des „nicht ausschließlich durch Vorgaben oder Technik bestimmten Schaffens“ (Rn. 29 bis 31 des Urteils).

Dass nach der Cofemel-Entscheidung eine ästhetische Wirkung als schutzbegründendes Merkmal künftig irrelevant ist, bedeutet aber nicht, dass die gerade zitierte Position des BGH in Sachen Geburtstagszug revidiert werden müsste, denn auch er stützte sich bereits auf den neuen Werkbegriff des EuGH. Dass die ästhetische Wirkung eines Gegenstands den Schutz begründe, scheint – dem missverständlichen Ausdruck in der zitierten Passage zum Trotz – auch der BGH nicht zu postulieren. Er erwähnt die ästhetische Wirkung eher in dem Sinne, dass sie die erwünschte Folge der individuellen Ausübung künstlerischer Freiheit sei (etwas in der Art sagt auch der EuGH in Rn. 54 seiner Entscheidung).

In Rn. 35 des Urteils sagt der EuGH dann noch etwas weiteres, das auf den ersten Blick der Position des BGH zu widersprechen scheint: Wenn ein Gegenstand die Anforderungen des autonomen Werkbegriffs erfüllt, hänge der Umfang dieses Schutzes nicht vom Grad der schöpferischen Freiheit seines Urhebers ab und sei daher auch bei einem Gegenstand mit geringer Gestaltungsfreiheit nicht geringer als derjenige, der auch sonst allen unter die Richtlinie fallenden Werken zukommt. Hatte nicht der BGH geurteilt, dass eine geringe Gestaltungshöhe einen entsprechend engen Schutzbereich bedeute?

Auch hier hatte der BGH jedoch die vom EuGH nun gezogene Grenzlinie bereits beachtet, denn er reduziert nicht etwa den materiellen Schutzumfang, sondern betont lediglich, dass in einem Bereich, in dem vieles vorgegeben ist, mithin also die Individualität nur über geringen Spielraum innerhalb der Vorgaben verfügt, auch alle anderen, die nach denselben Vorgaben arbeiten, ähnliche Ergebnisse erzielen werden.

Der Schöpfer eines vierrädrigen Kinderwagens darf also – so sind BGH und EuGH gleichermaßen zu verstehen – nicht anderen Schöpfern verbieten, vierrädrige Kinderwagen zu entwerfen, soweit sich deren vierrädrige Kinderwägen jeweils als individuelle Gestaltungen voneinander abheben.

Bleibt noch die Frage nach der für den Urheberrechtsschutz erforderlichen Gestaltungshöhe angesichts des parallelen EU-Designschutzes. Der EuGH äußert sich hier etwas sibyllinisch, wenn er in Rn. 51f. sagt: „Aus diesen Gründen darf (…) die Gewährung urheberrechtlichen Schutzes für einen als Muster oder Modell geschützten Gegenstand nicht dazu führen, dass die Zielsetzungen und die Wirksamkeit dieser beiden Schutzarten beeinträchtigt werden. Daraus folgt, dass der Schutz von Mustern und Modellen und der mit dem Urheberrecht verbundene Schutz nach dem Unionsrecht zwar kumulativ für ein und denselben Gegenstand gewährt werden können, diese Kumulierung jedoch nur in bestimmten Fällen infrage kommt.“ Daraus könnte man folgern, dass an die „eigene geistige Schöpfung“ keine zu geringen Anforderungen gestellt werden dürfen, um zu verhindern, dass der Designschutz vom Urheberrechtsschutz komplett überlagert wird. Diese für die Praxis enorm wichtige Frage wird mit Sicherheit wieder die Gerichte beschäftigen.

Ausblick

Ein weiteres Mal überformt die Rechtsprechung des EuGH durch die Definition „autonomer Begriffe des Gemeinschaftsrechts“ die nationale Gesetzgebung und Spruchpraxis.

Angesichts der offenen Formulierung des § 2 UrhG ist es zum Werkbegriff zwar noch zu keinem Konflikt der europäischen Rechtsprechung mit deutschem gesetztem Recht gekommen, doch hat die europäische Rechtsentwicklung den BGH bei dessen Auslegung inzwischen schon mehrfach zu Änderungen teils jahrzehntelang etablierter Rechtsprechung gezwungen. Dies wird allerdings nach der jüngsten Entscheidung des EuGH in Sachen Cofemel wahrscheinlich nicht erforderlich sein.

