Neue Optionen bei der Beanstandung eingetragener Marken in Deutschland: amtliches Nichtigkeits- und Verfallsverfahren ab 01. Mai 2020
Das Markenrechtsmodernisierungsgesetz (MaMoG) ist bekanntlich im Wesentlichen zum 14. Januar 2019 in Kraft getreten. Es hat die europäische Markenrechtsreform und die entsprechende EU-Markenrechtsrichtlinie (2015/2436) für Deutschland umgesetzt (vgl. hierzu B&B Bulletin Beitrag vom 15. Januar 2019). Mit Verzögerung – aber weit innerhalb der Umsetzungsfrist -, und zwar zum 1. Mai 2020, kommt ein höchst praxisrelevanter, zentraler Aspekt des Gesetzes zur Anwendung, nämlich im Markenverfahrensrecht die Einführung eines amtlichen Nichtigkeitsverfahrens wegen älterer Rechte sowie ein vollumfängliches Verfallsverfahren vor dem deutschen Patent und Markenamt.
Erweiterte Angriffspalette gegenüber Markeneintragungen
Es wird ein Wahlrecht geschaffen, um neben dem bisher exklusiven Klageweg vor den Zivilgerichten für die Geltendmachung älterer Rechte (relative Nichtigkeitsgründe) sowie hinsichtlich Verfalls wegen fehlender rechtserhaltender Benutzung diese auch vollständig auf Amtsebene durchzuführen.
Mithin soll im Sinne der Verfahrensökonomie ein kostensparende Alternative zum Klageverfahren angeboten und dabei die Fachkompetenz der Eintragungsbehörde ausgenutzt werden. Nunmehr besteht die vollständige Trias um eingetragene Marken in einem Amtsverfahren – nicht nur wie bisher auf der Grundlage absoluter Nichtigkeitsgründe (fehlende Eintragungsfähigkeit) – auch wegen Verfalls (jenseits eines formellen Vorverfahrens) und älterer Rechte zur Löschung zu bringen. Damit wird das deutsche markenrechtliche Verfahrensrecht der Systematik auf Unionsmarkenebene angepasst.
Neues amtliches Nichtigkeitsverfahren wegen entgegenstehender älterer Rechte
Der Inhaber einer oder mehrerer älterer Rechte (im Sinne der §§ 9 bis 13 MarkenG, mithin breiter als im Widerspruchsverfahren etwa auch aufgrund von Namens-, Urheber- oder Designrechten) kann nunmehr erstmals im Amtsverfahren die Erklärung der Nichtigkeit und Löschung einer eingetragenen deutschen Marke erreichen. Entsprechendes gilt für die Schutzentziehung eines auf Deutschland erstreckten Teils einer internationalen Registrierung.
In praktischer Hinsicht ist zu beachten:
• nur bei Widerspruch des Inhabers der eingetragenen Marke innerhalb von 2 Monaten nach Zustellung des Nichtigkeitsantrags wird das streitige Verfahren durchgeführt; ansonsten erklärt das Amt die Marke für nichtig und löscht diese mit Wirkung ex tunc.
• Verhältnis zu Widerspruchsverfahren: das amtliche Nichtigkeitsverfahren ist statthaft trotz anhängigen Widerspruchsverfahrens, selbst aufgrund desselben älteren Rechts. ´
• Anders als im Widerspruchsverfahren besteht der „wandernde Benutzungszeitraum“ im Nichtigkeitsverfahren fort; läuft die Benutzungsschonfrist erst während des Nichtigkeitsverfahrens ab, ist auf Einrede des Inhabers der angegriffenen Marke der Nachweis der rechtserhaltenden Benutzung der älteren Marke innerhalb der letzten fünf Jahre vor der Entscheidung zu führen. Dies wird zu vermehrtem Rückgriff des Nichtigkeits- (aber auch Verfalls-)verfahrens führen.
Amtliches Verfallsverfahren
Die Eintragung einer Marke wird auf Antrag für verfallen erklärt und gelöscht, primär wenn sie innerhalb eines Zeitraums von fünf Jahren nicht benutzt worden ist. Bei ausbleibendem schlichtem Widerspruch wird die Marke – normalerweise mit ex-nunc Wirkung – gelöscht. Widerspricht der Markeninhaber binnen zwei Monaten nach Zustellung des Verfallsantrags, wird der streitige Teil des behördlichen Verfahrens – bei Zahlung einer Weiterverfolgungsgebühr des Antragstellers – fortgesetzt.
Mithin ist der Antragsteller – abweichend vom bisherigen Recht – nicht mehr gezwungen, seinen Antrag vor den Zivilgerichten in einer Verfallsklage weiterzuverfolgen.
Verfahrensrechtliche Besonderheiten für beide Optionen
• Wahlrecht, aber keine Kumulation: Zivilrechtliche Klage und entsprechende Anträge auf Nichtigkeit bzw. wegen Verfall vor dem DPMA schließen sich bei demselben Streitgegenstand aus.
• Gegen die Entscheidung des DPMA kann Beschwerde zum Bundespatentgericht (BPatG) eingelegt werden.
• Bereits der schriftliche Antrag ist zu begründen und Beweismittel sind anzugeben.
• Anhörungen finden im Amtsverfahren auf Antrag eines Beteiligten oder bei Sachdienlichkeit statt
• Gegenüber einem Antragsteller außerhalb der EU kann eine Sicherheitsleistung gefordert werden.
Erhöhter Beratungsbedarf – weitreichende strategische Entscheidungen
Insbesondere für Inhaber älterer Rechte erhöhen sich die Optionen für ein Vorgehen gegen jüngere Marken. Die strategischen Überlegungen, auch für Verhandlungen über eine einvernehmliche Beilegung des Konflikts, sind komplex. Nur folgende Aspekte können angerissen werden:
Geringere Kostenschwelle bei Amtsverfahren, aber keine Kostenerstattung
Das Amtsverfahren ist weitaus kostengünstiger (z.B. Amtsgebühr für Nichtigkeitsantrag EUR 400,- sowie EUR 500,- für Beschwerde zum BPatG; kein Anwaltszwang vor dem DPMA) als das entsprechende Klageverfahren. Die Anzahl der Angriffe auf eingetragene Marken vor dem Amt werden sich erhöhen. Andererseits entfällt im Amtsverfahren im Normalfall die Kostenerstattung. Allerdings kann im Fall eines erfolgreichen Klageverfahrens Erstattung der Gerichts- und der wesentlichen Anwaltsgebühren erzielt werden.
Erleichterte Beweislast zum Nachweis rechtserhaltender Benutzung im Amtsverfahren
Eine eidesstattliche Versicherung zum Nachweis der rechtserhaltenden Benutzung ist – jedenfalls vor dem DPMA – im Amtsverfahren ausreichend. Demgegenüber gilt im Klageverfahren der strengere Vollbeweis.
Provokation des amtlichen Verfallsverfahrens bei Widerspruch
Wie auf Ebene der Unionsmarken bekannt wird ein Inhaber älterer Marke(n) die Einlegung eines Widerspruchs stärker abwägen müssen. Seine dem Benutzungszwang unterliegende Marke ist nicht nur der Einrede der Nichtbenutzung ausgesetzt, sondern es droht der Vollverlust über den kostengünstigen Gegenangriff in einem amtlichen Verfallsverfahren.
Insgesamt führen die neuen kostengünstigen amtlichen Markenlöschungsverfahren bei Beibehaltung des entsprechenden Klageweges zu erweiterten strategischen Optionen, entsprechendem Beratungsbedarf und sicherlich zu einem Anstieg der Angriffe auf eingetragene Marken.