Werbung mit Umweltaussagen
Kaum ein anderes Thema ist in den letzten Jahren so omnipräsent wie der Klimawandel. Die Krise nimmt einen täglichen Platz in den Nachrichten ein. Kein Wunder also, dass das Klima auch im Wettbewerbsrecht Wellen schlägt: Greenwashing – mit steigender Nachfrage nach Umweltfreundlichkeit wächst die Attraktivität für Unternehmen, mit entsprechenden Begriffen zu werben, genauso wie das Irreführungspotential.
Steigende Nachfrage nach nachhaltigen Produkten
Verbraucher wollen umweltbewusst leben: Aktuellen Studien zufolge geben 88 % der weltweit Befragten an, dass sie nachhaltig einkaufen werden, wenn sie die Möglichkeit dazu haben; 77 % wollen in fünf Jahren nur noch Geld für Marken mit grüner und nachhaltiger Werbung ausgeben (dentsu, Der Aufstieg von nachhaltigen Medien, 2021). 73 % der Generation Z sind sogar bereit, mehr für nachhaltige Produkte zu zahlen (First Insight, The State of Consumer Spending: Gen Z Shoppers Demand Sustainable Retail, 2020). Es ist eine Veränderung der Verbrauchererwartung zu beobachten. Nachhaltige Produkte und Leistungen werden mit hoher Zahlungsbereitschaft zunehmend nachgefragt. Diese Chance nutzen viele Unternehmen. Die Werbung mit der Nachhaltigkeit wird zum Sellingpoint.
Greenwashing und das Lauterkeitsrecht
In vielen Fällen werden die Werbeversprechen aber nicht gehalten. Die EU-Kommission hat 2021 die Internetauftritte von Unternehmen auf ihre Umweltversprechen analysiert. 37 % der Webseiten enthalten Werbung für nachhaltige, umweltfreundliche oder klimaneutrale Unternehmen und ihre Produkte oder Dienstleistungen, sind es aber tatsächlich gar nicht oder nur teilweise. 59 % der Webseiten enthalten unsubstantiierte Informationen, wodurch die Versprechen nicht überprüfbar sind. Der Analyse zufolge verstoßen insgesamt 42 % der Webseiten gegen die Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken (EU-Kommission, Screening of Websites for ‘Greenwashing‘: Half of Green Claims Lack Evidence, 2021). Insbesondere die Wettbewerbszentrale sowie Verbraucherverbände wollen diese Missstände beheben und treten hier für den Verbraucher- und Umweltschutz ein. Greenwashing wird dadurch zunehmend Gegenstand von Gerichtsverfahren. Anknüpfungspunkt dieser Verfahren ist § 5 und § 5a des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG). Danach sind geschäftliche Handlungen irreführend, wenn sie unwahre Angaben oder sonstige zur Täuschung geeignete Angaben, insbesondere über die wesentlichen Merkmale der Ware oder Dienstleistung, enthalten. Die Beziehung zur Umwelt ist ein solches wesentliches Merkmal, da sie die Beschaffenheit betrifft.
Rechtliche Entwicklung: Irreführungsverbot und Informationsgebot
Umweltbezogene Werbeaussagen sind zwar grundsätzlich zulässig. Wie der Gesundheitswerbung legt die Rechtsprechung ihnen aber – einem Urteil des Bundesgerichtshofs aus den 1980er-Jahren folgend – strenge Maßstäbe an. Dies wird vor allem mit der emotionalen Sogwirkung von Nachhaltigkeitswerbung begründet. Sie löst beim Verbraucher die Besorgnis um die eigene Gesundheit und ein Verantwortungsgefühl für spätere Generationen aus.
Die Irreführungsgefahr ist bei Begriffen, deren Bedeutung und Inhalt (noch) unklar ist, besonders groß: umweltfreundlich, nachhaltig, bio, um nur einige zu nennen. Für diese besteht bei den angesprochenen Verkehrskreisen ein gesteigertes Aufklärungsbedürfnis. Erforderlich ist daher ein deutlich sichtbarer, aufklärender Hinweis. Die strengen Anforderungen an diesen Hinweis bestimmen sich je nach Einzelfall, abhängig von der Art des Produkts und dem Grad und Ausmaß seiner Umweltfreundlichkeit. Bei einer relativen Nachhaltigkeit muss zum Beispiel der jeweilige Vorzug des Produkts konkret benannt werden (OLG Bremen, Urt. v. 23.12.2022, 2 U 103/22). Klima- oder CO2-Neutralität versteht die Rechtsprechung als ausgeglichene Bilanz der CO2-Emissionen, die sowohl durch Vermeidung als auch durch Kompensation erreicht werden kann. Bei Kompensationsmaßnahmen ist dann werblich aufzuklären, ob etwa CO2-Zertifikate erworben oder Klimaprojekte Dritter unterstützt wurden. Wird ein Gütesiegel verwendet, müssen Informationen zu den Prüfkriterien bereitgestellt werden (OLG Frankfurt/M., Urt. v. 10.11.2022, 6 U 104/22). Hinsichtlich des Umfangs der Informationspflichten gilt allgemein, dass für Verbraucher das Interesse an Einzelheiten in dem Maße wächst, wie ein Thema in ihr Bewusstsein rückt. Und der Klimawandel ist derzeit allgegenwärtig.
Handlungsempfehlung und Ausblick
Die Werbung mit Umweltaussagen ist für Unternehmen lukrativ. Es ist aber Vorsicht geboten. Damit eine Irreführung der Verbraucher vermieden wird, ist regelmäßig ein aufklärender Hinweis auf die näheren Umstände, auf die sich die Aussage bezieht, erforderlich. Unternehmen sollten daher die Vorteile ihres Produkts oder ihrer Dienstleistung konkret benennen, jedoch nicht mit Selbstverständlichkeiten werben. Der Hinweis muss widerspruchsfrei, klar formuliert und leicht lesbar sein. Auch Ökosiegel und Labels müssen zutreffend und nachprüfbar sein.
Perspektivisch sollten sich Unternehmen über die aktuellen Gesetzesvorhaben in diesem Bereich informiert halten. Gerade die EU-Kommission ist dem Klimaschutz verpflichtet. Um Greenwashing zu unterbinden verfolgt sie mehrere Ansätze: Es liegen Vorschläge zur Änderung der Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken hinsichtlich der Stärkung der Verbraucher für den ökologischen Wandel durch besseren Schutz gegen unlautere Praktiken und bessere Information (COM/2022/143) sowie für eine Richtlinie über Umweltaussagen vor (COM/2023/166). Zudem soll der Finanzmarkt incentiviert werden, denn dadurch können Kapitalströme auf nachhaltige Investitionen ausgerichtet werden, um ein nachhaltiges und integratives Wachstum zu erreichen. Zu nennen sind hier vor allem die Offenlegungs- (EU 2019/2088) und Taxonomie-Verordnung (EU 2020/852).