Dr. M. Schaefer kommentiert Urheberrecht im „Wandtke/Bullinger“ in 5. Auflage

Wie in den Vorauflagen hat BOEHMERT & BOEHMERT-Rechtsanwalt Dr. Martin Schaefer in der überarbeiteten 5. Auflage des jetzt erschienenen „Praxiskommentar zum Urheberrecht“ von Wandtke/Bullinger (Hrsg.), den Bereich des Tonträgerherstellerrechts im UrhG kommentiert. Der Wandtke/Bullinger gilt durch seine stark anwendungsbezogene Umsetzung als ausgewiesener Praktikerkommentar.

Das Werk kann über den Beck Verlag hier bezogen werden.

Wandtke/Bullinger (Hrsg.), Praxiskommentar zum Urheberrecht, 5. Auflage, München 2019, 5., neu bearbeitete und erweiterte Auflage 2019. ISBN 978-3-406-71159-6

Das deutsche Leistungs­schutzrecht für Pressever­leger vor dem Europäi­schen Gerichtshof

Die Stellungnahme des Generalanwalts im Rechtsstreit VG Media/Google (C-299/17) und Hintergrundinformationen
Ende 2018 veröffentlichte Generalanwalt Hogan seine Stellungnahme, dass das neu geregelte deutsche Leistungsschutzrecht (LSR) für Presseverleger aus formalen Gründen nicht durchsetzbar sei. Seiner Ansicht nach hätte die nationale Gesetzesänderung der Europäischen Kommission durch Notifizierung vorgelegt werden müssen, bevor das Gesetz in Deutschland verabschiedet wurde. Das letzte Wort hat nun der Europäische Gerichtshof (EuGH).

Das neue Leistungsschutzrecht für Presseverleger in Deutschland

Am 1. August 2013 trat in Deutschland ein neues LSR zugunsten von Presseverlegern in Kraft. § 87f bis § 87h des Urheberrechtsgesetzes (UrhG) gewährt Presseverlegern ein Leistungsschutzrecht. Ziel der neuen Bestimmungen ist es, den Presseverlegern die Kontrolle über die nicht lizenzierte Online-Nutzung ihrer Inhalte durch Dritte, insbesondere Suchmaschinen, zu geben. Damit sollen zusätzliche Einnahmequellen aus dem Internet erschlossen werden, weil die Erlöse aus konventionellen Vertriebswegen im digitalen Zeitalter stark rückläufig sind.

In der Regel liegt das Recht beim Verleger des jeweiligen Presseerzeugnisses. Das LSR gewährt den Presseverlegern das ausschließliche Recht, Presseerzeugnisse oder Teile davon der Öffentlichkeit für kommerzielle Zwecke zur Verfügung zu stellen, wenn die Verwendung nicht nur aus „einzelne(n) Wörter(n) oder kleinste(n) Textausschnitte(n)“ (§ 87f Absatz 1 Satz 1 UrhG) besteht. Das Recht greift nur, wenn Presseerzeugnisse oder Teile davon durch kommerzielle Betreiber von Suchmaschinen oder von Diensten, die Bearbeitungen an dem Inhalt vornehmen, der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden. Auf diese Weise wurde das Recht gezielt auf den Schutz der Verleger vor kommerziellen Diensten wie z.B. Suchmaschinen ausgerichtet, wenn diese mehr als einzelne Wörter oder kleinste Textausschnitte nutzen. Darüber hinaus unterliegt das Recht den üblichen Ausnahmen und Beschränkungen des allgemeinen Urheberrechts, wie z. B. dem Zitatrecht. Die Schutzdauer des LSR für Presseverleger beträgt ein Jahr nach Veröffentlichung des Presseerzeugnisses.

