OLG Stuttgart entscheidet über geltend gemachte Urheberrechtsverletzung von „Zum Geburtstag viel Glück“ durch abgewandelten Radiospot
Das OLG Stuttgart hat entschieden, dass die bloße Übernahme der Worte „Zum Geburtstag“ sowie die Verwendung einer nur geringfügig geänderten Originalmelodie keine Urheberrechtsverletzung darstellt (OLG Stuttgart, Urteil vom 28.10.2020 und Berichtigungsbeschluss vom 17.03.2021 – 4 U 656/19).
Vorgeschichte
Die Auseinandersetzung begann mit dem 50jährigen Jubiläum eines genossenschaftlichen Zusammenschlusses von Einzelhändlern für Elektronik. Zu diesem Anlass ließ dieser einen Radiospot senden, in dem auf die Melodie des bekannten Geburtstagsliedes „Zum Geburtstag viel Glück“ die abgewandelten Worte „Zum Geburtstag für dich“ gesungen wurden.
Daraufhin wurde er von einem Verlag abgemahnt. Dieser machte geltend, dass hierin eine Verletzung des ihm zustehenden Bearbeitungsurheberrechts (§ 3 UrhG) bestehe, da er der Rechtsnachfolger des Urhebers des deutschen Liedes „Zum Geburtstag viel Glück“ sei. Dieses beruht im Wesentlichen auf der amerikanischen Fassung „Happy Birthday to you“. Die ursprüngliche amerikanische Version des Liedes ist in Deutschland seit 2016 gemeinfrei, kann also demnach von jedem frei genutzt werden. Allerdings kommen auch demjenigen exklusive Rechte zu, der ein solches „freies“ Werk in kreativer Weise verändert.
Das Landgericht Stuttgart (LG) lehnte eine Urheberrechtsverletzung ab (LG Stuttgart, Urteil vom 10.09.2019, Az. 17 O 384/19). Denn selbst wenn ein Urheberrecht an Text und Melodie bestehe, wurde dieses durch die Jubilarin jedenfalls nicht verletzt.
Das Oberlandesgericht Stuttgart (OLG) hat diese Entscheidung nun bestätigt.
Entscheidung des OLG
Übereinstimmend mit dem LG ging auch das OLG davon aus, dass eine mögliche Verletzung hinsichtlich des Textes und der Melodie getrennt voneinander zu beurteilen sei. Denn auch wenn beides unmittelbar miteinander verbunden sei und gemeinsam verwertet werde, handle es sich um getrennte Werke im Sinne des Urheberrechts.
Entscheidend für das Vorliegen eines urheberrechtlich geschützten Werkes sei, dass es sich um eine persönliche geistige Schöpfung handle. Es komme vor allem darauf an, dass die Individualität des Schöpfers im Werk zum Ausdruck komme. Diese Grundsätze gelten auch für Bearbeitungen anderer Werke. Nur wenn die Bearbeitung selbst wieder eine persönliche geistige Schöpfung darstelle, stehe dem Bearbeiter ein eigenes (Bearbeiter)Urheberrecht zu.
Alltagssprache und wörtliche Übersetzungen sind nicht schutzfähig
Das OLG deutet zwar an, dass der Text von „Zum Geburtstag viel Glück“ möglicherweise hinreichend individuell sei und somit urheberrechtlichen Schutz genieße. Darauf käme es – so das OLG – im vorliegenden Fall allerdings nicht an.
Im Radiospot wurden lediglich die Worte „Zum Geburtstag“ aus der ursprünglichen Fassung übernommen. Zwar könne auch die Übernahme bloßer Werkteile eine Verletzungshandlung darstellen. Jedoch komme es wiederum darauf an, dass genau der übernommene Teil für sich genommen Werkcharakter aufweise. Ungeschützte Teile des Textes dürften dagegen entnommen und in veränderter Form veröffentlicht werden.
Schutzlos blieben hierbei vor allem banale Textzeilen, bei denen es sich um allgemein sprachliche Begriffe ohne besondere Originalität oder Schöpfungshöhe handle oder ganz kurze Textteile einzelner Lieder (vgl. Rn. 104). Bei „Zum Geburtstag“ handle es sich nur um zwei Wörter, welche als knappe Wortfolge dem allgemeinen Sprachgebrauch entspringen und keinen besonderen Gedanken- oder Gefühlsinhalt vermitteln. Urheberschutz begründe sich auch nicht allein dadurch, dass die betreffenden Worte mehrfach wiederholt werden (vgl. Rn. 106). Die Übernahme der beiden Worte stelle somit keine Urheberrechtsverletzung dar.
Etwas anderes ergebe sich auch nicht aus der Übersetzung des englischen Originaltextes „Happy Birthday to you“ ins Deutsche. Grundsätzlich könne auch eine Übersetzung urheberrechtlichen Schutz genießen. Hierbei komme es maßgeblich darauf an, ob der Übersetzer einen ihm zu Verfügung stehenden Gestaltungsspielraum in kreativer Weise genutzt habe. Dies möge bei der Übersetzung von „Happy Birthday to you“ als „Zum Geburtstag viel Glück“ der Fall sein, da es sich nicht um eine streng wortwörtliche Übersetzung handle (vgl. Rn. .109). Allerdings sei auch dabei wieder nur der tatsächlich übernommene Textteil zu berücksichtigen. Dabei handle es sich bei einer Übersetzung von „Birthday to you“ auf „Zum Geburtstag“ eher um eine routinemäßige Übersetzung ohne eigenen Spielraum. Damit kam das Gericht auch unter dem Aspekt der Übersetzung zum Ergebnis, dass lediglich ein schutzunfähiger Teil übernommen wurde.
Gesamtcharakter entscheidend
Auch hinsichtlich der Melodie nahm das OLG keine Urheberrechtsverletzung an. Zwar sei bei Werken der Musik auch die sog. „kleine Münze“ geschützt, jedoch dürfe der Maßstab für die Gestaltungshöhe auch hier nicht zu gering angesetzt werden. Dieser Grundsatz gelte auch für Bearbeitungen. Dabei fielen solche Änderungen nicht unter den Schutz des Urheberrechts, die sich lediglich im Bereich des Handwerklichen bewegten und den ursprünglichen Charakter des Stückes unverändert ließen. Im vorliegenden Fall habe der Bearbeiter die Originalmelodie lediglich an die deutsche Textfassung angepasst. Der „Gesamteindruck einer einfach-klaren, volkstümlichen Melodie, welche eine heiter-fröhliche Stimmung verbreitet“, werde durch die vorgenommenen Änderungen jedoch nicht berührt (Rn. 129). Damit komme der bearbeiteten Melodie kein Urheberschutz zu.
Für die Beurteilung urheberrechtlichen Schutzes unerheblich sei dagegen, ob das Stück bei der GEMA registriert ist. Eine solche Eintragung erfolge nämlich ohne vorherige Prüfung.
Fazit
Wie die Entscheidung wieder einmal zeigt, ist es schwierig, abstrakte eindeutige Kriterien zu finden, wann ein urheberrechtlich geschütztes Werk vorliegt. Maßgeblich für die Beurteilung ist vielmehr eine Vielzahl von Kriterien und die konkreten Umstände des Einzelfalls. Dies macht es für Kreative nahezu unmöglich, ohne anwaltlichen Rat zu beurteilen, ob sie bestimmte Werke oder Teile davon frei verwenden dürfen.
Allerdings stellt das Urteil auch klar, dass die Schwelle der erforderlichen Gestaltungshöhe – auch und gerade wenn es um die Bearbeitung anderer Werke geht – gleichzeitig nicht zu gering angesetzt werden darf.