Reform des Gemeinschaftsmarkenrechts
Die langwährende Debatte über die Reform des Markensystems in der Europäischen Union hat zu einer neuen Unionsmarkenverordnung sowie – hinsichtlich der nationalen Marken der Mitgliedstaaten – zu einer neuen Markenrichtlinie geführt. Während den Mitgliedsstaaten für die Umsetzung der Richtlinie in nationales Recht teilweise eine siebenjährige Frist eingeräumt wird, treten die meisten Bestimmungen der neuen Unionsmarkenverordnung bereits zum 23. März 2016 in Kraft.
Unter praktischen Gesichtspunkten sind folgende Änderungen der Markenverordnung besonders praxisrelevant:
1. Neue Terminologie
Die derzeitige Gemeinschaftsmarke (GM) wird umbenannt in „Europäische Unionsmarke“ (EUM)“. Das Harmonisierungsamt für den Binnenmarkt (HABM) wird unter dem neuen Namen „Amt der Europäischen Union für Geistiges Eigentum“ (EUIPO) firmieren.
2. Neue Gebührenstruktur
Das neue „Eine-Klasse-eine-Gebühr“-System legt den Grundstein für eine neue Struktur der Anmeldegebühren: bisher zahlte der Anmelder eine Grundgebühr, die bis zu 3 Klassen abdeckte. Unter der neuen Verordnung wird dagegen jeweils eine Gebühr pro angemeldete Klasse fällig. Während dieses System die Anmeldung in nur einer Klasse aus Kostengesichtspunkten unwesentlich vergünstigt, werden sich die Gebühren für die Anmeldung in mehr als 3 Klassen leicht erhöhen.
Bei den Verlängerungsgebühren wird es eine merkliche Kostensenkung geben. Die neue geringere Gebühr gilt für Europäische Unionsmarken, deren Schutz am oder nach dem 23. März 2016 abläuft. Das Amt wird jede darüber hinausgehende, bereits gezahlte Gebühr zurückerstatten.
3. Anpassung des Waren- und Dienstleistungsverzeichnisses bei bestehenden Gemeinschaftsmarken
Bis zu der klarstellenden IP-Translator-Entscheidung des EuGH im Juni 2012 zum Schutzumfang interpretierte das EUIPO Markenregistrierungen, die alle Oberbegriffe einer Klasse beanspruchten, dahingehend, dass hierdurch alle unter der alphabetischen Auflistung der jeweiligen Nizza-Klassifikation aufgeführten Waren und Dienstleistungen umfasst waren („catch all“). Die Entscheidung IP-Translator befand demgegenüber, dass aufgrund des Gebots, die beanspruchten Waren und Dienstleistungen klar und eindeutig anzugeben, bei der Geltendmachung von Oberbegriffen diese nur solche Waren und Dienstleistungen einschließen können, die eindeutig von deren wörtlicher Bedeutung umfasst sind („means what it says“). Möchte mithin ein Antragsteller Waren- und Dienstleistungen beanspruchen, die über die wortwörtliche Bedeutung einer Klassenüberschrift hinausgehen, dann muss er klarstellen, welche zusätzlichen von der alphabetischen Liste der Klasse erfassten Waren- und Dienstleistungen umfasst sein sollen.
