EPG: Verteidigungsmöglichkeiten für den Beklagten
1. Formale Gründe für die Verteidigung
Als formelle Verteidigung kann der Beklagte zunächst die Zuständigkeit des EPG anfechten, da die Zuständigkeit der nationalen Gerichte weiterhin für alle Klagen gilt, die nicht in den EPG-Vereinbarungen aufgeführt sind, wie z. B. Klagen, die sich auf EP-Patente mit Ausnahmeregelung beziehen.
2. Nichtverletzung
Damit die Verletzungsklage Erfolg hat, muss der Kläger nachweisen, dass der Beklagte die Erfindung benutzt hat oder dass eine solche Benutzung unmittelbar bevorsteht. Der Beklagte kann demgegenüber nachweisen, dass eine solche Benutzung nicht stattgefunden hat, entweder weil es an einer vorbehaltenen Benutzungshandlung (wie Herstellung, Anbieten, Inverkehrbringen) in dem betreffenden Gebiet fehlt oder weil das angeklagte Produkt oder Verfahren nicht Gegenstand des Klagepatents ist. Im letzteren Fall kann der Beklagte nachweisen, dass ein oder mehrere Merkmale der geltend gemachten Patentansprüche in dem angeklagten Produkt oder Verfahren nicht verwirklicht sind.
Die EPG-Regelungen sehen bestimmte Beschränkungen der Wirkung eines Patents vor, z. B. Handlungen, die privat und zu nicht gewerblichen Zwecken vorgenommen werden, Handlungen, die zu Versuchszwecken vorgenommen werden, oder verschiedene andere Handlungen, die im öffentlichen Interesse liegen und/oder durch internationale Verträge vom Patentschutz ausgenommen sind. Trifft eine dieser Situationen zu, kann der Beklagte auch diesbezüglich die Einrede der Nichtverletzung geltend machen.
3. Mangelnde Rechtsbeständigkeit
Eine der häufigsten Verteidigungsmöglichkeiten gegen eine Klage wegen Patentverletzung ist die Anfechtung der Rechtsbeständigkeit des Patents. Im Rahmen des EPG-Systems gibt es verschiedene Möglichkeiten, ein Patent anzufechten, das in einem anhängigen Verletzungsverfahren durchgesetzt wird: Erstens kann der Beklagte eine gesonderte Nichtigkeitsklage oder einen Einspruch beim EPA einreichen, der dann von dem Verletzungsverfahren getrennt bleibt. Zweitens kann der Beklagte eine Nichtigkeitswiderklage einreichen, die dann Teil des Verletzungsverfahrens ist und gleichzeitig behandelt wird. Im Falle einer Nichtigkeitswiderklage wird der Beklagte in der Regel beantragen, dass das Verletzungsverfahren bis zu einer Entscheidung über die Gültigkeit des Patents ausgesetzt wird oder dass eine Entscheidung über die Verletzung unter der auflösenden Bedingung getroffen wird, dass das Patent nicht für ungültig erklärt wird. Es liegt im Ermessen der EPG-Gerichte, diesen Anträgen stattzugeben.
Für einen Beklagten in einem Verletzungsverfahren vor dem EPG existieren zahlreiche strategische Unterschiede, ob er eine separate Nichtigkeitsklage, eine Nichtigkeitsgegenklage oder beides einreicht. Für die Abwägung wichtig sind die Fragen, welche Kammer am besten über die Rechtsbeständigkeit des Patents entscheiden kann, welche Kammer den Verletzungsfall bearbeiten sollte, die Frage, wann der relevante Stand der Technik verfügbar und ob der Verletzungsfall vom Patentinhaber oder einem Lizenznehmer eingeleitet wurde.
4. Berechtigung zur Nutzung
Der Beklagte kann ferner eine Einrede bezüglich seiner Berechtigung zur Nutzung der patentierten Technologie erheben, die sich auf (a) die Miteigentümerschaft des Beklagten an dem Patent, (b) eine Lizenz, die dem Beklagten die Nutzung des Patents erlaubt, und/oder (c) die Vorbenutzungsrechte des Beklagten stützen kann.
5. Kartellrechtliche Verteidigung
Während das EPG-Regelungen selbst keine kartellrechtlichen Einwände vorsieht, ist die Anwendung von EU-Recht ausdrücklich vorgeschrieben, so dass die allgemeinen Beschränkungen für kartellrechtliches und wettbewerbswidriges Verhalten wohl auch vor dem EPG gelten werden. Folglich ist zu erwarten, dass die Gerichte des EPG den vom EuGH festgelegten Rahmen bei Durchsetzung von standardessenziellen Patenten (SEP“) anwenden werden, einschließlich der Notwendigkeit, dass ein SEP-Inhaber ein faires, angemessenes und diskriminierungsfreies (FRAND“-) Angebot unterbreitet und ein Implementierer angemessen darauf reagiert. Es ist jedoch unklar, ob die EPG-Gerichte zugleich auch die Aufgabe übernehmen werden, einen angemessenen FRAND-Satz für ein SEP der Höhe nach festzulegen, zumal auch die Gerichte der teilnehmenden EU-Mitgliedstaaten bisher zögern, solche Berechnungen anzustellen.
6. Erschöpfung
Erschöpfung tritt ein, wenn ein Produkt durch den Patentinhaber oder mit seiner Zustimmung in der EU in Verkehr gebracht wurde, was eine EU-weite (regionale) Erschöpfung und eine entsprechende Verteidigung auch vor dem UPC ermöglicht.
7. Verjährung und Verwirkung
In den EPG-Regelungen ist ein Zeitraum von fünf Jahren festgelegt, nachdem Klagen „in Bezug auf alle Formen der finanziellen Entschädigung nicht mehr erhoben werden können“. Verwirkung wird in diesen Regelungen nicht ausdrücklich erwähnt, aber die EPG-Gerichten müssen alle Verfahren und Rechtsbehelfe in einer „fairen und gerechten Weise“ anwenden, was die Möglichkeit einschließen sollte, sich gegen eine sehr späte Klageerhebung (und gegen die berechtigten Erwartungen des Beklagten) auf der Grundlage von Erwägungen des guten Glaubens zu wehren.
8. Anspruchsklagen
Eine weitere Möglichkeit der Verteidigung ist die Geltendmachung von Eigentumsrechten an dem Klagepatent. Solche Anspruchsklagen fallen jedoch nicht in die Zuständigkeit der Gerichte des UPC. Sie müssen nach wie vor bei den zuständigen nationalen Gerichten eingereicht werden, zumeist am Wohnsitz des Beklagten; das EPG wird das Verfahren dann vermutlich aussetzen.