Brexit und Marken – was nun?
Die politische Situation bleibt weiter verworren. Allerdings gibt es für den Bereich der Unionsmarken zwischenzeitlich so konkrete Regelungsvorschläge der Regierung des Vereinigten Königreichs für den endgültigen Austritt („Brexit“), dass wir hier in einer Sonderausgabe des Bulletins die wichtigsten Regelungen vorstellen möchten, die man bei aller Vorsicht als sehr wahrscheinlich inhaltlich endgültig betrachten darf, und zwar auch für den Fall eines no deal-Szenarios:
Die Quintessenz wird sein, dass Unionsmarken geklont und darauf bezogene Verträge, Verfahren, Rechte und Einwendungen mit Wirkung für das Vereinigte Königreich am geklonten Recht fortgesetzt werden. Ein Kunstgriff mit Ecken und Kanten sowie erheblichem Beratungsbedarf, aber endlich lang ersehnte Ideen und Antworten liefernd.
„The Noes have it!“
Am 15.01.2019 scheiterte das Austrittsabkommen im House of Commons. Neuwahlen sind unwahrscheinlich, weil Premierministerin Theresa May am darauf folgenden Tag das gegen sie gerichtete Misstrauensvotum knapp überstanden hat. Gleichzeitig scheint die EU Nachverhandlungen auszuschließen. Bei diesem Patt ist es spätestens jetzt sinnvoll, mit einem harten Brexit ohne Austrittsvereinbarung zu planen. Dies entspricht den Empfehlungen der EU-Kommission, der Bundesregierung und praktisch aller Wirtschaftsverbände.
Was passiert bei einem harten Brexit?
Das UK tritt aus dem Gemeinsamen Binnenmarkt und der Zollunion aus. Bisheriges EU-Recht wird nach dem schon am 16.06.2018 in Kraft getretenen European Union Withdrawal Act 2018 zunächst eins zu eins in englisches Recht transformiert und sodann nach und nach den neuen Bedürfnissen angepasst.
Für EU-weite Schutzrechte gilt das allerdings nicht. Sie verlieren mit Brexit ihre Wirkung im Vereinigten Königreich, wenn keine verbindliche Regelung zum Schutz der Inhaber gefunden wird. Diese Schutzlücke erfasst auch laufende Verfahren, Verträge sowie natürlich Benutzungs- und Verletzungsfragen.
Werden Markeninhaber geschützt?
Nach Stand der Dinge muss man zwischen Unionsmarken einerseits und Internationalen Registrierungen andererseits unterscheiden. Nur für erstere liegen bislang konkrete Lösungsvorschläge vor, und zwar unabhängig davon, ob ein Austrittsabkommen zu Stande kommt oder nicht. Im Dezember 2018 hat die britische Regierung den Entwurf für die Trade Marks (Amendment etc.) (EU Exit) Regulations 2018 vorgelegt.
Unter diesem sperrigen Titel finden sich viele konkrete Vorgaben und Antworten auf Fragen, die sich Berater und Schutzrechtsinhaber seit Juni 2016 stellen. Nach englischem Gesetzgebungsrecht unter dem Withdrawal Act sind Änderungen an dem Entwurf nur unter sehr engen Voraussetzungen möglich, sodass die Regelungen weitgehend als endgültig betrachtet werden können. Die wichtigsten Regelungen sollen hier vorgestellt werden:
Wie sehen die Schutzmechanismen aus?
Eingetragene Unionsmarken werden „geklont“, bekommen also mit Brexit ohne Antrag und kostenfrei ein Pendant im Vereinigten Königreich zu exakt denselben Parametern – Anmeldetag, ggf. Priorität und Seniorität, Schutzablauf, Waren und Dienstleistungen (in der amtlichen Übersetzung des EUIPO); alles bleibt unverändert in einem rein technischen Übertragungsprozess erhalten. Es wird sich allerdings nicht um UK-Marken handeln, sondern um „comparable trade marks (EU)“, die nach den Vorgaben der Verordnung so schnell wie praktisch möglich im Register erscheinen müssen. Die Verzögerung sollte also zeitlich gering sein.
Derselbe Mechanismus gilt für eingetragene Kollektivmarken und Gewährleistungsmarken.
Fristen und Gebühren für die Verlängerung richten sich nach den Vorschriften für normale UK-Marken, mit einer Ausnahme: Im Zeitraum von 6 Monaten nach Brexit versendet das UK-Markenamt mit Schutzablauf Erinnerungen an die Markeninhaber (nicht die Vertreter!) und erlaubt die Verlängerung innerhalb von 6 Monaten nach Zugang einer solchen Mitteilung.
Die rechtserhaltende Benutzung oder Bekanntheit der Marke in der EU vor dem Brexit wird zunächst im Vereinigten Königreich fortgeschrieben. Nach spätestens fünf Jahren ohne Benutzung würde das geklonte Recht allerdings löschungsreif werden. Benutzungszeiträume können dabei teilweise vor und nach dem Brexit liegen, mit der Folge, dass für die Zeit danach eine Benutzung im Vereinigten Königreich erforderlich ist. Eine gänzlich neue Benutzungsschonfrist wird nicht gewährt.
Vereinbarungen und Lizenzen über Unionsmarken werden fiktiv auf das geklonte Recht erstreckt und bleiben im Vereinigten Königreich gültig, es sei denn, der erkennbare Wille der Parteien schließt das aus. An Unionsmarken bestellte Sicherheiten gelten für das geklonte Recht fort.
