EPG: Durchsetzungsmöglichkeiten für Rechteinhaber
Das UPC-System bietet Rechteinhabern verschiedene Optionen zur Durchsetzung ihrer Rechte, einschließlich dem Erlass von Unterlassungs- und einstweiligen Verfügungen, der Gewähr von Schadenersatz und gerichtliche Anordnungen zur Erteilung von Auskünften und zur Rechnungslegung.
Im Folgenden wird ein kurzer Überblick über einige dieser Maßnahmen gegeben:
1. Unterlassungsklagen
Liegt eine Patentverletzung vor und wird das Patent für rechtsbeständig befunden, ist das Einheitsgericht befugt, dauerhafte Unterlassungsverfügungen zu erlassen, die sich (im Falle eines Einheitspatents) auf das Gebiet aller EPG-Mitgliedstaaten (zum Zeitpunkt der Erteilung des Einheitspatents) erstreckt. Im Falle eines Bündelpatents (EP), das nicht ausoptiert wurde, hat die Unterlassungsverfügung eine territorial begrenztere Wirkung, und zwar in den Ländern, in denen das EP-Patent validiert und anschließend aufrechterhalten wurde. Anders als in einigen EU-Staaten, wie z.B. Deutschland, wird das Einheitsgericht einen Ermessensspielraum bei der Gewährung einer Unterlassungsverfügung ausüben, insbesondere durch Berücksichtigung von Verhältnismäßigkeitserwägungen. Inwieweit dieser Ermessensspielraum tatsächlich genutzt wird, dürfte von den einzelnen lokalen Kammern dann aber auch unterschiedlich gehandhabt werden, so dass zumindest in der Anfangsphase des Systems die Wahl des richtigen Gerichtsstands auch unter diesem Aspekt eine wichtige Rolle spielen dürfte.
Das Einheitsgericht kann die vorläufige Vollstreckung des Unterlassungstitels während eines laufenden Berufungsverfahrens zulassen. Zu diesem Zweck kann das Gericht anordnen, dass der Rechtsinhaber vor der Vollstreckung eine Sicherheit zu leisten hat. Denn eine vorläufige Vollstreckung setzt den Rechtsinhaber in jedem Fall auch im Rahmen des EPG möglichen Schadensersatzansprüchen aus, wenn die Entscheidung später im Rechtsmittelverfahren aufgehoben wird.
2. Schadensersatzansprüche
Während eine Unterlassungsverfügung und die Möglichkeit der frühen Vollstreckung derselben sicherlich auch im EPG viele Vergleiche begünstigen wird, , ist das EPG zugleich aber auch befugt, Schadensersatzforderungen zuzusprechen und hierbei einen Schadensersatz der Höhe nach festzusetzen, der gleichsam alle Verkäufe im Gebiet aller EPG-Mitgliedstaaten abdeckt.
Das EPG hat insofern die Möglichkeit, in einem Urteil über die Verletzung und den Schadenersatz zu entscheiden oder erst zu einem späteren Zeitpunkt, entweder auf der Grundlage des Vorbringens der Parteien oder nachdem der Beklagte seine Bücher offengelegt hat, über den Schadenersatz zu befinden. Der Schadensersatz hat sich an wirtschaftlichen Faktoren wie dem entgangenen Gewinn und den unlauteren Gewinnen des Verletzers zu orientieren, aber auch an Faktoren wie dem moralischen Schaden, der dem Geschädigten durch die Verletzung entstanden ist. Es ist dennoch zu erwarten, dass eine angemessene Lizenzgebühr, die als Pauschalbetrag für die verletzende Nutzung in der Vergangenheit festgelegt wird, auch für das EPG die häufigste Berechnungsmethode sein wird.
3. Beweiserhebung und -sicherung
Die Regelungen des EPG sehen vor, dass eine Partei, die eine Tatsache behauptet, die von der anderen Partei bestritten wird, die verfügbaren Beweise vorlegen muss. Umgekehrt gilt eine Tatsachenbehauptung, die von keiner der Parteien ausdrücklich bestritten wird, zwischen den Parteien als zugestanden und damit wahr.