Die Unionsmarkenverordnung kodifiziert nunmehr die Vorgaben des EuGH aus IP-Translator. Zudem räumt sie – einmalig innerhalb einer Ausschlussfrist zum 24. September 2016 – für bestimmte Altmarken die Möglichkeit einer rückwirkenden Anpassung des Waren- und Dienstleistungsverzeichnisses ein. Die Klarstellung kann durch eine schriftliche Erklärung gegenüber dem EUIPO unter folgenden Voraussetzungen beantragt werden:
- die Unionsmarke wurde vor dem 22. Juni 2012 angemeldete
- die Unionsmarke ist in Bezug auf sämtliche Oberbegriffe einer oder mehrerer Klassen eingetragen
- der Anmelder hatte die ursprüngliche Absicht, am Anmeldetag Schutz auch für diejenigen Waren oder Dienstleistungen zu beantragen, die über die wörtliche Bedeutung des Oberbegriffs der relevanten Klasse hinausgehen, aber im alphabetischen Verzeichnis für diese Klasse in der im Zeitpunkt der Anmeldung geltenden Fassung der Nizza-Klassifikation enthalten sind („Waisenkinder“). So sind etwa „Fahrzeugreifen“ vom Wortsinn der Klassenoberbegriffe „Fahrzeuge; Apparate zur Beförderung auf dem Lande, in der Luft oder auf dem Wasser“ der Klasse 12 nicht umfasst.
Nach dem 24. September 2016 werden alle Klassenüberschriften entsprechend ihrer wörtlichen Bedeutung interpretiert.
4. Erweiterte Rechte gegen Durchfuhr von Piraterieware
Nach der derzeitigen Rechtslage kann die Durchfuhr von Waren durch das Hoheitsgebiet der Europäischen Union nur dann eine Rechtsverletzung darstellen, sofern nachgewiesen ist, dass die sich im Transit befindliche Nachahmung (doch) in der Union in den Verkehr gebracht werden soll.
Als eine der einschneidensten Neuerungen erstreckt die Unionsmarkenverordnung den Schutz der Unionsmarke grundsätzlich auf den Transit. Danach stellt die Durchfuhr von Waren, auf denen eine Marke angebracht ist, die jedenfalls in ihren wesentlichen Bestandteilen von einer für derartige Waren eingetragenen Unionsmarke nicht unterschieden werden kann, grundsätzlich eine Verletzungshandlung in der EU dar. Diesen Grundsatz kann der Importeur der betroffenen Waren ausnahmsweise durchbrechen. Dazu muss er in einem (gerichtlichen) Feststellungsverfahren nachweisen, dass der Inhaber der Unionsmarke nicht dazu berechtigt ist, das Inverkehrbringen der entsprechend gekennzeichneten Ware im endgültigen Bestimmungsland zu untersagen. Diese Änderung stärkt bedeutsam die Rechte des Markeninhabers bei der Bekämpfung der Produktpiraterie im Durchfuhrverkehr im Rahmen der zollrechtlichen Grenzbeschlagnahme.
5. Weitere Änderungen
Mit Blick auf das Eintragungsverfahren wird das Erfordernis der graphischen Darstellbarkeit einer Marke aufgegeben. Die Unionsmarke muss im Register schlicht derart darstellbar sein, dass der Gegenstand des Markenschutzes klar und deutlich zu bestimmen ist. Mit diesem flexibleren Eintragungsmaßstab wird die Registrierung nicht-traditioneller Marken, z.B. nicht visuell wahrnehmbare Klänge oder Gerüche unter Verwendung neuer technologischer Wiedergabemöglichkeiten (z.B. MP3-Datei für Hörmarken) erleichtert.
Die Widerspruchsfrist für Unionsmarkenanteile Internationaler Registrierungen wird – anstelle von 6 Monaten – nunmehr bereits einen Monat nach der Veröffentlichung beginnen. Nach einer Übergangsfrist von 21 Monaten gilt: die Priorität kann nur noch mit der Anmeldung der Unionsmarke – nicht mehr nachträglich innerhalb von zwei Monaten – beansprucht werden.
Ferner wird ein erweiterter Schutz aus der Unionsmarke normiert, indem sich deren Schutzumfang explizit auf die Verwendung eines Zeichens als Handels- und Firmennamen bezieht. Die Beschränkung der Wirkung der Unionsmarke wird explizit auf die redliche Benutzung des Namens von natürlichen Personen erstreckt. Die Benutzung als Handelsnamen kann nicht länger eingewendet werden.