Markenrechtsmodernisierungsgesetz
Nach Zustimmung durch den Bundestag tritt das Markenrechtsmodernisierungsgesetz (MaMoG) im Wesentlichen zum 14. Januar 2019 in Kraft. Dies entspricht dem Ablauf der Umsetzungsfrist aus der neuen EU-Markenrechtsrichtlinie (2015 / 2436). Als parallele Säule der europäischen Markenrechtsreform ist auf Ebene der Unionsmarke die neue Unionsmarken-VO bereits im März 2016 in Kraft getreten.
Die Markenrechtsrichtlinie bezweckt eine Koexistenz zwischen nationalen Markenordnungen mit dem Unionsmarkenrecht bei gleichzeitiger vertiefter Harmonisierung der nationalen Markenrechte. Das deutsche Markenrecht entsprach bereits weitgehend dem Unionsmarkenrecht. Daher liegt der Schwerpunkt des MaMoGs – neben der neuen Gewährleistungsmarke und der materiell-rechtlichen Ausdehnung des markenrechtlichen Verbotsrechts auf Waren im Transit – im verfahrensrechtlichen Bereich.
Aus praktischer Sicht sind folgende Neuerungen erwähnenswert:
1. Wegfall des Eintragungserfordernisses der graphischen Darstellbarkeit (§ 8 Abs. 1)
Die grundsätzliche Eintragungsfähigkeit von Marken wird an ein flexibleres Kriterium geknüpft. Die Eintragungsvoraussetzung der graphischen Darstellbarkeit entfällt. Im Sinne der Rechtssicherheit muss (lediglich) der Schutzgegenstand der Marke klar und eindeutig bestimmbar sein. Dies ermöglicht die Darstellung eines Zeichens in jeder geeigneten Form unter Verwendung allgemein zugänglicher Technologie. Neue Markenformen wie etwa Klangmarken (als Audiodatei), Muster-, Bewegungs-, Hologramm-oder Multimediamarken (vgl. §§ 6 ff. der Markenverordnung) sind nunmehr grundsätzlich eintragungsfähig.
Als praktische Auswirkung werden bestimmte Markenformen in der Markenurkunde ohne grafische Wiedergabe dargestellt. Es sollen Hinweise auf das Register des Deutschen Patent-und Markenamtes (DPMA) unter Abdruck eines QR-Codes erfolgen.
2. Amtliches Verfall- und Nichtigkeitsverfahren (§§ 53ff.)
Als bedeutendste verfahrensrechtliche Änderung wird vor dem DPMA ein Verfall-und Nichtigkeitsverfahren – allerdings erst ab dem 1. Mai 2020 – eingeführt. Dieses entspricht der auf Unionsmarkenebene schon vorhandenen Systematik. Es soll kostensparend der Verfahrensökonomie dienen und die Fachkompetenz des Amtes ausnutzen.
Das Verfallsverfahren wegen fehlender rechtserhaltender Benutzung wird vollumfänglich vor dem DPMA durchführbar sein.
Im amtlichen Nichtigkeitsverfahren werden erstmals – neben, wie bisher, absoluten – auch relative Schutzhindernisse (ältere Marken) geltend gemacht werden können.
Insgesamt bleiben die Zivilgerichte wie bisher und alternativ für Klagen wegen Verfalls oder wegen älterer Rechte zuständig.
3. Transit (§ 14a)
Als materiell-rechtlich einschneidenste Neuerung wird – wie bei der Unionsmarke bereits umgesetzt – der sachliche Schutzbereich der deutschen Marke auf zollrechtliche Transitwaren erstreckt, die also gar nicht in Deutschland in den zollrechtlich freien Verkehr kommen sollen. Das Verbotsrecht erfasst de facto Piraterieware („offensichtliche Rechtsverletzungen“).
Damit können Markeninhaber insbesondere im Rahmen eines Grenzbeschlagnahmeantrags nunmehr entsprechend nur zur Durchfuhr bestimmte Ware vom deutschen Zoll zurückhalten und bei fehlendem Widerspruch des Anmelders unter Zollaufsicht vernichten lassen. Bei Widerspruch obliegt es dem Anmelder in einem Gerichtsverfahren nachzuweisen, dass die betroffenen Waren für ein Drittland bestimmt sind und dort rechtmäßig auf den Markt gebracht werden können. Nur in diesem Fall erlischt das Verbotsrecht und die Ware wird freigegeben.