Der Rechtsstreit VG Media vs. Google

Vor diesem Hintergrund ist es nicht verwunderlich, dass Google als weltweit größte Suchmaschine in einer der ersten Rechtsstreitigkeiten um die Anwendung der neuen Presseverlegerleistungsschutzrechts vor dem Landgericht Berlin von der VG Media, einer für Presseverlage tätigen Verwertungsgesellschaft, verklagt wurde. VG Media erhob gegen Google Klage auf Schadenersatz und Auskunft wegen der unerlaubten Nutzung von Texten, Bildern und Videos aus Presse- und Medieninhalten und insbesondere ohne Zahlung einer Lizenzgebühr. Die streitige Nutzung bezieht sich nicht nur auf den Dienst „Google News“, sondern auch auf die allgemeine Suchmaschinenfunktion von Google, soweit diese die einschlägigen Presseinhalte anzeigte.

Im Verfahren stellt sich u.a. die Frage, ob die Bestimmungen nicht durchsetzbar sind, weil die Bundesregierung es unterlassen hat, der Europäischen Kommission den Gesetzesvorschlag zur Erweiterung des deutschen UrhG vorzulegen. Art. 8 Abs. 1 der Richtlinie 98/34 (die später aufgehoben und durch die Richtlinie (EU) 2015/1535 ersetzt wurde) verpflichtet die Mitgliedstaaten, der Kommission unverzüglich jeden Entwurf einer „technischen Regelung“ mitzuteilen. Unterbleibt eine notwendige Notifizierung, hätte dies zur Folge, dass Ansprüche aus den betroffenen § 87f bis § 87h UrhG nach der Rechtsprechung des EuGH nicht durchgesetzt werden könnten.

Das Landgericht Berlin hält die Klage der VG Media zumindest teilweise für begründet. Der Ausgang des Verfahrens hängt also hauptsächlich von der Frage ab, ob die neuen Bestimmungen des UrhG zum Leistungsschutzrecht der Presseverleger im Einklang mit europäischem Recht stehen und damit anwendbar sind. Im Mai 2017 beschloss das Gericht daher, dem EuGH zwei Fragen zur Entscheidung vorzulegen, um festzustellen, ob die neuen Bestimmungen des UrhG zum Leistungsschutzrecht der Presseverleger unter die Richtlinie 98/34 fallen.

Der Fall ist interessant, weil die Richtlinie (EU) 2019/790 über das Urheberrecht im digitalen Binnenmarkt auch die Einführung eines neuen LSR für Presseverleger auf EU-Ebene im dortigen Art. 11 vorsieht. Diese geplante Regelung hat ebenso das Ziel, den Presseverlegern zusätzliche Einnahmen für bestimmte Internetnutzungen zu verschaffen.

Der Schlussantrag von Generalanwalt Hogan

Entscheidend ist, ob die neuen Bestimmungen des UrhG eine „Vorschrift über Dienstleistungen“ nach Art. 1 Abs. 5 der Richtlinie 98/34 und damit eine allgemeine Anforderung an die Inanspruchnahme und Ausübung von Diensten der Informationsgesellschaft begründen. Zur Beantwortung der Fragen des LG Berlin ist ebenfalls eine Auslegung des Begriffs „technische Vorschriften“ nach Art. 1 Nr. 9 der Richtlinie 98/34 erforderlich.

Generalanwalt Hogan stellte seine Schlussanträge vor dem EuGH am 13. Dezember 2018. Er hat dem Gerichtshof empfohlen, dahingehend zu entscheiden, dass die neuen Bestimmungen im Vorfeld der Kommission hätten mitgeteilt werden müssen.

Er ist der Ansicht, dass § 87g Abs. 4 UrhG eine Notifizierungspflicht begründet, weil diese Norm die Erbringung dieser Dienstleistungen durch Internet-Suchmaschinenanbieter wirksam einschränkt, da sie zur Folge hat, dass diese Dienstleistungen eine (damit verbundene) Rechtsverletzung darstellen und Dienstleister dadurch möglichen einstweiligen Verfügungen oder Zahlungsansprüchen ausgesetzt sind.