Laufende gerichtliche Verfahren im Vereinigten Königreich auf Basis einer Unionsmarke werden mit dem geklonten Recht fortgesetzt, können allerdings austrittsbedingt keine EU-weiten Ansprüche mehr enthalten. Rechtskräftige Urteile von Unionsmarkengerichten bleiben im Vereinigten Königreich wirksam und vollstreckbar. Umgekehrt richtet sich die weitere Vollstreckbarkeit der EU-weiten Urteile von UK-Gerichten ohne abweichende neue Regelung im EU-Recht nach den allgemeinen Regelungen im Anerkennungsverfahren oder nach völkerrechtlichen Verträgen. Verfahren beim UK-Markenamt, insbesondere Widerspruchsverfahren, sind von der Verordnung ebenfalls nicht erfasst!
Wer als Inhaber einer Unionsmarke kein geklontes Recht möchte, kann jederzeit ein Opt-out beim UK-Markenamt erklären, allerdings nicht unbegrenzt: Ist das zunächst geklonte Recht im Vereinigten Königreich nach Brexit benutzt oder Gegenstand einer Vereinbarung (einschließlich Übertragung), Lizenz oder Sicherheit geworden, ist der Verzicht ausgeschlossen!
Zum Austritt noch anhängige Unionsmarkenanmeldungen werden nur auf Antrag als UK-Marken beim UK-Markenamt weitergeführt und durchlaufen das normale Prüfungsverfahren. Dieser Antrag muss innerhalb von 9 Monaten nach Brexit gestellt werden und löst Anmeldegebühren wie für UK-Marken aus. Nur dann bleibt der ursprüngliche Anmeldetag der Unionsmarkenanmeldung erhalten (bzw. die Priorität oder Seniorität).
Die Regelungen zur Erschöpfung der Rechte aus Unionsmarken behalten ihre Wirkung über den Brexit hinaus. Ist ein Markenrecht vor Brexit in der EU erschöpft, bleibt es danach auch im Vereinigten Königreich erschöpft. Für ein Inverkehrbringen im Vereinigten Königreich oder in der EU nach Brexit wird fingiert, dass die Rechte im Vereinigten Königreich ebenfalls erschöpft bleiben. Gleiches gilt für Gemeinschaftsgeschmacksmuster und im wesentlichen für Urheberrechte (s. dazu den Entwurf zu The Intellectual Property (Exhaustion of Rights) (EU Exit) Regulations 2018. Ob die umgekehrte Konstellation gilt, dass ein Inverkehrbringen im Vereinigten Königreich die Erschöpfung in der EU bewirkt, ist damit nicht gesagt und bleibt einer weiteren Regelung der EU oder Vereinbarung mit dem Vereinigten Königreich vorbehalten.
Auch wenn die Vorgaben dieser Verordnungen weit über das hinausgehen, was schon im Withdrawal Agreement steht, bleiben einige Fragen und Lücken:
Beratungsbedarf?
Die derzeitigen Pläne erfassen Internationale Registrierungen mit Schutz in der EU nicht. Es entspricht erklärtem politischen Willen, für diese Kategorie Schutzrecht mit immerhin mehr als 200.000 lebenden Marken eine vergleichbare Lösung zu finden. Konzepte oder konkrete Entwürfe liegen indes noch nicht vor. Bei relevantem Schutz- und Benutzungsinteresse im Vereinigten Königreich ist eine umgehende Strategieberatung ratsam, wie eine potenziell gravierende Schutzlücke zum Austritt vermieden werden kann.
Anhängige Verfahren beim Unionsmarkenamt gegen eine Unionsmarke schließen nicht aus, dass die Eintragung geklont wird oder die Anmeldung zu einer UK-Markenanmeldung wird. Deshalb müssen ggf. Verfahren auch beim UK-Markenamt parallel eingeleitet werden, was die Kosten nicht nur verdoppelt, sondern extrem in die Höhe treiben kann.
Derzeit bedarf es für ein UK-Recht nur einer Zustelladresse im Europäischen Wirtschaftsraum, ein lokaler Vertreter ist nicht erforderlich. Ob das für geklonte Rechte bleibt, ist unklar, darf aber als unwahrscheinlich betrachtet werden. Es ist also an der Zeit, die zukünftige Verwaltung der Schutzrechte zu koordinieren.
Wie geht es weiter?
Inhaber von IP-Rechten sollten ihr Portfolio prüfen, welche Schutzrechte für die geschäftliche Tätigkeit im Vereinigten Königreich in besonderem Maße relevant sind. In besonderem Maße relevant sind Schutzrechte, mit denen ein erheblicher Umsatz erzielt wird oder die für das Gebiet des Vereinigten Königreichs lizenziert sind. Soweit besonders relevante Schutzrechte von den vorgestellten Regelungen nicht erfasst sind und deshalb eine Schutzlücke nicht ausgeschlossen werden kann, sollte die zukünftige Anmeldestrategie überarbeitet werden, was auch für anhängige EU-Anmeldungen gilt, die eine Neuanmeldung im Vereinigten Königreich erfordern.
Schutzrechtsinhaber sollten sich darüber klar werden, welche Schutzrechte kein relevantes Interesse im Vereinigten Königreich repräsentieren. Ein Opting-out kann bereits jetzt vorbereitet werden, um auf längere Sicht unnötige Kosten und administrativen Aufwand zu reduzieren. Es ist allerdings zu beachten, und sollte in einer geeigneten Beratung sorgfältig abgewogen werden, ob derartige zusätzliche Rechte nicht einen strategischen Nutzen haben. Dabei ist ebenfalls zu berücksichtigen, dass ein opt-out mitunter gar nicht möglich ist und deshalb IP-bezogene Verträge zu sichten sind.
Wer Lizenznehmer ist, ist gut beraten, sich mit dem Lizenzgeber zum Territorium der Lizenz und lizenzierten Rechte abzustimmen.