Diese neue Vorschrift ist bereits am 15. Dezember 2018, am Tag nach der Verkündung des MaMoG, in Kraft getreten.
4. Gewährleistungsmarke (§ 106a ff.)
Wie auf Unionsmarkenebene bereits seit dem 1. Oktober 2017 wird als neue Markenkategorie auch die deutsche Gewährleistungsmarke eingeführt. Diese kennzeichnet eine Garantiefunktion (anstelle der klassischen Herkunftsfunktion). Die „Güte“ der beanspruchten Waren oder Dienstleistungen hinsichtlich Art und Weise der Herstellung der Ware bzw. Erbringung der Dienstleistung, der Qualität
oder anderer Eigenschaften soll zugesichert werden. Der Inhaber der Gewährleistungsmarke ist dem Neutralitätsgebot verpflichtet. Er darf selber nicht die davon betroffenen Waren / Dienstleistungen anbieten.
Zur Gewährleistungsmarke betont das DPMA, dass der gewährleistende Charakter jedenfalls ansatzweise aus dem Zeichen heraus erkennbar sein muss. Nur so liege eine konkrete Unterscheidungskraft vor. Ein diesbezüglicher Mangel könne über Verkehrsdurchsetzung überwunden werden.
Die neue Markenkategorie ist für Vergeber von Gütesiegeln / Zertifizierer essentiell. Das Verhältnis der neuen Gewährleistungsmarke zu entsprechenden Individual- bzw. Kollektivmarken bedarf weiterer Klärung. Einzelheiten wird die Rechtsprechung herausarbeiten.
5. Widerspruchsverfahren – mehrere Gründe in einem Widerspruch / cooling-off (§ 42)
Mit Eingang des Widerspruchs ab 14. Januar 2019 können mehrere ältere Rechte desselben Inhabers innerhalb eines Widerspruchsverfahrens geltend gemacht werden. Diese Parallelität zu dem unionsmarkenrechtlichen System führt zu Kostenersparnissen, sofern der Widerspruch auf mehrere ältere Rechte gestützt wird.
Ebenfalls der Praxis der Unionsmarke folgend wird eine Cooling-Off-Phase von „mindestens zwei Monaten“ eingeführt. Dies sollte den jüngsten Ansatz des DPMA, Fristverlängerungen im Widerspruchsverfahren nur restriktiv zu gewähren, flexibilisieren und Raum für Vergleichsverhandlungen gewährleisten.
Die Widerspruchsgründe werden (gegen ab dem 14. Januar 2019 eingereichte Marken) erweitert um geschützte geografische Angaben und Ursprungsbezeichnungen (§§ 42 Abs. 2 Nr. 5, 158 Abs. 3).
6. Einrede der Nichtbenutzung – Fristberechnung (§ 43)
Im Fall der Einrede der Nichtbenutzung ist die rechtserhaltende Benutzung der Widerspruchsmarke in den letzten fünf Jahren vor dem Anmelde- oder Prioritätstag der jüngeren Marke nachzuweisen. Der Bezugspunkt für den Beginn des Benutzungszeitraums verschiebt sich mithin nach vorne: von der Veröffentlichung der Eintragung der jüngeren Marke auf deren Anmelde- bzw. Prioritätstag.
Zudem entfällt im Kontext des Widerspruchsverfahrens– als bisherige Besonderheit des deutschen Markenrechts – der zweite, „gleitende“ Benutzungszeitraum des § 43 Abs. 1 S. 2 MarkenG. Damit bleibt nur noch das Verfallsverfahren, wenn die Widerspruchsmarke erst im Laufe des Widerspruchsverfahrens dem Benutzungszwang entfällt.
An die Darlegung der rechtserhaltenden Benutzung werden grundsätzlich strengere Anforderungen („Nachweis“ nach § 43 Abs. 1 statt „Glaubhaftmachung“) gestellt. Indes bleibt – nach Aussage des DPMA – die eidesstattliche Versicherung weiterhin als zentrales Element des Benutzungsnachweises im deutschen Verfahren erhalten.