Weiter vertritt er die Auffassung, dass die §§ 87f Abs. 1 und 87g Abs. 4 UrhG einer „technischen Vorschrift“ im Sinne des Art. 1 Nr. 9 der Richtlinie 98/34 gleichkommen. Er stimmt mit dem Landgericht Berlin überein, dass die Novelle des UrhG zur Folge hat, dass es nunmehr rechtswidrig ist, Presseerzeugnisse oder bestimmte Teile davon der Öffentlichkeit zugänglich zu machen, wenn sie von einem kommerziellen Anbieter von Suchmaschinen der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden, aber dies dennoch zulässig ist, wenn das durch andere Nutzer erfolgt, auch wenn diese ebenso gewerblich handeln. Das hat in der Praxis zur Folge, dass die angebotene Dienstleistung zum Gegenstand von Unterlassungsklagen oder Zahlungsansprüchen von Presseverlegern werden kann. Die fraglichen Bestimmungen könnten daher dazu führen, dass diese Internetdienste erheblich beeinträchtigt werden, weil die Betreiber von Suchmaschinen Unterlassungs- oder Schadenersatzklagen ausgesetzt sein könnten, wenn die Internetrecherche es dem Leser ermöglicht, mehr als nur einzelne Wörter oder kleinste Textausschnitte aus dem betreffenden Presseprodukt zu lesen.

Hintergrund und Ausblick

Der Prozess vor dem Landgericht Berlin stellt die Anwendung des neuen deutschen Leistungsschutzrechts der Presseverleger auf den Prüfstand. Es wird sich zeigen, ob es den Presseverlegern zusätzliche Einnahmen verschaffen wird. Bis jetzt hat das Presseverlegerleistungsschutzrecht den Presseverlegern in Deutschland noch keine relevanten Einnahmen beschert. Das liegt hauptsächlich daran, dass Google als weltweit wichtigste Suchmaschine, die auch in Deutschland sehr stark ist, sich weigert, für ihre Nutzung zu bezahlen. Google wandte sich an die deutschen Presseverleger und drohte ihnen zunächst mit einem Delisting und später damit, Ausschnitte und Miniaturansichten nicht mehr zu verwenden, wenn sie Google keine kostenlosen Nutzungsrechte einräumen würden. Dies hatte ein gesondertes Verfahren zur Folge, das derzeit beim Kammergericht Berlin anhängig ist, nachdem das Landgericht Berlin einen Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung durch Google abgelehnt hatte (LG Berlin, Zeitschrift für Urheber- und Medienrecht (ZUM) 2016, 879; positive Anmerkung von Kersting/Dworschak ZUM 2016, 840; kritische Stellungnahme von J.B. Nordemann/Wolters ZUM 2016, 846, 848).

Es wäre nicht nur für die Presseverleger frustrierend, wenn der Rechtsstreit vor dem Landgericht Berlin (der jetzt vor dem EuGH anhängig ist) durch formale Fehler im deutschen Gesetzgebungsverfahren verloren würde. Insbesondere wäre es interessant zu beobachten, wie das Verhalten von Google aus kartellrechtlicher Perspektive zu beurteilen ist. Soweit Google marktbeherrschend ist, treffen Google besondere Verhaltenspflichten, sich nicht missbräuchlich zu verhalten und damit den Wettbewerb zu beschränken. Wahrscheinlich wird man Google nicht zwingen können, Lizenzen am neuen Presseverlegerleistungsschutzrecht zu nehmen. Aber verstößt Google nicht gegen das kartellrechtliche Missbrauchsverbot, wenn es die Presseverleger zu kostenlosen Lizenzen zwingt? Hierzu gibt es Argumente pro und contra (dagegen: Kersting/Dworschak aaO.; dafür J.B. Nordemann/Wolters aaO). Das streitgegenständliche „Google-Szenario“ könnte in gleicher Weise für das geplante neue Presseverlegerleistungsschutzrecht auf EU-Ebene entstehen. Dann wäre fraglich, ob es auf EU-Ebene jemals praktische Bedeutung erlangt. Es bleibt zu hoffen, dass die vorliegenden deutschen Rechtstreitigkeiten erste verwertbare Antworten liefern und nicht aus rein formalen Gründen beendet werden müssen.

„Dieser Beitrag ist eine gekürzte Fassung eines im Januar 2019 in englischer Sprache auf dem Kluwer Copyright Blog erstveröffentlichten Artikels.“