Um die erforderlichen Beweise zu erbringen, erlaubt das EPG eine Vielzahl von Mitteln, darunter eine Anhörung der Parteien und/oder Zeugen, Auskunftsersuchen, die Vorlage von Dokumenten, Sachverständigengutachten, Besichtigungen, Tests oder Versuche und eidesstattliche Versicherungen. Während es grundsätzlich Sache der Parteien ist, die erforderlichen Beweise zu beschaffen und vorzulegen, kann das Gericht die gegnerische Partei oder einen Dritten auch anweisen, Beweise vorzulegen, sofern sich diese in der Verfügungsgewalt der anderen Partei oder des Dritten befinden und deren jeweilige berechtige Geheimhaltungsinteressen anerkannt und gewahrt werden.
Das EPG kann zudem auch die Besichtigung von Räumlichkeiten und die Sammlung von Beweismitteln anordnen. Diese Maßnahmen können die physische Beschlagnahme der rechtsverletzenden Produkte und, in geeigneten Fällen, der bei der Herstellung und/oder dem Vertrieb dieser Produkte verwendeten Materialien und der dazugehörigen Unterlagen sowie die Inspektion von Räumlichkeiten umfassen. Um eine solche Anordnung zu erwirken, muss der Rechtsinhaber alle verfügbaren Beweise vorlegen, um seine Behauptung der Rechtsverletzung zu untermauern. Um die volle Wirksamkeit dieser Maßnahme zu gewährleisten, kann eine solche Anordnung erforderlichenfalls auch ohne vorherige Anhörung der anderen Partei erwirkt werden.
4. Vorläufige Maßnahmen
Das EPG kann ferner auch einstweilige Verfügungen erlassen, um eine drohende Verletzung oder die Fortsetzung einer andauernden Verletzung zu verhindern. Das Gericht kann hierfür auch die Beschlagnahme oder Herausgabe mutmaßlich rechtsverletzender Produkte anordnen und sogar das Eigentum des mutmaßlichen Verletzers vorsorglich beschlagnahmen.
Um solche Maßnahmen zu gewähren, kann das EPG vom Rechtsinhaber verlangen, dass er angemessene Beweise vorlegt, die mit hinreichender Sicherheit belegen, dass das Patent gültig ist und verletzt wird. Es ist noch nicht klar, ob das Gericht hierbei eine Gültigkeitsvermutung anwenden wird oder was erforderlich ist, um diese Vermutung zu widerlegen. Im Allgemeinen hat das EPG die Interessen der Parteien abzuwägen, bevor es einstweilige Verfügungen gewährt oder ablehnt. Wenn die Beantragung der einstweiligen Verfügung unangemessen verzögert wurde, wird auch das EPG die Maßnahme wegen fehlender Dringlichkeit ablehnen, wobei die genauen Fristen für den Dringlichkeitsausschluss noch nicht feststehen.
Das EPG kann den Antragsgegner auffordern, Einspruch gegen den Antrag auf einstweilige Verfügung zu erheben, und es kann hiernach dann eine mündliche Anhörung durchführen, zu der es entweder beide Parteien oder nur den Antragsteller lädt. Erforderlichenfalls, insbesondere wenn eine Verzögerung einen nicht wiedergutzumachenden Schaden verursachen könnte, kann das EPG einstweilige Maßnahmen und Sicherungsmaßnahmen auch ohne Anhörung des Antragsgegners, anordnen. Lehnt das EPG solche einseitigen Maßnahmen ab, kann der Antragsteller den Antrag zurücknehmen und beantragen, dass dieser vertraulich behandelt wird. Um das Risiko von einseitigen Maßnahmen zu mindern, kann der Antragsgegner eine Schutzschrift einreichen. Eine Schutzschrift ist für einen verlängerbaren Zeitraum von 6 Monaten gültig und wird dem Gremium oder Richter übermittelt, das über vorläufige Maßnahmen in Bezug auf das von der Schutzschrift erfasste Patent zu entscheiden hat.