7. Benutzungsschonfrist (§§ 25, 26 Abs. 5)
Die Benutzungsschonfrist beginnt mit dem Tag, ab dem gegen die Eintragung einer Marke kein Widerspruch mehr erhoben werden kann (Ablauf der Widerspruchsfrist bzw. Zeitpunkt, an dem die Entscheidung rechtskräftig wird, welche das Widerspruchsverfahren beendet hat bzw. die Rücknahme des letzten Widerspruchs). Dies beinhaltet einen Vorteil für den Inhaber der benutzungspflichtigen Marke gegenüber der bisherigen Regelung, die an den Eintragungstag angeknüpft hat. Die Benutzungsschonfrist verlängert sich vereinfacht gesprochen um drei Monate.
Der Ablauf der Benutzungsschonfrist wird dem Inhaber vom Amt mitgeteilt und im Register veröffentlicht (§ 25 Nr. 20a MarkenV).
8. Schutzdauer und Verlängerung (§ 47)
Für alle neu ab dem 14. Januar 2019 einzutragenden Marken endet deren zehnjährige Schutzdauer taggenau zehn Jahre nach dem Anmeldetag. Dabei wird – anders als für Unionsmarken – der Anmeldetag bei der Berechnung der Schutzdauer mitberechnet. Der Schutz einer Marke mit Anmeldetag 20.1.2019 endet mit Ablauf des 19.1.2029 und nicht am 20.1.2029. Für vor dem 14. Januar 2019 eingetragene Marken gilt das bisherige Schutzende der zehnjährigen Schutzdauer zum Ende des Monats, in dem die Marke angemeldet wurde.
Verlängerungsgebühren und eventuelle Klassengebühren sind für die jeweils folgende Schutzfrist bereits sechs Monate vor Ablauf der Schutzdauer fällig. Der Antrag auf Verlängerung ist innerhalb eines Zeitraums von sechs Monaten vor Ablauf der Schutzdauer einzureichen. Mithin fallen Ablauf der Schutzdauer und Fälligkeit der Verlängerungsgebühr auseinander. Innerhalb einer Nachfrist von sechs Monaten nach Ablauf der Schutzdauer ist eine Verlängerung gegen Entrichtung von Zuschlagsgebühren möglich. Zudem unterrichtet das DPMA über den Ablauf der Schutzdauer acht Monate im Voraus. Die bisherigen Vorschriften sind noch für eingetragene Marken anwendbar, deren Schutz spätestens 12 Monate nach dem 31. Januar 2019 abläuft.
Bei Änderung der Klasseneiteilung nach dem Anmeldetag wird die Klassifizierung bei der Verlängerung der Marke nicht mehr angepasst werden.
9. Neue absolute Schutzhindernisse
(§§ 8 Abs. 2)
Es werden neue Schutzhindernisse nach nationalen und europäischen Rechtsvorschriften oder über Abkommen geschützte Bezeichnungen wie geschützte geografische Angaben, geschützte Ursprungsbezeichnungen, Bezeichnungen traditioneller Spezialitäten, traditionelle Weinbezeichnungen oder geschützte Sortenbezeichnungen aufgenommen.
10. Bemerkungen Dritter bei Prüfung absoluter Schutzhindernisse (§ 37 Abs. 6)
Ohne Verfahrensbeteiligte zu werden, können Dritte vor der Eintragung der Marke beim DPMA schriftliche Bemerkungen einreichen, in denen sie erläutern, aus welchen Gründen die Marke von Amts wegen nicht eingetragen bzw. eine Kollektiv-
oder Gewährleistungsmarke zurückgewiesen werden sollte. Hierdurch wird die gesetzliche Regelung der Unionsmarke und eine bereits bestehende deutsche Praxis normiert.
11. Dringlichkeitsvermutung (§ 140 Abs. 3)
Auf Veranlassung des Bundesrates – unabhängig von den Vorgaben der Markenrechtsrichtlinie – wird die wettbewerbsrechtliche Dringlichkeitsvermutung (§ 12 Abs. 2 UWG) explizit im Markenrecht übernommen. Damit hat der Gesetzgeber die uneinheitliche gerichtliche Praxis zum Vorteil des im Verfügungsverfahrens vorgehenden Markeninhabers klargestellt. Dieser hat die Eilbedürftigkeit der Sache – bisher etwa kritisch bei Einstellung der Verletzung nach Abmahnung und Weigerung der Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung – damit nicht mehr gesondert glaubhaft zu machen.