Internationale Zuständigkeit bei Verletzung einer Unionsmarke durch Werbung im Internet
Mit seinem Urteil in der Rechtssache C-172/18 (AMS Neve Ltd ua/Heritage Audio SL ua) hat der Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) die Rechtsposition von Unionsmarkeninhabern deutlich gestärkt. Bei einer Unionsmarkenverletzung im Internet sind grundsätzlich auch die Gerichte des Mitgliedstaats zuständig, in denen sich die Verbraucher oder Händler befinden, an welche sich die rechtsverletzende Werbung und rechtsverletzende Verkaufsangebote richten. Häufig ermöglicht dies jetzt auch ein gerichtliches Vorgehen des Inhabers einer Unionsmarke in seinem Heimatland gegen Rechtsverletzungen im Internet. Bislang war dies jedenfalls in Deutschland nur sehr eingeschränkt möglich.
In dem zugrunde liegenden Sachverhalt hatten die aus dem Vereinigten Königreich stammenden Kläger wegen einer Verletzung ihrer Unionsmarke im Zusammenhang mit der Bewerbung und dem Vertrieb von Audiogeräten über das Internet in England geklagt. Die Beklagten hatten ihren Sitz in Spanien und vertrieben ihre Produkte über ihren von dort aus betriebenen Onlineshop. Das Gericht erster Instanz hatte die Klage wegen fehlender internationaler Zuständigkeit des Englischen Gerichts abgewiesen. Das Berufungsgericht entschied, das Verfahren auszusetzen. Es legte dem EuGH unter anderem die folgende Frage zur Vorabentscheidung vor: „Wenn ein im Mitgliedstaat A niedergelassenes und dort ansässiges Unternehmen in diesem Staatsgebiet Schritte unternommen hat, um auf einer gezielt auf Händler und Verbraucher im Mitgliedstaat B ausgerichteten Webseite Waren unter einem mit einer Unionsmarke identischen Zeichen zu bewerben und zum Kauf anzubieten: Ist ein Unionsmarkengericht im Mitgliedstaat B dann für eine sich auf das Bewerben und Anbieten der Waren in diesem Staatsgebiet beziehende Klage wegen Verletzung der Unionsmarke zuständig?“
Diese Frage hat der EuGH grundsätzlich zustimmend beantwortet. Nach der Auffassung des Gerichts wird eine Verletzungshandlung grundsätzlich in dem Hoheitsgebiet begangen, in dem sich die Verbraucher oder Händler befinden, an die sich die Werbung und Verkaufsangebote richten. Gerichte dieses Mitgliedstaats sind demnach international zuständig. Unerheblich ist indes, ob der Betreiber der Internetseite in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union niedergelassen ist und von dort aus das markenverletzende Angebot ins Internet eingestellt hat. Ohne Bedeutung ist ebenfalls, ob sich der Server in einem anderen Hoheitsgebiet befindet oder ob sich die Waren, die Gegenstand von Werbung und Verkaufsangeboten sind, sich in einem anderen Hoheitsgebiet befinden. Nach Auffassung des EuGH würde jede andere Sichtweise die Gefahr mit sich bringen, dass der in Art. 125 Abs. 5 Unionsmarkenverordnung (UMV) niedergelegte deliktische Gerichtsstand umgangen wird, was letztendlich die praktische Wirksamkeit des Unionsrechts erschweren bzw. verhindern würde.
Die Entscheidung des EuGH ist erfreulich und verdient in jeder Hinsicht Zustimmung. Mit dem am 5. September 2019 ergangenen Urteil schafft der EuGH Klarheit und stärkt die Position von Unionsmarkeninhabern. Die Rechtsdurchsetzung wird deutlich erleichtert. Das Urteil revidiert faktisch die zu Recht stark kritisierte „Parfümmarken-Entscheidung“ des Bundesgerichtshofs (BGH) aus dem Jahr 2017 (BGH I ZR 164/15). Der BGH hatte seinerzeit in einem sehr ähnlich gelagerten Fall eine völlig entgegengesetzte Auffassung vertreten und bei grenzüberschreitenden Internetangeboten den Ort als maßgeblich angesehen, an dem der Vorgang der Veröffentlichung der rechtsverletzenden Inhalte in Gang gesetzt worden ist. Der BGH hatte durch seine Auslegungsweise den Verletzungsgerichtsstand der Art. 125 Abs. 5 UMV faktisch abgeschafft. Dies wird fortan keinen Bestand mehr haben können, und deutsche Gerichte müssen sich an den Vorgaben des EuGH orientieren.